„In Wirklichkeit entsteht der Mehrwert der neuen Infrastruktur durch Mobilitätsketten. Daher braucht es ein vertaktetes ÖV-Angebot.“
"Der Mehrwert der Koralmbahn entsteht durch Mobilitätsketten"
Reinhard Wallner (ÖBB-Regionalmanager und Sprecher der Kärntner Linien) und Stephan Höfler (ÖBB-Verkehrsplaner Kärnten) geben Einblicke rund um die Auswirkungen der Inbetriebnahme der Koralmbahn auf den Personennahverkehr in Kärnten.
Bedarfsgerechte Angebote
Die Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur und Öffi-Angeboten ist gekennzeichnet durch einen jahrzehntelangen Vorlaufprozess, wie auch das Mammutprojekt Koralmbahn verdeutlicht. Mit der Inbetriebnahme dieser neuen Infrastruktur wird gleichzeitig der integrierte Taktfahrplan umgesetzt. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag zieht sich der öffentliche Verkehr (ÖV) ab Dezember 2025 österreichweit in ein komplett neues System. Der Bedarf differenziert sich nach Zielgruppen: Neben Freizeitreisenden und Tourist:innen zählen Pendler:innen und Schüler:innen zu den prioritären Gruppen.
Im Zuge dessen arbeitet das ÖBB Personenverkehr Regionalmanagement Kärnten in enger Abstimmung mit allen Stakeholdern wie dem Land Kärnten, dem Bund, den Gemeinden und den Kärntner Verkehrsunternehmen daran, attraktive und bedarfsgerechte Mobilitätsangebote im Nahverkehr bereitzustellen. „Ohne Teamarbeit und gemeinsames Ziel geht im ÖV nichts. Kärnten unterscheidet sich von vielen anderen Bundesländern in dieser Hinsicht ganz massiv und zwar positiv: Hier gibt es eine exzellente Zusammenarbeit – sowohl auf fachlicher wie auch auf persönlicher Ebene – zwischen den einzelnen Strukturen“, betont Wallner.
VDV als Grundlage
In Bezug auf den öffentlichen Schienennahverkehr wurde in Kärnten 2018 ein Verkehrsdienstevertrag (VDV) unterzeichnet, der noch bis 2028 läuft. Die Grundangebote im Zusammenhang mit der Koralmbahn wurden bereits in diesem Vertrag definiert und vom Besteller beauftragt. „Kurz gesagt: Man muss sich lange vorher überlegen, wie man das Angebot unter Berücksichtigung der entstehenden Infrastruktur und der vorhandenen Ressourcen ausbauen und entwickeln kann. Das ist passiert“, so Wallner und ergänzt: „Ich kann mit Stolz behaupten, dass wir die Ziele des VDV deutlich überschreiten. Wir bieten noch mehr Angebot, weil die Nachfrage definitiv vorhanden ist und es sich herausgestellt hat, dass über weitere Verbesserungen im Angebot noch mehr Nachfrage generiert werden wird können.“
Im VDV-Zeitraum wird es demnach zu einer massiven Ausweitung von rund vier Mio. auf acht Mio. Angebotskilometer auf den Strecken der ÖBB in Kärnten bis 2028 kommen.
Nachfrage steigt
80 Prozent der Kärntner Bevölkerung lebt entlang des Zentralraumes. „In diesem Bereich war bzw. ist es die klare Vision einen Halbstundentakt in der S-Bahn auszuführen. Das wird auf jeden Fall im VDV-Zeitraum erreicht werden“, so Wallner. Die aktuellen Aufkommenszahlen unterstreichen zudem, dass das Angebot gut angenommen wird. „Allein der Indikator Klimaticket Kärnten beweist, dass die Nachfrage deutlich gestiegen ist. Wir sind jetzt bei knapp 13.000 Klimatickets Kärnten plus an die 9.000 Klimatickets Österreich. D.h. wir haben über 20.000 Stammkund:innen mit Wohnsitz in Kärnten. Zusätzlich nutzen rund 70.000 Schüler:innen das Öffi-Angebot“, freut sich Wallner.
Komplexe Planung
Um ein attraktives Öffi-Angebot bereitzustellen, spielen Verlässlichkeit und Pünktlichkeit eine wesentliche Rolle. „Die größte Herausforderung bei der Planung ist, dass infrastrukturale Restriktionen berücksichtigt werden müssen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualität“, so Stephan Höfler, der für die S-Bahn-Planung in Kärnten zuständig ist. Dabei wird auf Taktsysteme gesetzt, wie der gebürtige Steirer erklärt: „Ziel ist es, dass der Zug immer zur gleichen Minute zur Haltestelle kommt, d. h. die Linien verkehren in regelmäßigen, sich periodisch wiederholenden Abständen. Wenn man das ganze System des Taktfahrplans umlegt nicht nur auf eine Linie, sondern auf alle Linien und diese Linien in großen Knotenbahnhöfen wie Villach oder Klagenfurt miteinander verknüpft, sodass es relativ kurze Umsteigezeiten gibt, dann spricht man von einem integrierten Taktfahrplan.“
„Die größte Herausforderung bei der Planung ist, dass infrastrukturale Restriktionen berücksichtigt werden müssen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualität.“
Mobilitätsketten
Grundlage des integrierten Taktfahrplanes, der mit der Inbetriebnahme der Koralmbahn im Dezember 2025 österreichweit implementiert wird, bilden Mobilitätsketten bzw. das Verkehrsebenenmodell, wobei die Schiene den Takt vorgibt. „Nach dem internationalen und dem nationalen Fernverkehr folgt der Nahverkehr der Schiene sowie der städtische bzw. regionale Busverkehr. Darunter kommt irgendwann dann der Mikro-ÖV bis hin zu aktiver Mobilität in Form von zu Fuß gehen und Fahrrad fahren. In Wirklichkeit entsteht der Mehrwert der neuen Infrastruktur sprich: AREA Süd, Wirtschaftsraum Südösterreich – durch Mobilitätsketten. Daher braucht es diese Vernetzung über die Verkehrsträger hinweg bis hin zur aktiven Mobilität in Form eines vertakteten ÖV-Angebotes“, bekräftigt Wallner.
Pendlerpaket kommt
Für die Zielgruppe der Berufspendler:innen wird es im Zuge dessen bereits ab September 2025 bedarfsorientierte Neuerungen geben. „Drei Monate vor Inbetriebnahme der Koralmbahn wird das Pendlerpaket in der S Bahn umgesetzt. Es bietet die Möglichkeit vor 6:00 Uhr in der jeweiligen Kärntner Bezirksstadt zu sein, sodass ein Schichtbeginn grundsätzlich um 6:00 Uhr möglich ist. Dasselbe gilt auch am Abend, 22:00 Uhr ist die Maßzahl. Somit können alle Pendler:innen, die im Einzugsgebiet der S-Bahn leben, den ÖV nutzen. Natürlich werden auch die Busse an dieses Angebot angepasst“, so Wallner abschließend.