Gerald Zwittnig
© henrywelisch
Mit seinem Team betreut Gerald Zwittnig die Zulaufstrecke vom Klagenfurter Hauptbahnhof bis zum Westportal des Koralmtunnels in St. Paul im Lavanttal. Am 10. Dezember erfolgte die Teilinbetriebnahme des Jahrhundertprojektes.
advantage: Wie war ihr persönlicher Werdegang im Bezug auf die Koralmbahn?
Gerald Zwittnig: Nachdem ich knapp zehn Jahre an der Weststrecke zwischen Wien und St. Pölten als Projektleiter u. a. für den Wienerwaldtunnel zuständig war, war es für mich 2010 eine gute Gelegenheit einen fließenden Übergang zu einem zweiten spannenden Infrastrukturprojekt zu machen, wo ich aktuell projektverantwortlich für den Abschnitt von Klagenfurt bis ins Lavanttal bin. Das ist die gesamte Zulaufstrecke Kärnten bis zum Koralmtunnel.
Wodurch zeichnet sich ein Bauvorhaben dieser Dimension aus?
So ein Bauprojekt lebt vom Input eines jeden Einzelnen. Da braucht es ein gutes Miteinander. Es hat nur funktioniert, indem zu Spitzenzeiten rund 5.000 Menschen wirklich perfekt zusammengearbeitet haben. Es hängt nicht an irgendwelchen Managern, es hängt nicht an irgendwelchen Behörden ganz alleine, sondern es hängt an diesem perfekten Zusammenspiel und der riesengroßen Teamarbeit. Projektarbeit ist zudem ein Marathon. Das ist kein Sprint, sondern da braucht man wirklich einen langen Atem. Bereits in den 1990-er Jahren sind erste Entwurfsplanungen für die Koralmbahn gestartet worden. Insgesamt sprechen wir von 130 Kilometern Neubaustrecke zwischen Graz und Klagenfurt. Mit der Teilinbetriebnahme auf Kärntner Seite ist nun ein wichtiger Meilenstein gelungen, der im ersten Schritt dem Nahverkehr zu Gute kommt. Die volle Strahlkraft wird das Projekt entfalten, wenn der Koralmtunnel fertig gestellt ist und wir Ende 2025 die gesamte Strecke bis Graz in Betrieb nehmen werden.
Gerald Zwittnig
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Welche Momente sind besonders in Erinnerung geblieben?
Es gab bemerkenswerte Momente bereits in der Planungsphase, wo in den Köpfen etwas beginnt zu entstehen. Aber es nützt die schönste Planung nichts, wenn man diese nicht im Einvernehmen mit der Region und der Bevölkerung umsetzen kann. Und natürlich beinhaltet so ein Projekt auch herausragende Ingenieurbauwerke – vor allem Tunnelbauten. Wenn es dann Termine gibt, wo das gesamte Baustellenpersonal gemeinsam einen Meilenstein feiern kann – sei es bei einer Barbarafeier, bei einem Tunnelanschlag oder -durchschlag – dann sind das schon besondere Momente, die in Erinnerung bleiben.
Was ist ihr persönliches Erfolgsrezept?
Man darf die Nerven nicht verlieren. Emotionen sind manchmal gut und manchmal muss man auch auf den Tisch hauen. Aber in 90 % der Zeit braucht man einfach einen langen Atem und vor allem auch das Vertrauen, dass die Menschen das machen, was von ihnen erwartet wird. Da gehört auch dazu, dass Fehler passieren. Und da muss man im Grunde loslassen und das Vertrauen haben, dass alle sich bestmöglich einsetzen. Mit Herumbrüllen, Poltern und Druck machen funktioniert es nicht! Heute noch viel weniger, als vielleicht vor 20 Jahren, weil auch die Menschen am Bau ein gutes Arbeitsklima haben wollen. Und es funktioniert nur dann gut, wenn man ihnen zeigen kann, dass das, was sie leisten, auch sinnstiftend ist. Und was macht mehr Sinn, als seine Arbeitszeit in ein nachhaltiges Verkehrssystem zu investieren? Wir als ÖBB schaffen die Grundlagen für ein generationengerechtes Verkehrssystem, dass auch hilft dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Gerald Zwittnig
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Wie geht es in und um Kärnten weiter?
Es wird weiterhin in die Bahninfrastruktur und entsprechende Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen investiert. Mit der kompletten Inbetriebnahme der Koralmbahn sowie der Fertigstellung des Semmering Basistunnels sind die Voraussetzungen geschafft, um ein vermehrtes Angebot im Fernverkehr zur Verfügung stellen zu können. Die Modernisierung des Tauerntunnels zwischen Mallnitz-Böckstein beginnt 2024. Der Bahnhof in Villach wird ebenfalls modernisiert und fungiert weiterhin als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. Für uns als ÖBB ist es sehr wichtig, einen integrierten Taktfahrplan fahren zu können. Daher braucht es entsprechende Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen entlang der Südachse. Wir denken dabei immer an den langen Lebenszyklus unserer Anlagen.
Die Koralmbahn zählt zu den hochrangigsten Verkehrsadern Europas. Was bedeutet das letztlich?
Die Koralmbahn entfaltet ihre Wirkung auf drei Ebenen. Die erste Ebene ist die europäische Ebene. Die Koralmbahn ist Bestandteil der transeuropäischen Netze, das sind die hochrangigsten Verkehrsadern Europas. Sie liegt auf dem baltisch-adriatischen Korridor, der ja in Wirklichkeit die Häfen an der Nord- und Ostsee mit den Adriahäfen verbindet. Die zweite Ebene ist die österreichische Ebene mit den zukünftigen Super-Fahrtzeiten Wien – Klagenfurt mit zwei Stunden und 40 Minuten – wenn Semmering und Koralmbahn fertig sind – sowie 45 Minuten Graz – Klagenfurt. Und die dritte Ebene ist die regionale Ebene. Auf allen diesen Ebenen wird die Koralmbahn einen Nutzen stiften. Den Ballungsraum Graz – Klagenfurt hat man in der Größenordnung bis jetzt noch nicht am Radar gehabt. Doch das Trennende wird bald verbunden sein.