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Umwelt
13.05.2024

Gemeinsam in eine autonome Energiezukunft

Ein Modell der Gegenwart und Zukunft: Regionale Einheiten, in denen Menschen gemeinsame Sache machen, Energie erzeugen und nutzen.

Energiegemeinschaften sind in vielen Bereichen noch wenig bekannt, und doch entwickeln sie sich rasant und bieten den Nutzer:innen eine gewisse Form von Unabhängigkeit. Derzeit sind drei Formen möglich. Bei gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen – kurz GEA genannt – können sich etwa Mieter:innen oder Eigentümer:innen in Mehrparteienhäusern, aber auch in Bürogebäuden oder Einkaufszentren zusammenschließen, um gemeinsam eine Erzeugungsanlage zu nutzen. Dafür kommen grundsätzlich alle Technologien in Frage. Laut der Website der „Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften“ gibt es in Österreich rund 1.000 aktive GEA, die seit 2017 möglich sind und als Vorläufer der Energiegemeinschaften gelten. Eine EEG – Erneuerbare Energie Gemeinschaft – ist ein Zusammenschluss zur gemeinsamen Produktion und Verwertung von Energie – Strom, Wärme oder Biogas – aus erneuerbaren Quellen. Die Energieformen können erzeugt, gespeichert, verbraucht und verkauft werden. EEGs nützen die Anlagen des Netzbetreibers und müssen immer innerhalb des Konzessionsgebiets eines einzelnen Netzbetreibers angesiedelt sein. Großunternehmen und Elektrizitätsunternehmen sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Die BEG – Bürgerenergiegemeinschaft – darf sich hingegen über die Konzessionsgebiete mehrerer Netzbetreiber in ganz Österreich erstrecken, ist aber auf Strom beschränkt. Gewinnerzielung darf nicht im Vordergrund stehen. Elektrizitätsunternehmen, Mittel- und Großunternehmen dürfen im Gegensatz zu EEGs an BEGs teilnehmen, sie dürfen dort aber nicht die Kontrolle ausüben.

Steirischer Pionier

Ein Pionier in Sachen EEG ist Stefan Mussger. Er hat mit Gleichgesinnten die EEG Premstätten initiiert und aufgebaut. 2022 wurde sie gegründet, seit 2023 ist sie aktiv. Mittlerweile erstrecken sich zahlreiche EEGs über weite Bereiche der Steiermark und die Initiatoren haben bereits erfolgreich ihre Fühler nach Kärnten ausgestreckt. Teilnehmen kann jeder, unabhängig davon, ob er selbst Strom erzeugt oder diesen nur bezieht. Private Haushalte, Organisationen, Kommunen und Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeiter:innen beschäftigen und deren Bilanzsumme unter 43 Mio. Euro jährlich liegt, können dabei sein. Genutzt werden die bestehenden Netze. Die EEG Premstätten ist nicht auf Gewinn ausgerichtet, das wurde in den Statuten festgeschrieben. Überschüsse werden für die Finanzierung sozialer und umweltrelevanter Projekte oder zur Unterstützung Notleidender genutzt. „Unser Verein ist ganzheitlich orientiert. Wir haben die nachhaltige Verbesserung in den Bereichen Energie, Dekarbonisierung, Sensibilisierung, gesellschaftliches Miteinander sowie Klima- und Umweltschutz im Fokus“, erklärt Mussger, Obmann der EEG Premstätten und Obmänner-Vorsitzender der EEG Steiermark. Daher soll auch die Teilnahme leistbar sein. Einen Euro pro Zählpunkt und Monat beträgt der „Mitgliedsbeitrag“, das sind pro Teilnehmer:in, unabhängig von der Größe, also zwölf Euro im Jahr. Bindefrist gibt es keine, man kann jederzeit wieder austreten. Jedes Mitglied kann zu festgelegten Tarifen Strom in die EEG einspeisen und beziehen, wobei Abnehmerpreis und Einspeisevergütung gleich hoch sind. Derzeit sind es 11,626 Cent pro Kilowattstunde. Die Mitglieder behalten ihre Verträge mit ihrem Energieversorgungsunternehmen und beziehen von ihm ihren Reststrom, wenn im EEG-Verbund zu wenig verfügbar ist.

