„Die neue, im Mai 2023 in Kraft getretene Ausbildungsverordnung stellt einen weiteren Meilenstein in der Aufwertung des Berufsbildes dar.“
Gesundheitsvorsorge durch psychosoziale Beratung
Entsprechend der österreichischen Gewerbeordnung ist die psychosoziale Beratung ein reglementiertes Gewerbe, das einen Befähigungsnachweis erfordert, dem eine mehrjährige, umfassende Ausbildung vorangeht.
Professionelle Begleitung
„Die neue, im Mai 2023 in Kraft getretene Ausbildungsverordnung stellt einen weiteren Meilenstein in der Aufwertung des Berufsbildes dar. Sichtbares Zeichen ist künftig das Gütesiegel“, erklärt KommR Irene Mitterbacher, Obfrau der WK-Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung. Mittels akademisch-universitärer Ansprüche und einer staatlichen, einem Bachelor-Grad gleichwertigen Befähigungsprüfung (EQR/NQR Level VI) wird der Berufsstand der psychosozialen Beratung auf eine neue professionelle Basis gestellt.
Damit einher geht die Gleichwertigkeit der psychosozialen Beratung gegenüber anderen beratenden Berufen, die sich mit psychischer Gesundheit beschäftigen. Das betrifft auch eine positive und inhaltlich eigenständige Abgrenzung zur Psychotherapie und weiteren mit psychischen Problemen befassten Berufsgruppen sowie die Absicherung der Qualität von Beratung als wichtigen Schritt der Verankerung von Prävention als vierte Säule des Gesundheitssystems, womit psychosoziale Beratung bei Sozialversicherungen und anderen Institutionen als zu fördernde Sozial- und Gesundheitsleistung etabliert wird.
Lebenslanges Lernen
Ein hoher Stellenwert kommt auch der Weiterbildung zu. „Psychosoziale Berater:innen sind gesetzlich verpflichtet, jährlich fachbezogene Fortbildungsveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 16 Stunden zu absolvieren, um ihr Wissen stets am neuesten Stand zu halten“, betont Mitterbacher. Die Fachgruppe unterstützt dahingehend mit exklusiven und hochkarätigen Angeboten wie etwa dem Seminar mit Prim. Dr. Heidi Kastner zum professionellen Umgang mit „Schuld & Schuldgefühlen“, das im Oktober in der Wirtschaftskammer Kärnten abgehalten wurde.

Interview mit Prim. Dr. Heidi Kastner
„Innere Überzeugungen halten sich über Generationen“
Im Rahmen der fachbezogenen Fortbildung für psychosoziale Berater:innen referierte Prim. Dr. Heidi Kastner im Oktober in der WK Kärnten zum Thema „Schuld & Schuldgefühle“. Heidi Kastner ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und seit rund 30 Jahren als Gerichtspsychiaterin tätig. Sie ist zudem Vorständin der Klinik für Psychiatrie mit Forensischem Schwerpunkt am Kepler Universitätsklinikum Linz und eine viel gefragte Gerichtsgutachterin für Strafrecht.
YAvida: Was ist Schuld?
Heidi Kastner: Schuld wird in mehreren Kontexten verwendet. Die beiden Bereiche „Schuld im rechtlichen Sinn“ und „Schuld im moralischen Sinn“ sind nicht dasselbe. Es ist daher wichtig, diese Ebenen fein säuberlich auseinander zu halten.
Wie können die beiden Bereiche differenziert werden?
Schuld im rechtlichen Sinn ist ein Verstoß gegen das Gesetz, ein Verstoß gegen die geltenden Regeln eines Staates. Ob ich jedoch etwas selbst als Schuld empfinde, ist ein anderes Thema. Denn Schuld im moralischen Sinn ist ein Verstoß gegen das Gewissen – also diejenigen inneren Instanzen, die als „das Gewissen“ bezeichnet werden. Es ist ein Verstoß meines Verhaltens gegen meine eigenen moralischen Normen.
Je nachdem, in welchem Kontext ich aufgewachsen bin, entwickelt sich diese innere Moralinstanz, d. h. Werte können variieren. Wir atmen quasi die Wertehaltungen unserer Umgebung ein und halten an diesen „Basic Beliefs“ über Generationen hinweg fest. Innere moralische Instanzen sind sehr stabil, sie verändern sich nicht so schnell und werden an die nächste Generation weitergegeben. Grundüberzeugungen bleiben demnach auch bei kulturellen Transfers bestehen, daher verändern Wertekurse keine Grundüberzeugungen.
„Wir atmen quasi die Wertehaltungen unserer Umgebung ein und halten an diesen ‚Basic Beliefs‘ über Generationen hinweg fest. “
Gibt es auch geschlechterspezifische Unterschiede?
Männer und Frauen gehen unterschiedlich mit ihren Bedürfnissen bzw. mit dem Thema Schuld um. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Männer eher dazu neigen, ihren Machtanspruch direkt anzuwenden. Wohingegen die weibliche Tendenz dahin geht, externe Schuldzuschreibungen leicht zu übernehmen. Was aber in beiden Fällen nicht außer Acht gelassen werden darf, ist die Eigenverantwortung. D. h. ich muss mir überlegen: Was tue ich da? Trifft das zu? Und wenn das nicht zutrifft, bin ich aufgerufen zu sagen: Nein, das nehme ich nicht!