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Umwelt
29.07.2024

„Der Klimawandel ist zu großen Teilen menschen­gemacht“

Wetterextreme mit dramatischen Folgen wie Hochwasser oder Murenabgängen haben in den letzten Jahren stark zugenommen.

Meteorologe Gerhard Hohenwarter spricht im advantage-Interview über die Auswirkungen des Klimawandels und das menschliche Zutun.

Sie waren beim 7. Forum Anthropozän in Heiligenblut als Klimaexperte auf der Bühne und sprachen über die Auswirkungen des Temperaturanstiegs auf Flüsse und Seen in Kärnten. Was ist in diesem Kontext besonders hervorzuheben?

Gerhard Hohenwarter: Die veränderten Temperaturverhältnisse haben vielfältige Auswirkungen auf die Natur. Wenn es im Hochsommer lange heiß ist, verdunstet mehr Wasser und damit ist die Gefahr gegeben, dass die Böden schneller austrocknen und nicht imstande sind, große Regenmengen aufzunehmen. Somit rinnt das Wasser oberflächig ab – und ist im wahrsten Sinne für den Bach. Bei kleineren Flüssen steigt die Durchflussmenge an, während die Bodenfeuchtigkeit abnimmt. Auch Quellschüttungen sind dann über lange Sicht rückläufig, womit sich die Trockenheit im Boden verstärkt. Außerdem bewirkt das Abschmelzen der Gletscher bei den größeren Flüssen in Kärnten, Drau und Möll, ein anderes Abflussverhalten. In den nächsten 20, 30 Jahren wird der Großteil der Gletscher sehr stark zurück schmelzen oder teilweise überhaupt verschwinden. Die damit einhergehende rückläufige Wasserführung wird dann auch die Energiewirtschaft stark beeinflussen.

Der Klimawandel wirkt sich ja auch auf unsere Seen aus.

Durch die höheren Temperaturen steigen auch die Wassertemperaturen an. Am deutlichsten ist das am Beispiel des Weißensees. Früher, in den 80er-Jahren, war es eine richtige Herausforderung, im See zu baden. Jetzt hat der Weißensee von Anfang Juli bis Ende August wirklich angenehme Badetemperaturen. Durch die höheren Wassertemperaturen werden gerade bei den tiefergelegenen Seen in Kärnten jedoch auch Fauna und Flora verändert. Gerade in trockeneren Sommern können gewisse Wassersysteme kippen, da sich das Angebot an Nährstoffen, Sauerstoff, Temperatur so weit verändert, dass das Ökosystem nicht mehr im Gleichgewicht ist. In heißen Sommern sind sogar schon überproportional viele Fische gestorben, weil sie mit dem Sauerstoffgehalt und der Wassertemperatur nicht mehr zurechtgekommen sind.

In den letzten Jahren häuften sich Extremereignisse und starke Unwetter. Warum ist das so?

Das ist einfache Physik: Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte Luft. Pro Grad Temperaturanstieg kann die Luft ungefähr um sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen, also auch um sieben Prozent mehr abgeben. Die Sommer sind in den letzten 30 bis 40 Jahren um knapp drei Grad wärmer geworden. Das sind 20 Prozent, die die Luft jetzt mehr an Feuchtigkeit aufnehmen kann. Aber nur, weil es heiß ist, gibt es nicht gleich ein Unwetter. Sonst würde es in der Wüste jeden Tag krachen. Es braucht noch ein Feuchteangebot, die passenden Windverhältnisse und die passenden Temperaturschichtungen. Wenn das alles zusammenspielt, dann kann es, wie im Sommer 2023, zu einer Häufung von Unwettern kommen – einfach, weil das ganze Energie-Temperaturniveau höher ist. Wir haben auch nicht mehr Gewittertage als früher. Es ist einfach so, dass die kräftigen Gewitter auf Kosten der schwachen Gewitter anwachsen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass jedes Gewitter ein Unwetter ist.

Welchen Anteil hat der Klimawandel an den Wetterextremen?

