Astrid Brunner ist Landesbäuerin und Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Kärnten. © Paul Gruber
Wirtschaft
06.01.2022

„Bäuerinnen sind die Multitalente auf den Höfen“

Ohne sie läuft es nicht: Frauen in der Landwirtschaft. Mittlerweile werden ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe in Kärnten von Frauen geführt. Aber auch neben der Betriebsführung übernehmen Frauen eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft.

In den Köpfen vieler Menschen sind männliche Bauern auch heutzutage noch das vorherrschende Stereotyp. Das entspricht aber schon lange nicht mehr der Realität, denn immer mehr Frauen entscheiden sich für einen Beruf in der Landwirtschaft, einige sogar dazu, nicht nur mitzuarbeiten, sondern dazu, einen Forst- oder Landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Jeder dritte Bauernhof in Kärnten wird nämlich von einer Landwirtin geleitet. Frauen spielen in der Landwirtschaft also eine weit größere Rolle, als viele Menschen denken.

Eine große Bereicherung

„Ein Drittel der Forst- und Landwirtschaftlichen Betriebe in Kärnten, nämlich 3.380 Betriebe, werden von Frauen geführt. Beachtliche 35 Prozent der Bäuerinnen sind zusätzlich zu ihrer Arbeit auf dem Hof auch noch erwerbstätig“, erklärt Kammerrätin Astrid Brunner, Landesbäuerin und Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Kärnten. Generell sind 40 Prozent der Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind Frauen. Ein Drittel der Frauen in der Landwirtschaft sind Quereinsteigerinnen – das heißt, sie haben einen anderen Hintergrund und sind meist sehr gut ausgebildet. 47 Prozent der Kärntner Bäuerinnen haben Matura bzw. einen Hochschulabschluss und sind so eine große Bereicherung für den Sektor Landwirtschaft.

Sicherung des Arbeitsplatzes

Doch gibt es auch einige Herausforderungen, denen sich die Frauen in der Landwirtschaft stellen müssen – denn Bäuerin zu sein, bedeutet Unternehmerin zu sein. „Wie in jedem Unternehmen ist auch bei uns in der Landwirtschaft die Sicherung des Arbeitsplatzes und den ständig steigenden Anforderungen gewachsen zu sein prioritär. Dazu braucht es die Absicherung einer nachhaltig wirtschaftenden, bäuerlichen Landwirtschaft im ländlichen Raum“, erklärt Astrid Brunner.

Diversifizierung als Möglichkeit

Wie wichtig die Arbeit der Bäuerinnen ist, zeigt ein kurzer Einblick in ihren Arbeitsalltag. Eine Bäuerin versorgt die Menschen mit gesunden und regionalen Lebensmitteln, trägt so zur Erhaltung der Kulturlandschaft bei und übernimmt sehr oft soziakulturelle Funktionen. Neben den klassischen Aufgaben wie zum Beispiel der Arbeit in der Milchwirtschaft sind es oft die Veredelung oder Dienstleistungen, wo die Bäuerinnen für diese Betriebszweige die Zuständigkeit und die Verantwortung übernehmen. Diversifizierung – also Vielfalt und Kombination von Einkommensquellen – bietet für Bauernhöfe zahlreiche Möglichkeiten. „Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof, Schule am Bauernhof, Seminarbäuerinnen und Betriebe die Green Care – den sozialen Bauernhof- anbieten sind derzeit die wichtigsten Diversifizierungen“, erklärt Astrid Brunner. Und vielfach sind es die Bäuerinnen die sich in der Diversifizierung einbringen, Ideen haben, sie um­setzten und auch durchführen.

Botschafterin für heimische Lebensmittel

Rund die Hälfte der Kärntner Bäuerinnen engagieren sich auch ehrenamtlich in Organisationen. „Gleichzeitig ist die Bäuerin auch Botschafterin für die heimischen Lebensmittel und für die Landwirtschaft in all ihren Sparten. Sie ist Gastgeberin auf ­Bauernhöfen und sie schafft es, eine Verbindung zwischen Landwirtschaft und Konsumenten herzustellen“, so die Landesbäuerin. Bäuerinnen tragen auch wesentlich zu einem vertrauensbildenden Dialog mit der Gesellschaft bei. „Denn, wenn immer mehr Menschen immer weniger über die Landwirtschaft wissen, braucht es authentische Botschafterinnen, die die Vorteile einer bäuerlichen Landwirtschaft für die Gesellschaft aufzeigen.“

Innovativ und flexibel

Frauen, die sich für den Beruf der Bäuerin entscheiden sind heute dreifach gefordert – als Partnerin und Mutter und als Leiterin des Betriebes – was auch eine enorme Mehrfachbelastung bedeuten kann. Meist ist es weit mehr als eine 40 Stunden-Woche mit der eine Frau, die in der Landwirtschaft tätig ist, rechnen kann. „Als Managerin muss sie innovativ und flexibeldie unterschiedlichsten Herausforderungen in Angriff nehmen. Das erfordert Begeisterung, Lernwilligkeit, Mut, Entscheidungsfreude genauso wie Risikofreudigkeit. ­Bäuerinnen sind die Multitalente auf den Höfen“, so Brunner.

