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Gesundheit
01.02.2025

Für einen respektvollen Umgang mit Demenz

Die steigende Anzahl an Demenzer­krankungen erfordert neue Strategien. In der österreich­weiten Demenz­versorgung nimmt Kärnten derzeit eine Vorreiter­rolle ein.

Unsere Bevölkerung wird immer älter. Kommenden Generationen wird eine durchschnittliche Lebenserwartung von 100 Jahren prognostiziert. Bis 2024 wird der Anteil der Personen im Alter von 65 und mehr Jahren von derzeit 19,5 % auf 26,6 % der Gesamtbevölkerung steigen (Quelle: Statistik Austria). Mit steigendem Alter steigt jedoch auch das Risiko für Krankheiten. Demenz ist DAS Thema der älter werdenden Bevölkerung – und wird somit zur wohl größten Versorgungsherausforderung der Zukunft.

In Österreich leben derzeit 130.000 Menschen mit der Diagnose Demenz, davon 8.000 in Kärnten. Im Detail bedeutet das: Ein Drittel der Kärntner:innen zwischen 80 und 90 leidet an Demenz. Schätzungen zufolge könnte sich die Zahl der Fälle österreichweit bis 2050 verdoppeln. Effektive Therapien gegen dementielle Krankheiten existieren derzeit noch nicht. Umso wichtiger ist es, die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren – und Initiativen zu setzen, die Betroffenen und Angehörigen den Alltag erleichtern.

Unterstützung holen – möglichst früh!

Dementielle Erkrankungen bringen enorme Herausforderungen mit sich – sowohl für Betroffene als auch für ihre Mitmenschen. „Demenz ist die Krankheit der Angehörigen“, so Edith Kronschläger, Leiterin der Selbsthilfegruppe (SHG) Alzheimer in Villach, die sich vor 20 Jahren selbst als pflegende Angehörige an die Gruppe wandte. Als unabhängiger, unpolitischer Verein bietet die SHG Angehörigen von Betroffenen einen geschützten Rahmen, in dem sie gehört und gesehen werden, sich austauschen können und kostenlos Unterstützung finden. „Wir zeigen auch Förderungsmöglichkeiten auf oder helfen, Kontakte zu Kliniken oder Pflegepersonen herzustellen“, so Kronschläger.

In Kärnten gibt es aktuell vier Selbsthilfegruppen: die SHG Alzheimer und Demenz, Oberkärnten, die Selbsthilfe bei Demenz Klagenfurt, die SHG Alzheimerkranke und deren Angehörige in Villach sowie Angehörige von Demenzerkrankten Lavanttal. Auch wenn die Schwellenangst anfangs oft hoch ist, appelliert Gerontopsychologin Christine Leyroutz an Familienmitglieder, sich möglichst früh Hilfe zu holen: „Ich sehe in der Praxis, dass das sehr oft sehr spät passiert. Angehörige müssen sich selbst stärken. Denn wenn diese ausfallen, ist tatsächlich Feuer am Dach in der betroffenen Familie.“

„Wir zeigen Förderungs­möglichkeiten auf oder helfen, Kontakte zu Kliniken oder Pflege­personen herzustellen.“

Edith Kronschläger

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Mobile Modelle: Hilfe direkt vor Ort

Eine konkrete Demenz-Diagnose bildet nicht nur die Basis für eine richtige medizinische Behandlung – sie ist auch essentiell für die weitere Lebensplanung. Neben den Pflegenahversorgern in knapp 100 Kärntner Gemeinden sind auch Hausärzt:innen Anlaufstellen, die Betroffene an die richtigen Stellen weiterleiten. Für die klinische Demenzdiagnostik gibt es in Kärnten zwei Interdisziplinäre Spezialambulanzen für Demenzerkrankungen, eine im LKH Villach und eine im Klinikum Klagenfurt. Zusätzlich können in allen Bezirken an den Krankenanstalten Demenzabklärungen und -behandlungen stattfinden.

Nicht selten verweigern Betroffene jedoch, überhaupt zum Arzt zu gehen. Hier kommt die mobile Demenzdiagnostik der Diakonie zur Hilfe: Bei Verdacht auf dementielle Einschränkungen und Verhaltensweisen kann ein mobiles Demenz-Team die Diagnose direkt bei den Betroffenen zu Hause erstellen, wobei die Kosten von den Gesundheitskassen übernommen werden. Das Angebot umfasst auch ein kostenloses mobiles Demenzcoaching, das einerseits psychologische Unterstützung für betreuende Angehörige, andererseits Beratungen für Mitarbeiter:innen der mobilen Pflege bietet. Die im Auftrag des Landes von der Diakonie durchgeführten mobilen Projekte werden noch bis Ende 2024 vom Land und dem KGF finanziert, ab 2025 ist die Regelfinanzierung durch die ÖGK und das Land Kärnten geplant.

„Angehörige müssen sich selbst stärken. Denn wenn diese aus­fallen, ist tatsäch­lich Feuer am Dach in der betrof­fenen Familie.“

Christine Leyroutz

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Informieren gegen Unsicher­heit

Auch das Netzwerk Demenz Kärnten engagiert sich für den Aufbau einer „demenzfreundlichen Gesellschaft“. Es vereint rund 60 Stakeholder aus den Bereichen Medizin, Pflege, Forschung sowie Vertreter:innen der Selbsthilfegruppen für Angehörige sowie der Gruppe der Selbstbetroffenen. Ziel des Netzwerks ist, sich auszutauschen, Angebote und Maßnahmen abzustimmen und über die Demenzstrategie zu informieren. Im Zuge der Demenzstrategie soll die Krankheit von einem rein medizinischen zu einem gesellschaftlichen Thema werden. So soll auch verhindert werden, dass Demenzkranke an den Rand der Gesellschaft abgeschoben werden. Einer der Hauptgründe dafür ist die Unsicherheit, wie man sich Erkrankten gegenüber verhalten soll. Weshalb in Kärnten auch Schulungen von Mitarbeiter:innen im Land sowie in den Gemeinden forciert werden.

Sensibilisierte Lebens­räume

Mit 98 Pflegenahversorgungs-Gemeinden und sieben von 15 zertifizierten „Demenz aktiv“-Gemeinden nimmt Kärnten österreichweit eine Vorreiterrolle in der Demenzvorsorge ein. Expert:innen sehen in diesen „Caring Communities“ das Demenz- und Pflegemodell der Zukunft: Sie schaffen adäquate Lebensräume für Betroffene und Angehörige in ihrem unmittelbaren Zuhause, wo auch bei Nahversorgern, Ämtern etc. sensibilisiert mit Betroffenen umgegangen wird und ein professionelles Netzwerk mit Fahrten-, Besorgungs- und Besuchsdiensten zur Verfügung steht.

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