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Wirtschaft
29.11.2022

„Die Welt befindet sich mitten im digitalen Zeitalter“

Wie weit fortgeschritten ist die Digitalisierung in der Industrie? Wo gibt es noch Aufholbedarf? Wir haben bei der Industriellenvereinigung nachgefragt. 

Der digitale Reifegrad der Unternehmen im Bereich der Digitalisierung ist sehr unterschiedlich. Das hängt einerseits von der Branche ab, andererseits aber auch vom Geschäfts­modell und inwieweit man in internationale Lieferketten integriert ist. „Grundsätzlich zeigen internationale Studien, dass österreichische Betriebe großen
Digitalisierungsrückstand haben. Auf Bundesländerebene haben wir leider keine Bestandserhebung“, erklärt Claudia Mischensky, Geschäftsführerin der Industriellenvereinigung Kärnten. Allein Oberösterreich hat diesbezüglich eine entsprechende Studie vorliegen. „Wir, die IV Kärnten, fordern schon länger diese Statuserhebung.“ 

Push für Digitalisierung

Gemessen wird die digitale Fitness der Betriebe übrigens vor allem mit zwei Parametern: dem Anteil der Exporte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie bzw. anhand der Nutzung von Cloud-Technologien. In beiden Bereichen hat Österreich großen Aufholbedarf.  Karlheinz Rink, F&E-Experte der IV-Steiermark, sieht in der Corona-Pandemie einen enormen Push für die Digitalisierung. „Die Welt befindet sich mitten im digitalen Zeitalter und ganz besonders auch die Industrie in der Steiermark. Der Einsatz digitaler Technologien tritt bei den Unternehmen dabei in unzähligen Bereichen und in verschiedensten Formen auf.“ Das reicht von der industriellen Produktion (Smart Factories), über die Mobilität bis hin zu neuen Kommunikationsmöglichkeiten.

Zugang zu Spitzentechnologie

Auch die künstliche Intelligenz spielt in diesem Bereich eine große und entscheidende Rolle. „Das Fraunhofer-­Institut hat hier schon vor der Pandemie mit KI4LIFE einen eigenen Standort gegründet, der mit seinen Forschungsschecks niederschwellig auch für kleinere Unternehmen den Zugang zu Spitzentechnologie ermöglicht. Noch wird relativ wenig Gebrauch davon gemacht“, so Mischensky. Zusätzlich hat sich auch an der Uni Klagenfurt ein international sichtbarer Schwerpunkt zum Thema etabliert. „Da gibt es bereits interessante Spin-offs in die unternehmerische Praxis. Wir hoffen, das wird in den nächsten Jahren noch ordentlich an Breite gewinnen.“

Claudia Mischensky, Geschäftsführerin der Industriellenvereinigung Kärnten

„Grundsätzlich zeigen internationale Studien, dass österreichische Betriebe großen Digitalisierungsrückstand haben. Auf Bundesländerebene haben wir leider keine Bestandserhebung.“

„Smart Data“ und „künstliche Intelligenz“

„Big Data“ bzw. auch „Smart Data“ und „künstliche Intelligenz“ spielen aktuell also schon eine wesentliche Rolle, werden in Zukunft aber laut Karlheinz Rink noch enorm an Bedeutung gewinnen. „Big Data Analysen unterstützen etwa Optimierungen im Bereich der Prozesseffizienz und -stabilität oder helfen Qualitätsprobleme vorzubeugen. Verfahren im Bereich der sogenannten „künstlichen Intelligenz“ – allen voran Deep Learning und Machine Learning – helfen den Menschen, Muster in vorhandenen Datenbeständen zu erkennen, Vorhersagen zu treffen oder Daten zu klassifizieren. Das sind Beispiele für Tools, die bereits ihre Anwendungsgebiete in ­steirischen Unternehmen haben“, erklärt der F&E-Experte. 

Planbarer und effizienter

Die Vorteile von Industrie 4.0 sind riesig und haben Konsequenzen in unterschiedlichsten Bereichen. Produktionsprozesse werden durch Industrie 4.0 planbarer und damit effizienter. „Nehmen Sie nur das Beispiel der Wartung. Maschinen sind heute so ausgerüstet, dass sie rechtzeitig, bevor irgendetwas kaputt gehen kann, im Idealfall gleich direkt über das Internet das Serviceteam verständigen. Digitale Lager lösen rechtzeitig Bestellvorgänge aus, wenn Produkte ausgehen, oder Sensoren in komplexen Produktionsprozessen warnen rechtzeitig, wenn gewisse Toleranzen überschritten werden“, so Mischensky. Die ­Systeme reagieren dann automatisch mit Anpassungsvorgängen. Vieles hat hierbei zum Beispiel auch mit Optimierung zu tun. „Denken Sie nur an ein Sägewerk, das mitten im Produktionsprozess Stämme exakt vermisst, damit der wertvolle Rohstoff Holz möglichst effizient genutzt werden kann“, so die Geschäftsführerin der Industriellenvereinigung Kärnten und führt weiter aus: „Nachteile sehe ich kaum, außer vielleicht, dass die Digitalisierung neue Anforderungen an die Qualifikation von Mitarbeitern stellt, die derzeit weder vom Bildungssystem noch vom Arbeitsmarkt entsprechend abgedeckt werden können.“

Karlheinz Rink, F&E-Experte der IV-Steiermark

„Die Welt befindet sich mitten im digitalen Zeitalter und ganz besonders auch die Industrie in der Steiermark. Der Einsatz digitaler Technologien tritt bei den Unternehmen dabei in unzähligen Bereichen und in verschiedensten Formen auf.“ 

Basis für optimierte Ressourcenplanung

Auch Karlheinz Rink sieht viele Vorteile in der Digitalisierung. „Die Digitalisierung und das Internet der Dinge (IoT) bringen viele Vorteile zum Beispiel für die Fertigungsindustrie mit sich. Mithilfe von Industrie 4.0 können beispielsweise maschinenbezogene Daten wie Betriebsdaten und Wartungsintervalle über IoT-Sensoren in Echtzeit an das ERP-System übermittelt und so die Basis für eine optimierte Ressourcenplanung sowie eine vorausschauende Wartung geschaffen werden.“ Datenanalysen werden möglich und unterstützen entsprechende Optimierungen. Eine Herausforderung stellt dabei aber die Sicherheit der von den IoT-Geräten gesammelten und übertragenen Daten dar.

Zahlreiche Vorreiter

Mittlerweile gibt es sowohl in Kärnten, als auch in der Steiermark zahlreiche Vor­zeigebetriebe im Bereich der Digitalisierung. „Hochmoderne Sägewerke habe ich schon genannt, Elektronikbetriebe, Maschinenbauer, Papiererzeuger, chemische Betriebe – niemand kommt um das Thema herum“, erklärt Claudia Mischensky. „Wir haben zahlreiche Vor­reiter, die nicht nur für den Einsatz, sondern auch die Entwicklung digitaler ­Technologien stehen“, so Rink. Um die Potenziale der digitalen Transformation ausschöpfen zu können, bedarf es aber weiterer Anstrengungen und der Optimierung der Rahmenbedingungen. „So müssen wir konsequent an einem innovationsfreundlichen Klima in der Steiermark arbeiten. Ein wesentlicher Schlüssel liegt auch in der Aus- und Weiterbildung. ­Insbesondere in den „MINT“-Bereichen (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) brauchen wir mehr Absolventen“, erklärt Karlheinz Rink, F&E-Experte der IV-Steiermark.

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