© Armin Russold
Umwelt
28.11.2024

„Zement­produktion steht vor der Revolution“

Zement­basierte Baustoffe machen seit jeher vieles möglich, was im Bau sonst nicht reali­sierbar wäre. Alpacem-Geschäfts­führer Lutz Weber gibt Einblicke in die CO2-neutrale Zement­produktion der Zukunft.

Die Wietersdorfer Alpacem GmbH ist Marktführer für Zement, Beton und Rohstoffe im Alpe-Adria-Raum und hat sich in den letzten Jahren zu einem internationalen Vorreiter für emissionsarme Zementproduktion entwickelt. Im Interview mit advantage erklärt Geschäftsführer Lutz Weber, was es für eine CO2-neutrale Zementherstellung braucht.

In Zeiten der CO2-Diskussion – stehen die einzelnen Baustoffe in scharfer Konkurrenz zueinander?

Weber: Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um ein Miteinander und ein gegenseitiges Ergänzen. Bauten und oder bestimmte Bauteile sind ohne zementgebundene Stoffe nur schwer oder gar nicht realisierbar. In anderen Bereichen wiederum werden Stahl oder Holz bessere Dienste leisten. Wesentlich ist eine intelligente, durchdachte Planung, um für Bauherren und Umwelt das Maximum herauszuholen.

Wodurch entsteht das CO2 bei der Zementherstellung?

Der pulverförmige Zement entsteht in Mühlen, in denen Zementklinker, Gips und Zumahlstoffe vermahlen werden. Die Herstellung des Zementklinkers erfolgt in einem Brennprozess, bei dem CO2 bei der Verbrennung des Brennstoffs entsteht und bei dem CO2 aus dem Rohmaterial Kalkstein entweicht.

Wie sieht die Zementproduktion der Zukunft aus?

CO2-neutral. Im Zement wird der Rohstoff Zementklinker zu mehr als 50 Prozent durch CO2-arme Zumahlstoffe ersetzt. Durch die konsequente Reduktion des fossilen CO2 im Brennstoff und den Einsatz sekundärer Rohstoffe, mit denen der Rohstoff Kalkstein ersetzt wird, schaffen wir es, den CO2-Anfall auf ein technisch bedingtes Minimum abzusenken. Dieses Volumen an CO2 wird in einer neu errichteten Anlage aus der Abluft abgeschieden, gereinigt und verflüssigt und anschließend in geologischen Formationen wie alten Erdgaslagerstätten eingelagert oder zu Produkten weiterverarbreitet.

Wo liegen hier die Herausforderungen?

Wir betreten überall Neuland, die notwendigen Investitionen sind unabschätzbar, jedenfalls aber groß. Die benötigte Anlagentechnik befindet sich weltweit im Entwicklungsstadium und wir arbeiten daran, die Voraussetzungen zu schaffen, um an unseren Standorten Wietersdorf und Anhovo an der Dekarbonisierung aktiv teilnehmen zu können.

Wie kann man sich das Bauen mit dem Zement der Zukunft vorstellen?

Der Bauprozess muss auf CO2-ärmere Baustoffe, deren Eigenschaften sich im Vergleich zu den heutigen verändern, abgestimmt werden. Hier ist jeder in der Wertschöpfungskette Bau, vom Architekten über den Planer bis zur Baufirma, gefordert. Wir können den heißen Erdapfel nicht hin- und herschießen, jeder muss ihn angreifen. Auch die Politik ist gefragt und muss dafür sorgen, dass sparsam mit Grund und Boden umgegangen wird, die richtigen Räume bebaut werden, sodass unser Baustoff seine Stärken – Langlebigkeit, Eignung fürs Bauen in die Höhe und Tiefe, Speichermasse zum Heizen und Kühlen – voll ausspielen kann.

„Der Bauprozess muss auf CO2-ärmere Baustoffe, deren Eigen­schaften sich im Vergleich zu den heutigen verändern, abgestimmt werden. Hier ist jeder in der Wert­schöpfungs­kette Bau, vom Archi­tekten über den Planer bis zur Baufirma, gefordert.“

Lutz Weber, Geschäfts­führer Alpacem Zement Austria GmbH
Das Pantheon in Rom mit der größten, unbewehrten Betonkuppel der Welt, errichtet in den Jahren 114 bis 118. © AdobeStock

Zementbasierte Baustoffe: Uralt und so modern

Hoch hinauf und tief hinunter. Zement­gebundene Baustoffe machen vieles möglich, was im Bau sonst nicht reali­sierbar wäre – und spielen eine große Rolle beim Bauen der Zukunft.

