© P. Pismestrovic
Leben
03.06.2024

Historische Bücher können für Menschen gefährlich sein

Bücher aus dem 19. Jahrhundert stehen unter Arsenverdacht. Plötzlich ist man um die Gesundheit der Menschen besorgt. Sollte mit diesem Angstporno möglicherweise altes Wissen nicht mehr zugänglich gemacht werden?

Wer nichts weiß, muss alles glauben. Bücher sind und waren stets verlässliche Wissensvermittler. Allerdings verliert zunehmend das Bücher-Wissen die Materialität in Form der Digitalisierung. Damit haben die Bibliotheken nicht mehr die Funktion als kompetenter Wissensort.

Wissen, einmal in Buchform gespeichert, bleibt in seiner Ursprünglichkeit. Digitale Texte können jederzeit „adaptiert“ und dem Zeitgeist angepasst werden. Dadurch ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Ein gutes Beispiel dafür ist „Lügipedia“. Diese fiktionale „Bibliothek“ ist kostenfrei. Warum eigentlich? Wer hat ein Interesse an kostenloser „Wissensvermittlung“?

Wenn in den Massenmedien plötzlich Berichte über Bücher auftauchen, die mit „Gift“ kontaminiert sein sollten, dann ist das ein Grund, sich darüber Gedanken zu machen. Der Staat bzw. staatliche Institutionen machen sich Sorgen um unsere Gesundheit beim Umgang mit Büchern? Eigenartig.

Der ORF berichtete z. B. am 1. März 2024 unter der Überschrift Arsen in Büchern – Bibliotheken alarmiert: „Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) erlässt einen vorübergehenden Ausgabestopp für einige Bücher aus dem 19. Jahrhundert. Neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge soll in einigen grünen Farbpigmenten Arsen enthalten sein. Auch weitere Wiener Bibliotheken sind alarmiert.“ Ebenso Bibliotheken in der BRD.

Betroffen seien Bücher mit grünen Einbänden oder Vorsatzblättern. Gefährlich könne das Einatmen von Staub aus den betroffenen Büchern sein. Auch über die Finger, mit der Zunge zum Umblättern der Seiten angefeuchtet, könne Arsenstaub aufgenommen werden. Schuld sei das Pigment namens „Schweinfurtergrün“.

Wenn man weiß, dass die Vernichtung von Wissen im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Menschheit  ein „normales“ Phänomen darstellt und sich durch die uns bekannte Geschichte zieht, dann könnte man zum Schluss kommen, dass es sich bei den „durch Arsen verseuchten Büchern“ um eine moderne Form der „Bücherverbrennung“ handeln könnte. Bestimmte Bücher können nicht mehr eingesehen werden. Sie werden wohl einige Zeit in Kisten gelagert und schließlich entsorgt. Der Menschheit geht unwiederbringlich Wissen verloren.

Während in unserer heutigen Zeit Arsen die Schuld zugewiesen wird, um Bücher aus dem Verkehr ziehen zu können, waren es einst moralische, politische oder religiöse Gründe. Bücherverbrennungsaktionen waren „staatlich“ inszeniert und von der Obrigkeit geduldet.

Vernichtung von Wissen ist ein Phänomen, das die Menschheitsgeschichte – so weit ein Überblick möglich ist – begleitet. Bereits in der Antike gab Verbrennungen. Die Bibliothek von Alexandria, um die sich zahlreiche Mythen ranken, soll die bedeutendste Bibliothek in der Antike (Anfang 3. Jhdt. v. Chr.) gewesen sein. Ein spektakulärer Großbrand soll (um 30 v. Chr.) diesen Wissensspeicher vernichtet haben. Die Epochen des 17. und 18. Jahrhunderts, in welchen Bücher bewusst zerstört wurden, stechen hier besonders hervor. Die römisch-katholische Kirche führte seit dem vierten Jahrhundert Bücherverbrennungen durch. Die Inquisition bildete dabei den Höhepunkt. Gut dokumentiert sind die Bücherverbrennungen 1933 im nationalsozialistischen Deutschland.

Wissen ist Macht und wird bei jenen Menschen angewendet, die nichts wissen (wollen).

ZUR PERSON

HANS LACH

Autor und Verleger

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