Durch den Klimawandel ist tatsächlich zu erwarten, dass Extremereignisse allein aufgrund des höheren Energiegehalts in der Atmosphäre zunehmen werden. Aber man kann nichts separieren. Durch unser Verhalten, unsere Regulierungs-, Versiegelungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen haben wir die Natur verändert. Wir haben jetzt Siedlungen, wo früher ein Acker war. Wenn früher bei einem Starkregen der Dreck von einem Acker zum anderen Acker geflossen ist, dann fließt er jetzt zum Beispiel in ein Siedlungsgebiet hinein. Das sind Auswirkungen, die gar nicht auf den Klimawandel zurückzuführen sind, sondern auf unser Verhalten. Durch unsere Maßnahmen haben wir viele Probleme selbst geschaffen. Wir haben in der Forstwirtschaft vor 40 Jahren Monokulturen im großen Stil gepflanzt und die Fichtenkulturen in den tiefen Lagen sind jetzt an ihrer klimatischen Grenze angelangt. Sie sind geschwächt und ein schwacher Baum fällt leichter um, als ein gesunder Baum.

„Durch unsere Regulierungs-, Versiegelungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen haben wir die Natur verändert. Durch unser Verhalten haben wir viele Probleme selbst geschaffen.“

Gerhard Hohenwarter, Meteorologe bei Geosphere Austria

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Das Klima verändert sich – aber wie groß ist dabei tatsächlich der menschliche Einfluss?

Klimawandel ist zu großen Teilen menschengemacht. Es gibt in der Natur immer natürliche, zyklische Bewegungen von Aufs und Abs. Aber die massive Erwärmung, die wir seit den 80er-Jahren erleben, sind nicht durch natürliche Zyklen erklärbar. Natürliche Schwankungen von Sonne, Vulkanausbrüche, Ozonschicht können diesen extremen Temperaturanstieg, den wir in den letzten 30, 40 Jahren erleben, nicht erklären.

Wie wird das Klima in Kärnten in zwei Jahrzehnten aussehen?

Die Winter werden immer milder und kürzer, die Sommer länger und heißer. Das Lavanttal zum Beispiel ist klimatisch heute da, wo in den 70er-Jahren Udine war. Es wird in den nächsten 20, 30 Jahren zwar noch den einen oder anderen schneereichen Winter geben, aber grundsätzlich werden wir uns temperaturmäßig weiterhin Richtung Süden entwickeln. Viele sagen dann voller Freude: „Kärnten wird zur Toskana“. Ich frage dann immer, ob es wirklich so toll ist, wenn unsere Wiesen von Juni bis September braun sind? Bewässerte Felder? Gechlortes Wasser statt Trinkwasser aus der Leitung? Kein Schnee im Winter? Kein Eislaufen auf den Seen? Die Frage ist, ob wir das wirklich wollen. Wenn nicht, dann müssen wir uns endlich mehr für Klima- und Umweltschutz engagieren.

Die Hitze im Sommer macht vor allem vielen älteren Menschen schwer zu schaffen.

Man darf nicht vergessen, dass die Hitzebelastung die größte Naturgefahr ist, die wir haben. Es wird immer von Toten im Zuge eines Sturms oder einer Mure gesprochen. Das ist zweifelsohne dramatisch, die Hitze ist jedoch ein stiller Killer. Wenn man Radio hört oder Zeitung liest, könnte man meinen, alle freuen sich über warme Sommer. Aber in einer überalterten Gesellschaft sterben jedes Jahr hunderte Menschen in Österreich an den Folgen der Hitze. Die Wärme wird zu immer größeren Problemen führen, zu einer zunehmenden Sterblichkeit. Und das betrifft nicht nur Menschen, wo man denkt, dass sie sowieso zwei Wochen später gestorben wären. Nein, die Hitze sorgt für zusätzliche Todesfälle.

ZUR PERSON

GERHARD HOHENWARTER

absolvierte das Studium der Meteorologie in Wien. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet der leidenschaftliche Bergsteiger und Skitourengeher als Meteorologe bei der Geosphere Austria (früher Zamg) in Klagenfurt. In seiner Freizeit veranstaltet Hohenwarter Wetterseminare. Unter dem Motto „Bergwetter erleben“ zeigt er den Teilnehmer:innen bei einer Wanderung, wie sie die Wetterzeichen in der Natur richtig deuten.

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