Heidi Fuchs ist Geschäftsleiterin von SOS Kinderdorf. – Foto: SOS Kinderdorf
Leben
05.03.2021

Heidi Fuchs: Neue Generation toller, selbstbewusster Frauen

Zum Weltfrauentag am 8. März 2021 sprachen wir mit Heidi Fuchs, Geschäftsleiterin von SOS Kinderdorf Region Süd (Steiermark und Kärnten), über die Herausforderungen von Frauen und was sie sich persönlich zum Weltfrauentag wünscht.

advantage: Sie sind die einzige weibliche Geschäftsleiterin in Österreich: Welche Bedeutung hat für Sie persönlich der Internationale Frauentag?

Heidi Fuchs: Der Tag ist wichtig. Es geht um das Würdigen und gemeinsame Feiern des bereits Erreichten und um das Aufmerksam-Machen auf das, was alles noch zu tun ist. Außerdem um ehrliche Solidarität und Vernetzen aller Kräfte. Frauen können das und sollten noch viel mehr auf das setzen.

Sind Sie für Frauenquoten? Wenn ja, in welchen Bereichen?

Ja, so lange bis es keine Quote mehr braucht. In der Quote sehe ich die Chance, nicht nur für Frauen, sondern für uns als Gesellschaft, endlich neue Standards in der Arbeitswelt einzuführen. Solche, die längst notwendig sind für eine Veränderung. Vielfalt und Diversität stehen mittlerweile in den meisten Unternehmensbroschüren – wer das wirklich leben will, muss doch wenigstens bei einer Minimalversion in Sachen Geschlechter anfangen.

Mehr Frauen in Führungspositionen: Warum ist das hierzulande so „schwierig“?

Ui, das müssen Sie bitte die Verantwortungsträger*innen fragen. (grinst)

Aber vielleicht wäre es „leichter“, wenn es ausgeglichenere Geschlechterverhältnisse in Entscheider*innenpositionen gibt. Dann steigt nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Führungspositionen bald sehr viel besser mit dem Privatleben vereinbaren lassen – weil dann, anders als bisher, eine echte Notwendigkeit dafür besteht.

"Ich bin für Frauenquoten – bis es keine Quote mehr braucht."

Heidi Fuchs

Stehen Frauen Ihrer Meinung nach unter mehr Druck als Männer? Und wird das durch die Corona-Krise noch verstärkt?

Das kommt darauf an – ich würde das ungern pauschal beantworten.

Druck, denke ich, verspüren wir alle, und jede und jeder individuell im eigenen Lebensbereich.

Aber generell ja, Frauen stehen unter Druck und Corona hat dies verstärkt. Allein die Selbstverständlichkeit, mit der davon ausgegangen wurde, dass wir jetzt alle daheim das Homeschooling, den Haushalt, die Koordination, die emotionalen Hochs und Tiefs der Familie und unsere Arbeit unter einen Hut bringen, ist und war schon außergewöhnlich. Und da spreche ich noch nicht von den vielen Frauen, die in systemerhaltenden Berufen tätig sind und jetzt seit mittlerweile einem Jahr in diesem Spannungsfeld leben.

Generell zeigt die Pandemie einen Fehler im System, der zwar u. a. auch an Weltfrauentagen oder Equal pay days in den Fokus rückt, jedoch dann sehr flott wieder im Alltag des Selbstverständlichen untergeht. Da braucht es noch einiges! Wir dürfen nach solchen Tagen wie Frauentag und Co. die Lautstärke nicht einfach wieder runterdrehen.

Ich sehe eine große Chance in der neuen Generation toller, selbstbewusster Frauen. Sie sind unsere Zukunft.

Was waren die wesentlichen Herausforderungen in den vergangenen Monaten?

Kühlen Kopf zu bewahren, den Blick auf das Wesentliche zu richten, gut auf einen selbst und das Umfeld zu achten und vor allem nicht Krisen-mürbe zu werden.

Wie hat das Kinderdorf die vergangenen Monate gemeistert? Vor allem Frauen stemmen die systemrelevanten Berufe und wurden gleichzeitig mit dem Spagat zwischen Homeschooling, Haushalt etc. konfrontiert?

Mein Team hat im letzten Jahr Außergewöhnliches geleistet. Und dafür gebührt jeder und jedem Einzelnen ganz großer Respekt und ein ganzes Blumenmeer!

Neben den vielen Unsicherheiten, die jede und jeden von uns persönlich in einer solchen Zeit beschäftigen, begleiten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Tag viele Kinder, Jugendliche und Familien in ihrer Ausnahmesituation.

In Zeiten dieser Unsicherheit droht vielen Menschen der Boden oftmals doppelt unter den Füßen wegzubrechen. Das fordert extrem und wird uns alle noch lange beschäftigen.

Der Fokus einer ganzen Gesellschaft der letzten Monate war leider zu wenig auf die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Familien gerichtet. Eine ganze Generation, die von Anfang an wesentlich Betroffene der Maßnahmen waren, haben diese mitgetragen und damit einen so wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft geleistet.

Es ist mehr als an der Zeit, dass unser Fokus korrigiert wird – auf eine Generation, die eine Pandemie bewältigt hat und mit all den Erfahrungen und gewiss auch Erkenntnissen unsere Zukunft gestalten wird. Und weil ich so viele tolle junge Menschen (virtuell) treffen durfte, bin ich überzeugt, dass es eine gute Zukunft wird!

"Der Fokus einer ganzen Gesellschaft der letzten Monate war leider zu wenig auf die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und Familien gerichtet."

Heidi Fuchs

Was wünschen sie sich ganz persönlich zum Frauentag?

Heuer ganz speziell – ich möchte alle Frauen feiern, am liebsten gemeinsam.

Und für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir uns – statt über die Einführung von Quoten für Frauen in Führungspositionen ständig, auch untereinander, zu zer-diskutieren und gegenseitig mit Argumenten zu zerschlagen – mit den möglichen positiven Nebeneffekten und großen Chancen beschäftigen. Selbst wenn es dann dafür auch eine Quote braucht. (grinst)

Und ich wünsche unseren jungen Frauen eine klimafreundliche, gesunde Umwelt! Unsere Studie von SOS Kinderdorf belegt leider, dass 85 Prozent aller Kinder und Jugendlichen Angst um unseren Planeten haben! Ich wünsche unseren Jugendlichen, dass sie gehört werden, ernst genommen werden. Ich wünsche uns, dass wir kollektiv die Ärmel hochkrempeln und nicht ermüden.

Was geben sie den jungen Frauen mit?

Nehmt euch selbst ernst, traut euch laut und sichtbar zu sein und seid mutig. Und an alle Frauen dieser Welt: Vereinigt euch und lasst uns feiern, dass es uns gibt!

Heidi Fuchs ist Geschäftsleiterin von SOS Kinderdorf. – Foto: SOS Kinderdorf
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