„Stärken wir Mobilität als Verbindung der Lebens-, Wohn- und Arbeitswelt!“
© AK/Helge Bauer
Die Arbeiterkammer Kärnten hat kürzlich eine Studie unter der wissenschaftlichen Begleitung des Joanneum Research durchgeführt, die das Mobilitätsverhalten der Kärntner:innen, aber auch ihre Wünsche an den öffentlichen Verkehr abbildet. Dafür wurden mehr als 2.300 Online-Fragebögen ausgewertet, die signifikante Ergebnisse hervor brachten. Darüber hinaus wurden zur weiteren Differenzierung detaillierte Bezirkserhebungen erstellt.
Mobilität verändert sich
Im Jahr 2026 wird der Koralmtunnel die Bundesländer Kärnten und Steiermark direkt miteinander verbinden. Graz und Klagenfurt werden in Tagespendeldistanz liegen, wodurch eine neue urbane Agglomeration entsteht. Das führt zu einer zusätzlichen Dynamik am Arbeitsmarkt und einer Zunahme der Pendelverflechtungen. Um das Potenzial, das darin steckt, auch optimal zu nutzen, muss Mobilität allerdings für alle Regionen über diese Hauptverbindung hinaus gedacht werden.
Eines der wesentlichsten Ergebnisse der Studie: Pendeln ist nur ein Teilbereich. Eine echte Mobilitätswende, also eine nachhaltige Veränderung im Verhalten, kann nur gelingen, wenn auch der Kontext der Daseinsvorsorge berücksichtigt wird.
Denn um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, müssen wir mobil sein. Egal ob zur Erreichbarkeit von Bildungsstandorten, der Arbeit, Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten und anderer Daseinsvorsorge oder zur Freizeitgestaltung – das Leben spielt sich an vielen Orten ab, die nicht immer in unserer unmittelbaren Nähe sind. Umso wichtiger ist es, dass diese Güter und Dienstleistungen des Grundbedarfs nicht nur in ausreichendem Umfang und angemessener Qualität, sondern vor allem in zumutbarer Entfernung vorhanden sein.
„Stärken wir Mobilität als Verbindung der Lebens-, Wohn- und Arbeitswelt!“
© AK/Helge Bauer
PKW aus Zeitersparnis
Der Weg von und zur Arbeit macht einen Großteil der täglich zurückgelegten Wege aus. Nach wie vor ist das Auto dafür die erste Wahl. 30 Prozent der Befragten gaben an, dass sie vor allem aus Gründen der Zeitersparnis mit dem eigenen PKW pendeln. Die Studie hat gleichzeitig ergeben, dass längere Wege als stressfreier empfunden werden, wenn sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt werden können. Das heißt, ein guter Ausbau der Öffis führt auch zu besserer Mobilität – vor allem für jene mit einem geringen Einkommen.
Denn gerade für Niedrigverdiener schlägt sich das Pendeln mit dem eigenen PKW teuer zu Buche. Wer zum Beispiel täglich zwischen Klagenfurt und Villach pendelt, muss allein für Spritkosten mit rund 2.500 Euro pro Jahr rechnen. Das Kärnten-Klimaticket kostet zum Vergleich hingegen nur 399 Euro. Allerdings steht diese Möglichkeit durch zeitliche oder räumliche Faktoren vielen Beschäftigten nicht zur Verfügung.
„Davon betroffen sind auch Haushalte mit schulpflichtigen Kindern und hier vor allem Frauen, welche vermehrt die Betreuungspflichten übernehmen“, hebt Goach ein Studienergebnis hervor und betont: „Ein attraktiveres Angebot des öffentlichen Verkehrs und gezielte finanzielle Unterstützung tragen hier zur Entlastung bei.“
Kombination unterschiedlicher Wege
Für 32 Prozent der Befragten ist das Hauptmotiv, ihr Auto zu benutzen, eine fehlende Alternative auf Grund schlechter Erreichbarkeit oder Taktung der öffentlichen Verkehrsmittel. Das gaben vor allem Studienteilnehmer:innen in Ober- und Unterkärnten außerhalb der Ballungsräume an. Dies verstärkt sich noch durch die individuelle Lebenssituation bzw. familiäre Umstände. Vor allem in Mehrpersonenhaushalten mit schulpflichtigen Kindern ist das Auto das vorrangig benutzte Verkehrsmittel. Damit lassen sich unterschiedliche Wege einfacher kombinieren, wie das Einkaufen, die Fahrt zur Arbeit, in die Schule oder zum Sport. Das Auto wird dabei oft als alternativlos und unverzichtbar gesehen, obwohl die meisten das eigentlich möchten.
Denn eine überraschende Mehrheit von 96 % möchte das Auto lieber stehen lassen: „Die Verwendung des eigenen Autos ist oftmals mehr Notwendigkeit als eigener Wunsch, denn nur vier Prozent der Befragten gaben an, nicht auf das Auto verzichten zu wollen. Daher ist statt dem Rückbau, die Infrastruktur weiter auszubauen und vor allem sind vorhandene Strecken bestmöglich zu nutzen“, betont der AK-Präsident.
