Dr. Marlies Krainz-Dürr, Rektorin der Pädagogischen Hochschule Kärnten. © PHK/fotofurgler
Bildung
04.03.2022

„Erfahrungen der Pandemie werden Bildungseinrichtungen verändern“

Die Rektorin der Pädagogischen Hochschule Kärnten Marlies Krainz-Dürr, spricht über die Auswirkungen der Pandemie auf die Kinder und über die Lehren, die Bildungseinrichtungen aus der Pandemie ziehen.

Rektorin Krainz-Dürr, sind Kinder und Jugendliche durch die Pandemie eine „verlorene Generation“?

Marlies Krainz-Dürr: Als verlorene Generation würde ich unsere Jugendlichen nicht bezeichnen, aber in jedem Fall haben Kinder und Jugendliche durch die pandemiebedingten Einschränkungen gelitten. Vielleicht mehr als Erwachsene, denn in jungen Jahren sind soziale Kontakte besonders wichtig, um persönlich zu wachsen und zu reifen. Mich sorgen weniger die Bildungslücken, die durch die Pandemie entstanden sind, als die Einschränkungen sozialer Erfahrungsräume für Kinder und Jugendliche. Bildungslücken lassen sich schließen, lebendige Erfahrung aber nicht ersetzen, auch nicht durch digitale Kommunikation.

Wieso ist persönliche Begegnung so wichtig?

Wir wissen, dass Sprache nur einen kleinen Teil unserer Kommunikation ausmacht und Körpersprache, Mimik, Gestik und Tonalität ebenso wichtig sind. Von Kind an lernen wir genau zu beobachten, wie jemand seine Botschaft formuliert, ob sie ironisch, ernstgemeint, liebevoll oder drohend ist. In digitaler Kommunikation ist das schwer. Erst in einer Face-to-Face Kommunikation werden jene Spiegelneuronen aktiviert, die es uns ermöglichen, sich in andere Menschen einzufühlen. Auch Empathie und soziales Verhalten muss man lernen und daher trifft es Kinder und Jugendliche besonders hart, in den sozialen Begegnungen eingeschränkt zu sein.

Wie sollten Bildungseinrichtungen darauf reagieren?

Die Erfahrungen der Pandemie werden ­Bildungseinrichtungen verändern. Digitale Medien werden didaktisch gut eingesetzt ­Lernen und Wissenserwerb als Selbstverständlichkeit unterstützen. Gleichzeitig aber wird deutlich, wie wichtig lebendige Auseinandersetzung mit Lehrenden, Mitstudierenden oder Klassenkollegen ist. Das muss nicht immer konfliktfrei sein, ist aber wesentlich, um ein reflektiertes Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Umwelt zu entwickeln. „Das Ich wird Ich erst am Du“ meint Viktor Frankl in Anlehnung an Martin Buber und junge Menschen brauchen viele „Du´s“, um Kritikfähigkeit und eine eigene Identität auszubilden. In Bildungseinrichtungen braucht es also Lehrende, die Kindern und Jugend­lichen ein sinnlich wahrnehmbares Gegenüber zur Entfaltung ihrer Potentiale bieten.

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