Die Zukunft des Pflegesystems
In Kärnten wird die Zahl der über 75-Jährigen bis 2030 auf 13,3 Prozent steigen, was ein Plus von 35 Prozent bedeutet. Gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegegeldbezieher von 6,3 auf 7,7 Prozent – das ist ein Plus von 22 Prozent. Die Pflege, ein brisantes Thema also. Der Kärntner Landtag hat daher kürzlich zu einer Pflege- Enquete in das Landesarchiv geladen. Mit full house – und hochkarätigen Referenten (siehe nebenstehende Seite). Einig war man sich darin, dass das Pflegethema eines neuen Blickwinkels bedarf: Pflege sei nicht mehr alleine über den gesundheitspolitischen Bereich zu definieren, sondern müsse vielmehr als gesellschaftspolitisches Thema erfasst und dementsprechend behandelt werden.
Einig waren sich die Experten auch in einem anderen Punkt: Es sind alle Maßnahmen weiter auszubauen, die es Menschen ermöglichen, zu Hause betreut und versorgt zu werden. So auch die Mobilen Dienste: Derzeit werden in Kärnten von den Mobilen Diensten 10.000 Klienten pro Jahr von 1900 Mitarbeitern versorgt. „Sie leisten rund eine Million Stunden. Ziel ist es, das kontinuierlich auf 1,3 Millionen Stunden zu erhöhen“, sagte die zuständige Gesundheitsreferentin Beate Prettner.
Dr. Wolfgang Habacher, Geschäftsführer EPIG Graz, Gesundheitsexperte
Dass das Pflegethema brisanter wird, zeigt alleine ein Blick auf die demografische Entwicklung: Innerhalb von zehn Jahren wird die Zahl der über 65-Jährigen um 30 Prozent steigen, jene der über 75-Jährigen um 24 Prozent. Zeitgleich sinkt die Zahl der Jungen. Und auch der Anteil der Menschen im arbeitsfähigen Alter schwächelt. Das heißt: Mehr pflegebedürftige Menschen müssen von weniger Pflegefachkräften betreut werden. Notwendig sind neue Pflegeformen – vor allem präventive.
Mag.a Beate Wanke, Direktorin Gesundheits- und Krankenpflegeschule
Immer wieder wird der Ruf nach einer Pflegelehre laut. Es gibt allerdings ein EU-Übereinkommen, wonach die praktische Unterweisung am Krankenbett erst nach Vollendung des 17. Lebensjahres erfolgen darf. Das aus gutem Grund: Der Umgang mit schwer kranken Menschen bedeutet eine enorme Belastung. Und zur Klarstellung, weil behauptet wird, dass es die Pflegelehre in Vorarlberg geben würde: Es handelt sich um eine Lehre zum Betriebsdienstleistungskaufmann im Pflegebereich.
Elke Brunner, MBA, Heimleiterin Seniorenheim der Stadt Klagenfurt
Der alte Mensch wird heute auf einen Kostenfaktor reduziert. Früher war er der weise, alte Mensch, von dem man viel lernen konnte. Wir sollten wieder umdenken und eines mitbedenken: Jede Entscheidung, die wir heute treffen, trifft später uns selbst. Es gibt in Kärnten bereits viel mehr Betreuungsmöglichkeiten, als man denkt. Wichtig ist, Angehörige darin zu unterstützen, die richtige Form der Betreuung zu finden.
Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin Hilfswerk Österreich
In Österreich sind 18 Prozent der Pflegegeldbezieher in einem Pflegeheim, 82 Prozent werden zu Hause betreut, 33 Prozent davon mit mobilen Diensten. Anders als im Gesundheitsbereich müssen in der Pflege die Betroffenen recht viel, nämlich rund 40 Prozent, selbst für die Pflegedienstleistungen bezahlen. Eine Anhebung des Pflegegeldes erst ab Stufe 4, wie von der Bundesregierung überlegt, würde genau nicht die Pflege zu Hause forcieren. Dabei müsste es genau darum gehen.
Mag. Helmut Egger, Gesundheitsökonom
Für die Zukunft der Pflege wird es notwendig sein, die Gemeinden stärker einzubinden, innovative Ideen zuzulassen, beispielsweise einen „Mittagstisch“ einzuführen, oder die 24-Stunden-Betreuung zusätzlich zu fördern. Außerdem müssen wir uns überlegen, wie es uns gelingen könnte, mehr junge Menschen für den Pflegeberuf zu faszinieren und wie wir Österreicher mit flexiblen Arbeitszeiten in die 24-Stunden-Betreuung einbinden können.
Gesundheitsreferentin LHStv.in Beate Prettner
Die „Pflege der Zukunft“ beginnt bei der Prävention - bei jenen Maßnahmen, die Pflege so lange wie möglich hinauszögern. Mit dem Ziel, älteren Menschen ein Leben in den eigenen vier Wänden so lange es geht zu ermöglichen. Mit der Pflegenahversorgung hat Kärnten ein solches präventives Angebot gestartet. Damit übernehmen wir eine österreichweite Vorreiterrolle. In der Folge muss und wird jedem Betroffenen die für ihn richtige Pflege zur Verfügung gestellt werden.