Zero­-Tarifoption

Mit der Zero-Tarifoption können Mitglieder Teile ihres produzierten Stroms auch direkt an andere Zählpunkte innerhalb der EEG verschenken. So kann zum Beispiel ein Unternehmen Angestellten Strom um null Cent pro Kilowattstunde zur Verfügung stellen, was in diesem Fall den Vorteil hat, dass die Steuer ebenfalls null ist. Oder Gemeinden können ihren Bürger:innen Strom abkaufen und der Freiwilligen Feuerwehr oder gemeinnützigen Organisationen kostenlos zur Verfügung stellen. Die Zero-Tarifoption bietet weitere finanzielle Vorteile auf Netzebene, wie reduzierten Netzarbeitspreis, den Entfall der Elektrizitätsabgabe sowie den Erneuerbaren-Förderbeitrag für den Strom, der aus der EEG bezogen wird. Das Modell ist ein großer Erfolg. „Wir haben seit der Ausrollung im Jänner 2024 bereits über 20 aktive EEGs in der Steiermark und mehr als 100 weitere solidarische regionale EEGs in Gründung“, erzählt Mussger. Da das Interesse auch jenseits der „Grenze“ sehr groß ist, erschließen die Steirer nun die „Kärnten Netz“. 46 EEGs sind im südlichsten Bundesland geplant. Sie sollen nach und nach aktiv werden, sobald die Netzzugangsverträge abgeschlossen sind.

„Wir haben die nachhaltige Verbesserung in den Bereichen Energie, Dekarbonisierung, Sensibilisierung, gesellschaftliches Miteinander sowie Klima- und Umweltschutz im Fokus.“

Stefan Mussger, Obmann der EEG Premstätten

© EEG Premstätten

Raiffeisen: EEG­-Genossenschaften

Auch die Kärntner Raiffeisenbanken haben ihre ersten EEGs gegründet. Mit Ende März waren es 21 Gemeinschaften, die in Form von Genossenschaften etabliert wurden und nach und nach aktiv werden sollen. Mit der geplanten Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes werde sich am Energiemarkt einiges tun, es werden mehr Player hinzukommen und die Haushalte und kleinere Strukturen bekommen ein stärkeres Gewicht, erklärt Vorstandsdirektor Gert Spanz, der bei Raiffeisen für diesen Bereich zuständig ist. In ganz Kärnten fanden und finden Informationsveranstaltungen statt und die Bürger:innen können sich jederzeit zu einer der EEGs anmelden. „Wir sind eine Regionalbank, daher sind wir für das Thema regionale Energieversorgung geradezu prädestiniert, darüber hinaus unterstützen wir nachhaltige Projekte“, so Spanz. Auch soll das Bewusstsein in der Bevölkerung für Nachhaltigkeit und Klimaveränderung gestärkt werden. Weiters werden dadurch Investitionen und die Wertschöpfung in der Region gefördert.

„Mit der geplanten Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes wird sich am Energiemarkt einiges tun, es werden mehr Player hinzukommen. Haushalte und kleinere Strukturen bekommen ein stärkeres Gewicht.“

Gert Spanz, Vorstandsdirektor der Raiffeisen Landesbank Kärnten

© Raiffeisen Landesbank Kärnten

Bürgerenergie­gemeinschaft

Die erste Bürgerenergiegemeinschaft in Kärnten ist die „Energie in Kärnten Kraftwerke GesmbH“. Sie ging im Dezember 2022 in Betrieb und erhielt 2023 den „Energy Globe Award“ in der Kategorie Feuer. Laut Einreichunterlagen konnte bereits in den ersten beiden Abrechnungsmonaten rund 70 Prozent des Energiebedarfs der Verbraucher gedeckt werden. Träger ist die Firma Kostmann in St. Andrä.

Die Kärntner Raiffeisenbanken widmen sich intensiv dem Aufbau regionaler Energie-Infrastrukturen. © Raiffeisen Landesbank Kärnten
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