Arbeit – Kinder – Einkaufen
Auch wenn sich das Mobilitätsverhalten von Frauen und Männern grundsätzlich nicht stark unterscheidet, so ist es doch von anderen Einflussfaktoren bestimmt. Einerseits ist es die bereits erwähnte Notwendigkeit, verschiedene Wege miteinander zu kombinieren, die besonders auf Frauen mit der Mehrfachbelastung Arbeit und Familie zutrifft. Außerdem sind sie häufiger in Teilzeitbeschäftigung. Ein wesentlicher Grund dafür sind vor allem Kinderbetreuungspflichten und die Wege, die für und mit den Kindern zurückgelegt werden.
„Mit einer Verbesserung der Erreichbarkeit der öffentlichen Infrastruktur, wie Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, sowie des Verkehrsangebotes, würden Frauen in Hinblick auf kombinierte Wege und die Begleitung von Kindern gezielt unterstützt werden“, so Goach. Daher sei es wichtig, dass Betreuungseinrichtungen möglichst wohnortnah zur Verfügung stehen bzw. müssen diese leicht öffentlich erreichbar sein. Darüber hinaus ist ein vernünftiger Ausbau von Busverbindungen dringend notwendig, ebenso wie eine Reaktivierung von Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe.
Peripherie mit einbinden
Nicht weiter überraschend ist ein weiteres Ergebnis der Studie: Insbesondere in den peripheren Regionen wird verstärkt mit dem Auto gependelt. „Es muss die Siedlungsstruktur beachtet werden. Denn während es in den Zentren gut möglich ist, auf das eigene Auto zu verzichten, ist der Bus- und Bedarfsverkehr für Regionen abseits des Schienenangebots vonnöten. Zugleich muss über Gemeindegrenzen hinausgedacht werden, denn allein außerhalb des Kärntner Zentralraumes verlassen mehr als dreiviertel der Pendler die Heimatgemeinde. Außerdem ist die Erreichbarkeit zentraler Orte und Orte der Daseinsvorsorge von wesentlicher Bedeutung. Es braucht situationsbedingte und regionsspezifische Lösungen, wie den Mikro-ÖV, um bessere Erreichbarkeitsverhältnisse schaffen zu können!“, unterstreicht Eric Kirschner, der die Studie seitens Joanneum Research betreut hat.
Die Koralmbahn als Chance
Das gilt auch und ganz besonders für die nahe Zukunft, wenn die Koralmbahn eröffnet wird. Bereits aus vorhergehenden Studien weiß man, dass sich die Mobilität damit stark verändern wird. Aber nicht nur Klagenfurt und Graz werden ab dann in Tagespendeldistanz liegen. Auch in den Bezirken Völkermarkt und Wolfsberg wird sich das Angebot stark verbessern.
„Ein gut ausgebautes, leistbares, öffentliches Verkehrssystem schafft Entlastung und fördert Arbeitsmarkt-Chancen“, ist AK-Präsident Günther Goach überzeugt. Doch er mahnt auch ein: „Es darf nicht auf die restlichen Bezirke vergessen werden. Alle Kärntnerinnen und Kärntner müssen profitieren, eine abgestimmte Taktung der Zubringersysteme an die Koralmbahn aus allen Regionen ist unabdingbar!“
Eine besondere Herausforderung stellt nämlich oft die sogenannte „Letzte Meile“ dar, was am fehlenden Angebot, der fehlenden Taktung oder der Entfernung von Haltestellen zum Wohn- oder Zielort liegen kann. Hier gilt es Parkplätze für Auto und Fahrrad an Bahnhöfen zur Verfügung zu stellen, um zumindest eine Teilstrecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen zu können.
Der Ausbau des Park&Ride-Angebots an frequentierten Bushaltestellen und Bahnhöfen ist somit von wesentlicher Bedeutung“, hebt Studienleiter Kirschner hervor. „Die Pkw-Abhängigkeit muss durch ein leistbares öffentliches Verkehrssystem und durch sichere Rad- und Fußwege reduziert werden. Die schon gesetzten Maßnahmen, wie die Kostenreduktion des Kärnten Tickets, waren mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung. Es wird aber in Zukunft eine Vielzahl an gebündelten Maßnahmen brauchen. Gleichzeitig muss jungen Menschen der öffentliche Verkehr kostenlos ermöglicht werden“, fordert Goach.
Die folgenden Maßnahmen fordert die Arbeiterkammer auf Grund der Ergebnisse der Studie „Mobilität in Kärnten“:
- Die Erreichbarkeit von Bildungs-, Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen, der Verwaltung und der Versorgung muss durch einen ausreichend ausgebauten, öffentlichen Verkehr gewährleistet sein.
- Zubringersysteme aus den Regionen an die Koralmbahn: Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs mit verdichteter und abgestimmter Taktung.
- Regionen wie St. Veit und Friesach müssen weiterhin mit schnellen Verbindungen an den Zentralraum, aber auch an die Koralmbahn, angebunden sein.
- Zur Erschließung der letzten Meile ist ein Ausbau des Park&Ride-Angebotes und der Radabstellplätze an frequentierten Haltestellen notwendig.
- Ausbau von sicheren Fuß- und Radwegenetzen forcieren.
- Unternehmen sollen Mobilitätskonzepte erstellen, um das Pendeln leistbarer zu machen.
- Fahrtkostenzuschuss: Anhebung der Einkommensgrenzen um mindestens 30 Prozent beim Fahrkostenzuschuss für den Individualverkehr, inklusive jährlicher Indexierung der Einkommensgrenzen für alle Fahrkostenzuschüsse.
- Ein gratis Öffi-Ticket für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre.