Wirtschaft
20.01.2022

„Frauen, ihr könnt das – also traut euch!“

Nur zehn der 132 Kärntner Gemeinden werden von Bürgermeisterinnen geführt – die Frauenquote in der Politik ist also weiterhin sehr gering. advantage hat mit den Bürgermeisterinnen über ihre Arbeit gesprochen und nachgefragt, warum es so wichtig ist, dass auch Frauen sich in der Politik engagieren.

Seit 2015 ist Marika Lagger-­Pöllinger Bürgermeisterin der Gemeinde Lendorf. „Das Bürgermeisteramt ist unglaublich vielfältig und ein ständiges Lernen und sich weiterentwickeln, das macht es so spannend und herausfordernd“, erklärt sie. Mehr Frauen für die Politik zu begeistern, liegt der Bürgermeisterin sehr am Herzen. „Die Politik braucht Männlein und Weiblein, nicht um Frauenquoten zu erfüllen, sondern weil Frauen kompetent sind, in vielen Situationen das bessere Gespür und den besseren Zugang zu bestimmten Themen haben.“ Aktuell gibt es in Lendorf nur vier weibliche Gemeinderätinnen bei insgesamt 15 Mandaten. „Vor allem am Land ist das typisch konservative Rollenbild der Frau noch stark verankert, durch den oft rauen Umgangston eine zusätzliche Hemmschwelle vorhanden. Ohne partnerschaftliche Aufteilung von Kinderbetreuung und Haushalt bleiben für Frauen dann oft die Türen für politische Funktionen zu. Ich möchte aber allen Frauen, die sich für die Politik interessieren mitgeben: Frauen, ihr könnt das – also traut euch. Ihr habt es drauf!“

Marika Lagger-­Pöllinger

Bürgermeisterin der Gemeinde Lendorf

© Erich Varh

Andere Sichtweisen

Am 28. Februar 2021 wurde Doris ­Liposchek zur Bürgermeisterin der Gemeinde Wernberg gewählt. Eine Aufgabe, die ihr sehr viel Freude bereitet. „Als Bürgermeisterin bin ich meistens die erste Ansprechpartnerin für die Bürger, kann ihnen bei Problemen weiterhelfen oder mich zumindest darum kümmern. Auch die vielseitigen Möglichkeiten die Gemeinde zu gestalten – von der Blumenwiese bis zu großen Bauprojekten – sind ein großer Anreiz“, erklärt die Bürgermeisterin. In Wernberg sind derzeit neun von 23 Mandaten von Frauen besetzt. Liposchek möchte Frauen dazu ermutigen und sie bestärken, ihre Fähigkeiten und Qualitäten auch in politischen Funktionen einzusetzen: „Viele Frauen denken wahrscheinlich, dass es schwer ist Familie, Beruf und Politik unter einen Hut zu bringen oder dass sie zu wenig Ahnung von Politik haben. Aber Frauen können in einer Zusammenarbeit mit Männern sehr viel Positives be-
wegen, sie haben andere Sichtweisen und einen anderen Zugang zu Problemlösungen als Männer. Und Frauen sind ja meistens auch die „Managerinnen“ in den Familien, warum sollten Sie diese Fähigkeiten also nicht auch in die Politik einbringen?“

Doris Liposchek

Bürgermeisterin der Gemeinde Wernberg

© Adrian Hipp

Vertrauen in die Politik wieder herstellen

Ebenfalls seit diesem Jahr neu im Kreis der Bürgermeisterinnen in Kärnten ist ­Elisabeth Lobnik, Bürgermeisterin von Eisenkappel-Vellach. „Die Aufgaben sind durchaus sehr vielfältig und fordernd, bereiten aber auch sehr viel Freude. Es ist schön, den Menschen bei ihren kleinen und größeren Sorgen und Anliegen helfen zu können. Positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung geben mir viel Kraft und Motivation und es ist unglaublich schön zu sehen, wie viele Möglichkeiten es gibt, aktiv die Entwicklung der Gemeinde mitzugestalten“, führt Lobnik aus. Von den 19 Mandaten werden aktuell sechs von Frauen besetzt. „Bei der Suche nach geeigneten Kandidaten war es mir sehr wichtig, ein halbwegs ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern herzustellen, auch wenn ich feststellen musste, dass es immer noch viel schwerer ist, Frauen dazu zu bewegen, eine Funktion zu übernehmen als Männer.“ Doch die vielen wenig familienfreundlichen Abend- und Wochenendtermine schrecken Frauen ab: „Vermutlich kommt oft ein fehlendes Selbstvertrauen dazu. Auch das über viele Jahre gezeichnete, von Männern dominierte Bild, erscheint vielen bestimmt nicht besonders einladend. Aber genau das gilt es zu verändern! Ich bin davon überzeugt, dass wir Frauen viel
dazu beitragen können, das verloren gegangene Vertrauen in die Politik wieder herzustellen.“

Elisabeth Lobnik

Bürgermeisterin von Eisenkappel-Vellach

© Privat

Männerdominiertes Politikerbild durchbrechen

Ebenfalls seit diesem Jahr hat Michaela Oberlassnig das Bürgermeisteramt in der Gemeinde Feld am See inne. „Ich liebe es, für die Menschen da sein zu können und meistens schnell und unkompliziert mit meinem Gemeindeteam die persönlichen Anliegen zu bearbeiten. Außerdem war es immer mein Wunsch, die Bürger mehr einzubinden und zu informieren, was sich in der Gemeinde tut, das kann ich jetzt umsetzen“, erklärt Oberlassnig. Projekte der Wildbach- und Lawinenverbauung, Feuerwehr und Löschwasserversorgung haben für Oberlassnig oberste Priorität. „Weiters würde ich gerne neue Baugründe für Jungfamilien erschließen und einen Platz für Kinder und Jugendliche planen“, erklärt die Ortschefin. Unsere Gesellschaft besteht in etwa zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern, so sollte es auch in der Politik sein, wie Oberlassnig sagt. „Politische Vertreter sollten sich meiner Meinung nach aus Frauen und Männern, aus allen Altersgruppen, zusammensetzen. Das Vorbild von Frauen in der Gemeindepolitik oder eine Frau als Bürgermeisterin macht anderen Frauen Mut und auch die Lust darauf, mitzuarbeiten. Wir Frauen müssen nur einmal dieses männerdominierte Politikerbild durchbrechen.

Michaela Oberlassnig

Bürgermeisterin der Gemeinde Feld am See

© Erich Varh

Ausgewogenheit der Geschlechter

Das Amt der Bürgermeisterin umfasst ein breites Aufgabengebiet, verbunden mit einer großen Verantwortung – von Finanzen, über Entscheidungen bzgl. der Entwicklung der Gemeinde, Bau- und Widmungswesen bis hin zu touristischen Entscheidungen, wie auch Karoline Turnschek, seit diesem Jahr Bürgermeisterin der Gemeinde Weißensee, weiß. Auch sie vertritt die Meinung, dass die Ausgewogenheit der Geschlechter in der Politik eine Notwendigkeit ist und diese unbedingt angestrebt werden muss. „Die Vielfalt der Bevölkerung, für die wir im Gemeinderat arbeiten, sollte auch im Gemeinderat abgebildet sein. Es ist nicht die Kompetenz, die uns unterscheidet. Es sind die Herangehensweisen, die Ideen und die Inputs, die Vielfalt bedingen.“ Mit dem Einzug von Turnschek in das Bürgermeisterinnenamt hat sich die Zahl der Frauen im Gemeinderat von Weißensee verdoppelt. „Von vielen Frauen weiß ich, dass sie sich gerne mehr engagieren würden, ihnen aber schlicht weg die Zeit fehlt um vor allem dem eigenen Anspruch an die Arbeit in der Politik gerecht zu werden. Die Zeiten haben sich geändert. Es wird künftig – vor allem auf Kommunalebene im ländlichen Raum – flexiblere Modelle für Betreuungsangebote geben müssen. Jedoch haben viele engagierte Frauen bereits den Schritt in die Clubs gewagt und sich für das Amt der Ersatzgemeinderätinnen entschieden.

Karoline Turnschek.

Seit 2021 Bürgermeisterin der Gemeinde Weißensee.

© Martin Rauchenwald

„Man braucht ein dickes Fell“

Bereits seit dem Jahr 2015 ist Gabriele Dörflinger Bürgermeisterin der Gemeinde Klein St. Paul. „Das Miteinander mit der Bevölkerung, mit den Menschen, aber auch wichtige Entscheidungen zu treffen zusammen mit dem Gemeinderat um das Leben der Menschen positiv zu gestalten, der Gemeinde eine Zukunftsrichtung zu geben und das Leben aber auch die Infrastruktur auszubauen bzw. zu verbessern bereitet mir besonders viel Freude“, erklärt die Ortschefin. Im derzeitigen Gemeinderat von Klein St. Paul gibt es um 30 Prozent mehr weibliche Gemeinderäte als in der Gemeinderats-Periode davor. „In der Politik müssen Konflikte ausgesprochen und bereinigt werden, dies wollen Frauen oft nicht, da sie sehr harmonieorientiert sind. Das größte Thema ist sicher die Angst angegriffen zu werden, doch man braucht ein dickes Fell und darf vieles nicht so ernst nehmen. Ich ermutige die Frauen, dass sie von ihrer Art alles perfekt machen zu wollen etwas herunter kommen und dazu, dass es wichtig ist, dass gerade sie ihre Ideen in unsere Gesellschaft einbringen um das Leben in der Gemeinschaft zu verbessern“, erklärt Dörflinger.

Gabriele Dörflinger

Bürgermeisterin der Gemeinde Klein St. Paul

© Privat

Nicht an sich selbst zweifeln

Bei der Gemeinderatswahl im Februar 2021 konnte Andrea Feichtinger die Wähler in der Gemeinde Kappel am Krappfeld von sich überzeugen. „Die Arbeit mit den Bürgern und die Möglichkeit etwas bewegen zu können macht mir an der Arbeit als Bürgermeisterin am meisten Spaß. Es ist jedes Mal ein schönes Gefühl, wenn man Anliegen erledigen und somit wieder jemanden zufriedenstellen kann“, erklärt die Bürgermeisterin. Frauen, die sich überlegen, ebenfalls in der Lokalpolitik tätig zu werden, möchte Feichtinger Mut machen. „Ich persönlich habe es auch nicht forciert Spitzenkandidatin zu sein und es hat auch einiges an Überzeugungsarbeit gekostet. Ich kann aber allen nur mitgeben, dass man nicht zu viel an einem selbst zweifeln darf. Frauen tendieren dazu ganz genau zu hinterfragen, ob sie wirklich dafür geeignet sind und die notwendigen Kompetenzen mitbringen. Auch wenn in unserer Generation bereits ein Umdenken herrscht, prägt das alte Rollenbild nach wie vor unsere Gedanken. Aus meiner Erfahrung kann ich definitiv dazu raten, sich zu trauen. Es warten viele spannende und auch fordernde Aufgaben, aber man wächst mit jeder einzelnen, sodass man auch in männerdominierten Bereichen sehr gut mitreden und überzeugen kann.“ In Kappel sind in dieser Amtsperiode bei 15 Mandaten, drei Frauen im Gemeinderat, gleich viele wie in den Jahren zuvor.

Andrea Feichtinger

Bürgermeisterin der Gemeinde Kappel am Krappfeld

© Privat

Projekte, die für alle wichtig sind

Bereits seit dem Jahr 2004 hat Sonya ­Feinig das Bürgermeisteramt in der Gemeinde Feistritz im Rosental inne. Den Menschen helfen zu können und Projekte umzusetzen, die für die Allgemeinheit wichtig sind, bereiten ihr an dieser Aufgabe besonders viel Freude. „Ich bin seit fast 18 Jahren Bürgermeisterin und habe schon sehr viel umgesetzt. Besonders Projekte für unsere Kinder sind mir sehr wichtig, Straßen sind ein jährliches Problem und auch die Wasserleitungen im Gemeindegebiet müssen ständig saniert bzw. erneuert werden“, erklärt Feinig. In dem 19-köpfigen Gemeinderat von Feistritz im Rosental sind derzeit sieben Frauen vertreten – eine Frau mehr als in der letzten Periode. ­„Leider schrecken die vielen Abendtermine Frauen mit Kindern oft ab. Natürlich ist man oft auch Anfeindungen ausgesetzt, weil man es ja nicht allen Recht machen kann. Aber ich denke, es macht auch große Freude, wenn man etwas weiterbringen und helfen kann.“

