Der Nachhaltigkeit auf der Spur
Was soll man darunter verstehen? Der Versuch einer Annäherung. Wer heute in der Wirtschaftswelt reüssieren will, muss nachhaltig sein, nachhaltig denken, nachhaltig wirtschaften. Und so wundert es nicht, dass Werbespots, Prospekte und Unternehmensbeschreibungen von Nachhaltigkeit nur so strotzen. Jede Bank, jedes Versandhaus, jeder Konzern – alle sind sie mittlerweile nachhaltig.
Dabei ist dieses neutrale Wort eindeutig positiv besetzt. Im eigentlichen Wortsinn bedeutet es jedoch nur, dass eine Handlung in seiner Wirkung nachhält. Man kann ganze Landstriche und die Weltmeere auch nachhaltig zerstören oder seine Gesundheit nachhaltig schädigen, was häufig genug vorkommt. So findet sich mittlerweile in jedem Fisch Mikroplastik, auch wenn er in den scheinbar reinen Gewässern rund um Grönland schwimmt. Traurige Berühmtheit erlangte der GPGP (Great Pacific Garbage Patch), ein Wirbel von Müllpartikeln im Nordpazifik, der aus Plastikteilchen beziehungsweise aus Mikroplastik besteht und laut den Forschern des „Ocean Cleanup“ Projekts eine Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern einnimmt. Das ist ungefähr die Größe von Libyen.
Aus der Forstwirtschaft
Aber bleiben wir bei der positiven Variante. Ich sitze auf einem Sessel, der älter ist als ich. Meine Großeltern haben ihn gekauft, meine Eltern hatten ihn in der Küche und jetzt steht er in meinem Esszimmer. Ich nehme an, das ist ein Beispiel aus dem Feld der positiv besetzten Nachhaltigkeit: Von einem Tischler in der Nachbarschaft aus heimischem Holz ohne großen Energieaufwand gefertigt, über die Generationen weitergegeben und wert-
geschätzt.
Der Begriff der Nachhaltigkeit kommt aus dem Bereich Holz, genau genommen aus der Forstwirtschaft. Er geht auf das 18. Jahrhundert und den Freiberger Oberberghauptmann Carl von Carlowitz zurück. Nachhaltige Forstwirtschaft bedeutete damals schon, nur so viel abzuholzen, wie in einer gewissen Zeit auf natürliche Weise nachwächst. Die Forstwirte waren also die ersten, die diesen Begriff in ihren Wortschatz und in ihre Wirtschaftsweise integrierten. Dieses Prinzip gilt heute noch und wird mittlerweile durch Zertifikate bestätigt und sichtbar gemacht.
Greenwashing
Als Beginn des weltweiten Diskurses über Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung gilt der Brundtland-Bericht von 1987, benannt nach der Vorsitzenden der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, der norwegischen Ministerpräsidentin Go Harlem Brundtland. Der Bericht hielt fest, dass eine dauerhafte Entwicklung „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können“.
Für Christian Salmhofer vom Klimabündnis Kärnten hat sich das Wort Nachhaltigkeit selbst ruiniert, weil es immer überall inflationär eingesetzt wird und häufig am Thema vorbeigeht. So haben Wirtschaftsunternehmen häufig nicht die Möglichkeit, über Generationen zu denken und zu planen, der Erfolg muss schnell kommen. Und kurzfristiges Denken vertrage sich selten mit Nachhaltigkeit nicht, so Salmhofer.
Bezeichnenderweise sei das Thema Nachhaltigkeit meist in der PR-Abteilung angesiedelt, hat er festgestellt. Auf diese Weise wird in vielen Fällen aus Nachhaltigkeit in der Realität dann Greenwashing. So wird beispielsweise ein Produkt wegen einer einzelnen Eigenschaft als umweltfreundlich beworben, obwohl andere Produkteigenschaften umweltschädlich sind. Ein beliebter Trick ist es, unklar definierte Begriffe oder auch vage Aussagen, die nicht durch unabhängige Stellen verifiziert oder durch aussagekräftige Studien belegt werden können, zu verwenden.
Lernen von Biobauern
Für Salmhofer sind regionale Kreisläufe das Wesen der Nachhaltigkeit. Daher sollte sich die Lieferketten anschauen, wer der Nachhaltigkeit auf den Grund gehen will. Kärntner Hühner, die mit importiertem Soja gefüttert werden, verdienen, so Salmhofer, diesen Begriff nicht. Das wäre dann das globalisierte Huhn in Kärnten. Daher plädiert er für ein Lieferkettengesetz. Das schaffe Transparenz und Rechtssicherheit.
Regionale Kreisläufe sind in der klein- bis mittelstrukturierten Landwirtschaft möglich. Die Produkte sollen dort hergestellt werden, wo die Ressourcen dafür vorhanden sind und nicht in riesigen Monokulturen angepflanzt werden. Für Salmhofer gehört auch der soziale Aspekt und damit das Vermeiden beziehungsweise der Abbau von sozialen Spannungen zum Thema Nachhaltigkeit.
Als Beispiel nennt er die erste Schokoladeproduktion in Ghana. Der gesamte Produktionsprozess der Bio-Schokolade namens „fairafric“ findet dort statt, wo die Kakaobohne von heimischen Bauern kultiviert wird. Exportiert werden die fertigen Produkte.
Am besten könne man Nachhaltigkeit von Biobauern lernen, meint Salmhofer. Sie wissen genau, wie viele Tiere auf einem Hektar gehalten werden können und sie füttern sie auch nicht mit Soja aus Brasilien. Denn Tierhaltung sei nicht generell zu verteufeln, lediglich die Massentierhaltung schade dem Planeten nachhaltig, erklärt er.
Viele Möglichkeiten
Die regionalen Kreisläufe können nicht in allen Branchen funktionieren. Aber Unternehmen haben viele Möglichkeiten, auf Nachhaltigkeit in einzelnen Bereichen zu achten, und tun dies auch im eigenen Interesse, um auf diese Weise kostengünstiger und damit wettbewerbsfähiger zu produzieren.
Dazu zählen der Einsatz erneuerbarer Energieträger, energie- und ressourcenschonende Produktionsprozesse sowie die Wiederverwend- und -verwertbarkeit von Stoffen und die damit verbundene Abfallvermeidung sowie die Verwendung umweltfreundlicher Produkte.
Tipp: „Mensch macht Klima“
Neue Publikation beleuchtet praktikable Wege aus der Klimakrise.
Klimaschutz ist – man denke nur an die unbeschreiblichen Wetterkapriolen der vergangenen Wochen - aktueller und wichtiger denn je. Das Klimabündnis arbeitet bereits seit Jahrzehnten unermüdlich an entsprechender Bewusstseinsbildung. Die neue Broschüre „Mensch Macht Klima“ basiert auf dem mehr als 30-jährigen Erfahrungsschatz des Klimabündnisses.
Hier kostenlos downloaden!
„Die Publikation legt das Augenmerk auf die Zeitgeschichte der Klimadebatte sowie auf die Partnerschaft mit den indigenen Völkern. Kombiniert mit spannenden Anekdoten und Beispielen unterlegt mit vielen Bildern und Graphiken macht das Lesen der 64 Seiten sehr spannend und man bekommt viele neue Erkenntnisse, die in der gegenwärtigen Klimadiskussion kaum angesprochen werden“, analysiert Sabine Seidler vom Forum Anthropozän.
______________
Weitere Infos:
Klimabündnis Kärnten
Wieningerallee 19
A-9201 Krumpendorf
www.klimabuendnis.at
Telefon: 0699/ 109 76 125