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Leben
31.01.2025

Das Fehlen des Alltäglichen wird einem erst bewusst, wenn es längst Geschichte ist

Immer mehr Gasthäuser, die stets ein Kommuni­kations­zentrum und die Platt­form für Meinungs­austausch selbst in kleinen Dörfern waren, haben in letzter Zeit geschlossen oder stehen am Rand ihrer Existenz. Eine Glosse von Hans Lach.

Berichte über Pleiten in der Gastronomie häufen sich. Aber auch mangels Nachfolge werden Lokale für immer geschlossen. Mit einem gesellschaftlichen Wandel wird von „Expert:innen“ das Gasthaussterben von traditionellen und regionalen Betrieben begründet. Aber stimmt diese Analyse? Sind das nicht auch die Auswirkungen der sogenannten Covid-Krisenzeit? Wurden die Menschen in diesen Jahren nicht dazu „erzogen“, sich dem Lieferservice und den Takeaways zuzuwenden? Maßgebliche Gründe für diese Veränderung sind wohl auch die hohen Abgaben, die immer teurere Energie und die Lebensmittelpreise. Hier gibt es keine Spielräume. Das Belastungspaket muss an die Gäste weitergegeben werden. Die Menschen haben allerdings immer weniger Geld, das sie in der Gastronomie ausgeben könnten. Sie sind selbst von den Preissteigerungen in allen Lebensbereichen betroffen. An die Stelle der traditionellen Gasthäuser treten teilweise Imbissstuben, Kebab-Läden und insgesamt die Ethno-Gastronomie, also Lokale, die Speisen und Getränke anbieten, deren Ursprung in anderen Ländern liegt.

Die kleinen Lokale lebten in letzter Zeit so recht und schlecht. Reich wurde hier niemand, aber zum Überleben reichte es für die meisten Betreiber. Mittlerweile haben auch alteingesessene Gastronomiebetriebe Schwierigkeiten und reagieren vorerst einmal mit Personalabbau und der Reduktion des Angebots auf der Karte. Expert:innen der Tourismusbranche warnen vor dieser Entwicklung. Betroffen sind aber nicht nur Urlauber:innen, sondern auch Einheimische. Es wird immer schwieriger, ein Gasthaus im nahen Umfeld für eine Familienfeier zu finden. In den 60er- und 70er-Jahren gab es selbst in kleinen Dörfern Wirtshäuser. Hier traf man sich nach der Arbeit oder am Sonntag. Auch die Gesangs- und Kulturvereine hatten eine Heimstätte. Am Biertisch wurde diskutiert und vor allem die Meinungen „aus“-getauscht. Gasthäusern kommt im ländlichen Raum eine bedeutende Rolle zu. Zum einen schaffen sie Arbeitsplätze und zum anderen handelt es sich um Kommunikationsräume.

Stichwort „gesetzliche“ Rahmenbedingen. Dazu ein Beispiel: Zuerst gab es im Lokal – meist nach kostspieligen Umbauten – sogenannte Raucherräume, dann kam das generelle Rauchverbot. Eine staatliche Bevormundung. Einem Geschäftsmann soll es eigentlich vorbehalten sein, welche Form von Geschäft er betreibt, und der mündige Konsument kann entscheiden, ob er ein Raucher- oder Nichtraucherlokal aufsucht? Vielen von uns wird es erst bewusst, was es heißt, sich nicht mehr auf ein Bier treffen zu können, wenn es das Restaurant oder die Kneipe nicht mehr gibt. Eine Umfrage von Kohl und Partner (April 2024), Österreichs führendem Tourismusberatungsunternehmen, erbrachte folgende Hauptgründe für den Rückgang des gastronomischen Angebots: Mitarbeitermangel (94 %), fehlende Betriebsnachfolge (71 %), hohe Mieten und Betriebskosten (47 %), angepasste Öffnungszeiten und Ruhetage (37 %) sowie bürokratische Auflagen und Einschränkungen (36 %).

Wie war das seinerzeit mit dem Verschwinden der Nahversorger in den Dörfern? Sie waren gleich ums Eck von der Wohnstätte. Wie lange wird es das Gasthaus als Kultur- und Kommunikationsträger, das gleichzeitig Begegnungs- und Verpflegungsstätte, Ort für Diskussion und Entspannung ist, noch geben? Das Fehlen des Alltäglichen wird einem oft wohl erst bewusst, wenn es längst Geschichte ist

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