Sonya Feinig

Bürgermeisterin in der Gemeinde Feistritz im Rosental

© Privat

Verhältnisse positiv verändern

2015 wurde Silvia Häusl-Benz zur Bürgermeisterin der Gemeinde Pörtschach gewählt. „Es macht mir viel Freude, mittendrin und miteinander das Lebensumfeld bei uns im schönen Pörtschach am Wörthersee mitgestalten zu können“, erklärt sie. Besonders am Herzen liegen ihr die Menschen – die Familien, die Betriebe mit den Arbeitsplätzen, die Generationen von Jung bis Alt und die Gäste. „Nicht ganz die Hälfte, aber immerhin acht von 19 in unserem Gemeinderat sind Frauen. Auch die Spitzenposition in der Verwaltung besetzt bei uns eine Frau als Amtsleiterin.“ Aber warum ist das so wichtig für eine gute Kommunalpolitik? „Ich bin fest davon überzeugt, dass Frauen durch Qualifikation und soziale Kompetenz über jene Fähigkeiten verfügen, die im Miteinander in einer Gemeinde so wichtig sind. Verantwortung übernehmen in Beruf und Familie, Einfühlungsvermögen, abwägen, alle einbinden, miteinander reden – das sind ausgeprägte Eigenschaften von Frauen, die sie prädestinieren für politische Ämter“, erklärt Häusl-Benz. Das Image der Politik ist gerade nicht berauschend gut und es herrscht ein rauer Tonfall. Aber das ist es nicht allein, warum sich viele Frauen davor scheuen in die Politik zu gehen. „Frauen setzen Prioritäten und haben nicht wirklich viel Spielraum, denn sie sind mit Ausbildung, Familie und Beruf, Angehörigenpflege und ehrenamtlichem Engagement so zugedröhnt, dass echt kaum Zeit bleibt, sich auch noch in der Politik zu entfalten. Ich gewinne sie für die Politik mit dem Argument, dass Jede in der Politik dazu beitragen kann, dass sich die Verhältnisse positiv verändern.“

Silvia Häusl-Benz

Bürgermeisterin von ­Pörtschach

© ÖVP/Helge Bauer

Rückhalt der eigenen Familie

Durch das vorzeitige Ausscheiden von Alt-Bürgermeister Peter Stauber wurde Maria Knauder am 8. Juli 2020 Bürgermeisterin der Stadtgemeinde St. Andrä. „In weiterer Folge haben mir die Bürger auch bei der Gemeinderatswahl 2021 das Vertrauen geschenkt und mich zur Bürgermeisterin gewählt. Ich bin eine Bürgermeisterin für alle und versuche, vor allem für die St. Andräer Bürger auch wirklich da und greifbar zu sein“, erklärt Knauder. In der vorangegangen Gemeinderats-Periode lag der Frauenanteil in St. Andrä mit sieben von 31 Gemeinderatsmitgliedern bei 22,6 Prozent. Derzeit liegt der Frauenanteil mit neun von 27 Gemeinderatsmitgliedern bei 33,3 Prozent. „Frauen sind nach wie vor Mehrfachbelastungen ausgesetzt. Der Spagat zwischen Familie, Beruf und Haushalt ist kein leichtes Management und stellt daher viele Frauen vor unglaubliche Herausforderungen. Um politisch tätig zu sein, ist es unbedingt notwendig, das Verständnis und den Rückhalt der eigenen Familie zu haben. Wenn in Zukunft mehr Frauen die Politik mitgestalten würden, könnten viele Problemstellungen in der Gesellschaft mit einem anderen, weiblicheren Blickwinkel gesehen werden. Ein ausgewogenes, gemeinsames Miteinander zwischen Männern und Frauen in der Politik ist daher die Voraussetzung, um allen Bevölkerungsschichten eine optimale Vertretung zu gewähren. Ich kann daher die Frauen nur ermutigen, politisch tätig zu werden!“

Maria Knauder

Bürgermeisterin von St. Andrä

© SPÖ Kärnten/Varh

Schlagwörter