Immer weniger Bauernhöfe

In Österreich und auch in Kärnten ist die Zahl der Bauernhöfe in den letzten Jahren aber leider deutlich gesunken. Wie die letzte Agrarstrukturerhebung zeigt, setzt sich der Strukturwandel in der heimischen Landwirtschaft auch weiter fort. Die Zahl der Höfe ist im Vergleich zu 2010 um rund zehn Prozent gesunken. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie Astrid Brunner weiß: „Wenn Betriebsführer bzw. Betriebsnachfolger keine Partnerin finden ist der Betrieb meist auslaufend. Unsicherheiten aufgrund des Klimawandels, zu wenig gesellschaftliche Anerkennung sprich Wertschätzung, Wachstumsdruck, keine Hofnachfolge, hoher bürokratischer Aufwand, Abhängigkeit von Weltmarktpreisen, steigende Betriebskosten und letztlich zu wenig Wertschöpfung sind einige der Gründe weswegen Betriebe aufgeben.“

Wertschätzung ist wichtiges Thema

Doch welche Rahmenbedingungen braucht es, damit sich mehr Frauen dazu entschließen Bäuerin zu werden bzw. in dem bäuerlichen Betrieb ihres Partners mitzuarbeiten? „Wertschätzung für die Bäuerinnen in der Gesellschaft ist ein sehr wichtiges Thema. Weil sie das nicht verspüren, scheuen einige Frauen davor zurück, dieses Lebensmodell zu wählen. Obwohl es neben der vielen Herausforderungen dieses Berufes auch viele schöne Seiten gibt“, erklärt die Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Kärnten.

Einzigartige Arbeit

Ob zukunftsfähige Betriebe erhalten werden können, hänge aber auch von den politischen Rahmenbedingungen, insbesondere der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab. „Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit, die Schaffung eines angemessenen Einkommens für die Bauern sowie Versorgungssicherheit sind nur einige Ziele die es zu erreichen gibt. Einen großen positiven Aspekt als Bäuerin sehe ich auch im Arbeitsplatz im eigenen Betrieb. Am Bauernhof, in der Natur arbeiten zu können, mit Tieren arbeiten zu dürfen und mit dem Partner und den Kindern gemeinsam Aufgaben zu haben und Ziele zu verfolgen ist eigentlich einzigartig“, führt Brunner aus.

Landwirtschaft stellt Versorgung sicher

Durch die Corona-Pandemie haben bäuerliche Produkte in der Gesellschaft wieder einen höheren Stellenwert bekommen, denn die Pandemie hat deutlich gemacht, dass regionale Versorgung der Gesellschaft Sicherheit bietet. Globalisierung funktioniert bei Lebensmitteln oder medizinischer Grundausstattung nur teilbedingt wie uns die aktuelle Krise schmerzlich aufgezeigt hat. „Es ist die Landwirtschaft, die die Versorgungssicherheit weitgehend sicherstellt. Wollen wir als Gesellschaft einen funktionierenden ländlichen Raum haben, soll die Kulturlandschaft so erhalten bleiben wie wir sie täglich erleben, muss die Landwirtschaft auch unterstützt werden“, erklärt Brunner. Denn zum Einen produzieren die Bauern Produkte mit sehr hohen Qualitätsstandards und zum Anderen erhalten die Konsumenten regionale, gesunde, hochwertige und qualitäts­gesicherte Lebensmittel. „Dies ist anderswo oftmals nicht der Fall. Die Bauernmärkte, der Ab-Hof Verkauf, die Selbst­bedienungshütten und das regionale Angebot der Bauern, aber auch der Verarbeiter im Handel ermöglichen aber einen teilweise rund um die Uhr Einkauf von heimischen Lebensmitteln.“

Vorrang für heimische Lebensmittel

Alleine die Steigerung des Anteiles heimischer Lebensmittel auf dem Teller um jeden Prozent-Punkt würde den Bauern rund 3,8 Millionen Euro Wertschöpfung bringen. „Nicht nur die heimische Landwirtschaft ginge als Profiteur hervor, auch nachgelagerte Arbeitsplätze würden ge-­schaffen, die Wirtschaft gestärkt und somit dem Wohlstand unserer gesamten Gesellschaft gedient. Ein enorm wichtiger Punkt hierbei sind auch die Großküchen, die Betriebsküchen und die sonstige außer Haus Verpflegung. Es geht hier um den Vorrang für heimische Lebensmittel.“ Im Jahr 2019 hat die Kärntner Landesregierung die Regionalitätscharta unterzeichnet, welche genau diesen Punkt unterstützen soll. „Bäuerinnen sind für die Landwirtschaft unverzichtbar. Es ist an der Zeit mit alten Vorurteilen aufzuräumen und die Leistungen der Bäuerinnen noch stärker vor den Vorhang zu holen. Denn das Land braucht seine Bäuerinnen und es braucht mehr davon.“

Astrid Brunner ist Landesbäuerin und Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Kärnten. © Paul Gruber
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