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Umwelt
07.04.2025

„Circular Economy ist das Wirtschafts­modell der Zukunft“

Die Umgestaltung von der linearen zur zirku­lären Wirtschaft nimmt in Öster­reich weiter an Fahrt auf. Die Poten­ziale sind mannig­faltig.

Karin Huber-Heim hält die Stadt Wien Stiftungsprofessur für Kreislaufwirtschaft und transformative Geschäftsmodelle an der FH des BFI Wien und ist Präsidentin des Circular Economy Forum Austria. Im Interview mit advantage spricht sie darüber, wie das Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft künftig noch weiter gestärkt werden kann.

Kreislaufwirtschaft wird oft primär mit Entsorgung assoziiert. Welche Bereiche betrifft sie noch?

Karin Huber-Heim: Kreislaufwirtschaft geht weit über Abfallwirtschaft hinaus. Sie umfasst alle Bereiche der Wertschöpfungskette – vom Design und Produktion über Nutzung und Wiederverwendung bis hin zur Rückführung von Materialien in den Kreislauf. Auch Geschäftsmodelle wie Sharing-Economy oder Produkt-as-a-Service spielen eine zentrale Rolle. Zudem betrifft sie die Entwicklung regenerativer Materialien, nachhaltige Beschaffung, innovative Logistikprozesse und die Integration digitaler Technologien wie IoT, um Materialflüsse effizient zu steuern. Wichtig ist auch der gesellschaftliche Wandel hin zu bewussterem Konsumverhalten und neuen Formen der Zusammenarbeit entlang der Lieferketten.

Was kann die Politik tun, um die heimische Circular Economy weiter zu fördern?

Dazu sind mehrere Maßnahmen notwendig: Der rechtliche Rahmen sollte stärker auf das Prinzip „Design for Circularity“ ausgerichtet werden, um langlebigen, reparier- und recycelbaren Produkten den Weg zu ebnen. Es braucht finanzielle Anreize – auch abseits von Förderungen – für Unternehmen, die auf innovative, zirkuläre Geschäftsmodelle setzen, oder steuerliche Vorteile für die Nutzung von Sekundärrohstoffen. Eine breit angelegte öffentliche Kommunikation, auch unter Einbindung von kreativen Köpfen, Medien und Kunst- und Kulturschaffenden, um das Bewusstsein bei Konsument:innen und Unternehmen zu schaffen, dass Kreislaufwirtschaft die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts ist. Darüber hinaus sollte die öffentliche Beschaffung als Vorbild dienen, indem sie verstärkt auf nachhaltige, kreislauffähige Produkte setzt. Partnerschaften zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik sollten verstärkt eingesetzt werden, um Innovationen im Bereich Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.

„Kreislauf­wirtschaft geht weit über Abfall­wirtschaft hinaus. Sie umfasst alle Bereiche der Wert­schöp­fungs­kette.“

Karin Huber-­Heim

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Welche Branchen haben das größte Potenzial, Lösungen hinsichtlich einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zu entwickeln?

Industriezweige mit hohem Materialverbrauch und großem ökologischen Fußabdruck, wie die Bauwirtschaft, die Textilindustrie, der Maschinenbau und die Elektronikbranche. Diese Sektoren haben enormes Potenzial, durch zirkuläre Ansätze Ressourcen zu schonen und Abfälle zu minimieren. Branchen wie die Verpackungsindustrie oder der Automobilsektor nehmen hier eine Vorreiterrolle ein, etwa durch geschlossene Recyclingkreisläufe oder modulare Produktdesigns, ebenso wie die Möbelbranche mit innovativen Leasingmodellen und langlebigen Produkten Fortschritte zeigt. Verbesserungspotenzial gibt es vor allem in der Textilindustrie und im Elektroniksektor. Hier braucht es dringend skalierbare Lösungen für Wiederverwendung, Reparatur und hochwertige Materialrückgewinnung.

Welche Maßnahmen erweisen sich als besonders wirksam?

Am effektivsten ist immer noch eine Reduktion des Primärmaterialverbrauchs. Hier kann sich KI als nützlich erweisen, da sie bereits in der Entwicklungs- und Gestaltungsphase („Design for Circularity“) von Prozessen, Materialien und Produkten eingesetzt werden kann, ebenso wie fortschrittliche Sortiersysteme mit KI-Unterstützung. Digitale Tools, wie Blockchain zur Rückverfolgbarkeit von Materialien und IoT für die Optimierung von Ressourcennutzung, spielen ebenfalls eine Schlüsselrolle. Im Bauwesen gewinnen Urban Mining, der digitale Produktpass und die Wiederverwendung von Baustoffen an Bedeutung, während in der Produktion 3D-Druck und Closed-Loop-Systeme Ressourcen effizienter nutzen. Maßnahmen wie Pfandsysteme, Produkt-as-a-Service-Modelle. Und auch wenn das niemand gerne mag:  gesetzliche Regulierungen zum Einsatz von Sekundärrohstoffen tragen ebenfalls maßgeblich zur Transformation bei.

Wie kann ein gesellschaftliches Umdenken gelingen?

Die Bevölkerung spielt eine zentrale Rolle bei der Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Ein wichtiger erster Schritt zum bewussten Konsum besteht darin, sich bei jeder Anschaffung zu fragen: Brauche ich das wirklich? Wie lange brauche ich es? Ist es von guter Qualität, lange verwendbar und reparierbar? Muss ich etwas besitzen oder reicht mir die Nutzung? Unsere Großeltern hatten noch eine völlig andere Gebrauchskultur – wir kannten „Kreislaufwirtschaft“ schon in der Vergangenheit. Ein Beispiel wäre, defekte Elektrogeräte in Repair-Cafés zu reparieren, statt sie zu ersetzen. Auch der Trend zur Sharing Economy bietet viele Möglichkeiten, Ressourcen zu schonen – vom Carsharing über Kleidertauschbörsen bis hin zur gemeinsamen Nutzung von Werkzeugen. Darüber hinaus können Konsument:innen durch die Entscheidung für Produkte aus recycelten Materialien oder für Mietmodelle, wie Möbel- oder Textilleasing, aktiv die Nachfrage nach zirkulären Geschäftsmodellen fördern. Dieses Umdenken schafft nicht nur weniger Abfall, sondern unterstützt direkt Unternehmen, die nachhaltige Lösungen anbieten.

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