Reinhard Wallner, ÖBB Regionalmanager
„Angst ist ein schlechter Berater“
Im Interview mit advantage untermauert ÖBB-Regionalmanager Reinhard Wallner, warum die Koralmbahn eine Jahrhundertchance für Kärnten darstellt und welche Schritte die ÖBB setzt, um die nachhaltige Mobilität österreichweit voranzutreiben.
advantage: Viele sehen die Koralmbahn mittlerweile nicht nur als Chance, sondern gar als Risiko. Wie treten Sie den Zweiflern entgegen?
Reinhard Wallner: Der schlechteste Berater in allen Lebenslagen ist die Angst. Die Koralmbahn ist eine massive Veränderung, die sich durch infrastrukturelle Bauten als Erstes manifestiert und klarerweise durch Verkehr, durch Angebot in weiterer Folge auch darstellt. Bezogen auf Kärnten gibt es kein Risiko, für Kärnten gibt es nur eine Chance. Wenn ich in einem Bundesland zu Hause bin, das weit weg ist von großen Industrieräumen, durch Berge eingekesselt und nur die Straße ein hochrangiges Verkehrsangebot darstellt, dann kann ich ja nicht vor einem zukunftsorientierten, ökologischen Angebot Angst haben. Meine Empfehlung ist die Dinge positiv zu sehen und das Beste daraus zu machen. Das bedeutet aber auch, sich damit zu beschäftigen, die Chancen zu erkennen und dann auch zu handeln.
Auch jene Kärntner Bezirke, die nicht direkt an die Koralmbahn angebunden sind, haben demnach Chancen?
Eine Hochleistungsinfrastruktur und ihr Angebot haben auch Ausstrahlung in den gesamten Hinterlandraum. Wir müssen – vor allem aber Entscheidungsträger wie Bürgermeister:innen, Landtagsabgeordnete, Landesrät:innen, Landeshauptleute aber natürlich auch alle Wirtschaftstreibenden – endlich die Richtung gemeinsam beschreiten, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass alle Kärntner:innen die Vorteile, die durch die neue Infrastruktur entstehen, auch nutzen können. Die Distanz von jemanden, der etwa in Bad Kleinkirchheim wohnt nach Spittal/Drau ändert sich nicht, das ist indiskutabel. Aber das Angebot, das in Spittal/Drau durch das Eisenbahnsystem über die Koralmbahn sich verbessern wird, das wird ja mehr. Ich muss ganz einfach schauen, dass ich Nutznießer dessen werde, was ich habe – ob das in Spittal, Völkermarkt, Wolfsberg, Klagenfurt oder in Villach ist. Faktum ist: Über die Inbetriebnahme der Koralmbahn reden wir von einer nahezu Vervierfachung des Angebots in Kärnten sowie von einer massiven Reduktion der Fahrzeit in die Zentren Österreichs wie Graz und Wien. Über dieses neue Angebot entsteht – egal wo ich wohne – eine Verbesserung der Verkehrsleistung.
Reinhard Wallner, ÖBB Regionalmanager
Villach wird neben Wien und Salzburg der dritte Taktknotenpunkt in Österreich. Was bedeutet das?
Mit der Inbetriebnahme dieser neuen Infrastruktur wird gleichzeitig der integrierte Taktfahrplan umgesetzt. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag zieht sich der öffentliche Verkehr ab Dezember 2025 österreichweit in ein komplett neues System. Dieses Geflecht ist wie ein getaktetes Spinnennetz. Das ist eine komplette, flächendeckende Umstellung des Öffentlichen Verkehrs in Österreich und in der Verästelung sogar international – ein hochkomplexes Projekt, das schon seit Jahren läuft und damit eines sicherstellt: Eine End-to-End-Reisemöglichkeit zu schaffen mit kurzen Umstiegszeiten über alle möglichen Mobilitätswege in Österreich, sodass die Menschen einfach und komfortabel reisen bzw. rasch ihren Weg fortsetzen können. Alle Baumaßnahmen – wie Koralmbahn, aber auch Westbahn, Unterinntal – waren immer darauf ausgerichtet. Wenn alle Lückenschlüsse getätigt wurden, sind die Voraussetzungen für die Einführung des Integrierten Taktfahrplans gegeben und dies zahlt auch auf die Transeuropäischen Netze (TEN-Korridore) ein. Da steckt strategische Planung und Vision dahinter. Alles, was im ÖBB-Infrastruktur-Rahmenplan an Investitionen in die Schiene drin ist – und das sind bis 2028 österreichweit 19 Milliarden Euro – zahlt darauf ein die nachhaltige Mobilität „Basis Schiene“ zu stärken bzw. auszubauen.
Welche Rolle spielt „die letzte Meile“ in diesem Kontext?
Faktum ist, die Menschen brauchen Mobilität von ihrem Aufenthaltsort zu dem Ort, wo es eine Interessenslage gibt, sprich: Arbeitsort oder Ausflugsziel. Mobilität wird in Zukunft nicht mehr gedacht in „Ich fahre Bus“ oder „Ich fahre Bahn“, sondern Mobilität wird gedacht als Serviceleistung „end to end“. Es gibt hier den Terminus „MAS“ (Mobility as a service – Mobilität als Serviceangebot). Auch wir als ÖBB denken hier in Plattformen und haben mit dem „Wegfinder“ eine App entwickelt, die über- regionale Mobilitätsangebote digital und transparent darstellt.