Obwohl zementbasierte Baustoffe, sprich, alle Arten von Beton, als Werkstoffe der Moderne gelten, setzen ihn die Menschen schon seit fast 2.000 Jahren ein, mit teilweise spektakulären Ergebnissen. Als Beispiel sei hier das Pantheon in Rom, errichtet zwischen 114 und 118 nach Christus, genannt. Mit einer Kuppel von 43 Metern Durchmesser ist sie bis heute die größte, unbewehrte Betonkuppel der Welt. Der so genannte Römische Beton (Opus caementitium – der Begriff „Zement“ leitet sich davon ab) bestand aus Steinen, Sand, gebranntem Kalkstein, Wasser und Kieseln. Diesem Gemisch wurde meistens auch Vulkanasche (Puzzolane) beigemengt.

Ohne zementbasiertes Material hätten auch die heute höchsten Gebäude der Welt nicht realisiert werden können. Der Burj Khalifa in Dubai liegt mit 828 Metern auf Platz eins dieser Liste, gefolgt von „Merdeka 118“ in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. Der höchste europäische Bau ist mit 462 Metern das Lachta-Zentrum in St. Petersburg, das im Jahr 2020 in fünf Kategorien mit dem „Award of Excellence“ des „Council on Tall Buildings and Urban Habitat“ ausgezeichnet wurde.

Monumental und filigran

High-Tech-Produkte wie der ultrahochfeste Beton (UHPC) erlauben heute höchst komplexe und filigrane Strukturen, die dem Werkstoff vollkommen neue Einsatzmöglichkeiten eröffnen. UHPC erreicht die Druckfestigkeit von Stahl und verströmt gleichzeitig Eleganz und Leichtigkeit. Zu sehen ist das beispielsweise beim 2013 eingeweihten „Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers“ (MUCEM) in Marseille. Das durchbrochene Dach wirkt wie ein gehäkeltes Geflecht.

Ein monumentales Beispiel – diesmal aus dem Tiefbau – ist der Panamakanal, der Panama durchschneidet und so den Atlantik mit dem Pazifik verbindet, und damit effizienten Schiffshandel ermöglicht. Aber nicht nur hoch hinauf, auch tief hinunter, mehrere Stockwerke unter die Erde kommt man mit zementbasierten Baustoffen. Dort bieten sie beispielsweise bequeme und sichere Stellplätze für Fahrzeuge bei gleichzeitig optimaler Raumausnutzung. Auch der Eurotunnel, der von Großbritannien tief unter dem Ärmelkanal nach Frankreich führt, wäre ohne zementgebundene Baustoffe nicht möglich.

Nachhaltig sanieren

Aber es geht nicht immer um monumentale Bauwerke, sondern in Zukunft immer mehr darum, wie moderne Baustoffe Altes sanft und ressourcenschonend wiederbeleben können. So ist für Reinhard Seiß, Raumplaner, Filmemacher, Buchautor und Fachpublizist, das Bauen der Zukunft, oder besser schon der Gegenwart, im urbanen Bereich in erster Linie die Verdichtung des Bestehenden, Umbau und Sanierung nach strengen Nachhaltigkeitskriterien. So sollen brachliegende Gebäude nicht abgerissen werden, sondern eine neue Nutzung erfahren.

Seiß hat auch Klagenfurt ein halbes Jahr lang mit Kennerblick durchwandert und Tausende von Fotos gemacht. Daraus entstand im Jahr 2018 eine Ausstellung und später ein Buch, in dem er einen kritischen Blick auf Klagenfurt wirft und gleichzeitig erfreuliche Beispiele zeigt. Eines davon ist der „MAKERSPACE“ der Wirtschaftskammer in der alten Postgarage beim ehemaligen Hallenbad, wo jeder im Austausch mit anderen seine Idee in einen Prototyp umsetzen kann. Auch das „Urbaneum“ an der Waidmannsdorfer Straße mit dem Mix aus Wohnungen, Büros und Geschäften, 140 Tiefgaragenstellplätzen, und „einem halbwegs anständigen Grünraum“ bezeichnet Seiß als „selten gewordenen städtebaulichen Anspruch“.

Viel kann und wird künftig mit zementbasierten Materialien realisiert werden. Autos werden aus dem öffentlichen Raum verschwinden, für sie wird mehrere Stockwerke tief unter der Erde Platz geschaffen. Bestehende Jahrzehnte- und jahrhundertealte Gebäude können mit modernsten Baustoffen, die stetig weiterentwickelt werden, zeitgemäß und ressourcenschonend adaptiert werden.

Das „Merdeka 118“ in Kuala Lumpur ist derzeit das zweithöchste Gebäude weltweit. © merdeka118.com
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