„Hinter jeder Firmenpleite steht das Schicksal von Menschen! Wir machen nicht nur offene Zahlungen geltend, sondern klären auf ."
Insolvenzschutzverband setzte sich für mehr als 1300 Beschäftigte ein
Eine Insolvenz ist immer mit viel Leid verbunden – sowohl für die betroffenen Unternehmen als auch für deren Mitarbeiter:innen und Gläubiger:innen. Sie bedeutet oft das Ende einer unternehmerischen Tätigkeit oder die Aussicht auf eine drastische Umstrukturierung. Zumindest sind Mitarbeiter:innen im Falle einer Insolvenz nicht alleine: Denn unmittelbar nach einer Insolvenzeröffnung tritt bereits der „Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA)“ auf den Plan.
Rechte und Pflichten
Der Verein der Arbeiterkammer und Gewerkschaft übernimmt die Beratung der betroffenen Beschäftigten. „Unmittelbar nach Insolvenzeröffnungen organisieren wir die ersten Informationsveranstaltungen vor Ort im Betrieb“, erklärt Herbert Diamant, Leiter des Insolvenzreferats in der AK Kärnten, und führt aus: „Wir informieren die Beschäftigten über Rechte und Pflichten, berechnen Forderungen wie etwa offene Entgelte, Überstunden, Weihnachts- und Urlaubsgelder sowie Ansprüche auf Abfertigung Alt, melden diese im Insolvenzverfahren bei Gericht an und stellen den Antrag auf Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH.“
72 Mio. Euro
In den vergangenen zehn Jahren hat der ISA 72 Mio. Euro an offenen Forderungen geltend gemacht. Im Streitfall gewährt die Arbeiterkammer Kärnten auch kostenlosen Rechtsschutz und klagt sowohl Insolvenzverwalter als auch die IEF, um den Betroffenen zu ihrem Geld zu verhelfen.
Plus 80 Prozent
1.326 Arbeitnehmer:innen (davon 481 Frauen und 845 Männer) wurden 2024 vom siebenköpfigen Team des ISA vertreten und damit 10.271.769 Euro an offenen Zahlungen geltend gemacht. Betroffen waren 424 Angestellte, 868 Arbeiter:innen und 34 Lehrlinge. „Verglichen mit 2019, dem Jahr vor Corona, wo wir 913 Beratungen verzeichneten, ist dies ein Anstieg von knapp 45 Prozent. Noch deutlicher fällt aber der Vergleich zu 2023 aus. In diesem Jahr hatten wir 735 Betroffene und verzeichnen somit einen Anstieg von rund 80 Prozent!“, rechnet Diamant vor. Nach Branchen unterteilt kommen die meisten Betroffenen aus dem Hotel- und Gastgewerbe, dem Handel, dem Eisen- und Metallgewerbe, der Elektroindustrie sowie der Baubranche.
Falsche Einstufungen
Diamant berichtet aus der Praxis: „Häufig haben die Unternehmen so wenig Geld zur Verfügung, dass sie gar keine Lohnverrechnung erstellen können, was uns die Berechnung der Ansprüche dementsprechend erschwert. Teilweise sind die Beschäftigten gar nicht oder falsch bei der Sozialversicherung angemeldet. Auch falsche Einstufungen von Mitarbeiter:innen haben wir bereits entdeckt.“
In einem solchen Fall enthüllten ISA-Jurist:innen, dass mehrere Beschäftigte eines Kärntner Bauunternehmens teilweise jahrelang in zu niedrigen Einkommensstufen eingereiht waren. Für einen Betroffenen konnte die AK eine Rückforderung von knapp 93.000 Euro erreichen. „Die Summe setzte sich zusammen aus der Entgeltdifferenz, offenen Entgelten, Beendigungsansprüchen und Zinsen.“
Die größten Insolvenzen
Zu den größten Insolvenzen des abgelaufenen Jahres zählen EnerCharge aus dem Bezirk Hermagor mit 91 Mitarbeiter:innen, Vianello aus dem Bezirk Klagenfurt-Land mit 65 Beschäftigten und Almdorf Seinerzeit (Bezirk Feldkirchen) mit 37 Arbeitnehmer:innen. „Aktuell hinzu kam Ende Dezember die Firma Holzbau Salbrechter mit 91 Mitarbeiter:innen, die wir allerdings in unserer Statistik nicht einberechnet haben, da wir die Forderungen erst heuer einbringen konnten“, so Diamant.
Insolvenz-Soforthilfe der AK
„Weil es bis zu sechs Monate dauern kann, bis der Insolvenz-Entgelt-Fonds die Beiträge an die Betroffenen genehmigt und auszahlt, haben wir die AK-Insolvenz-Soforthilfe ins Leben gerufen, um die finanzielle Notlage der Menschen zu lindern“, berichtet Goach und nennt konkrete Zahlen: „2024 haben wir auf diesem Weg 232 Kärntner:innen mit 522.990 Euro geholfen. Geld, das dringend für Mieten, Lebensmittel, Energie und andere laufende Lebenserhaltungskosten benötigt wurde. Mit diesem Instrument helfen wir rasch und unbürokratisch, das Geld ist in den meisten Fällen drei Tage nach Antragstellung überwiesen.“
Seit der Einführung im Jahr 2017 hat die Insolvenz-Soforthilfe der AK mehr als 2,6 Mio. Euro an 1.376 Betroffene ausbezahlt. Es handelt sich dabei um ein zinsenloses Darlehen in der Höhe von max. 3.000 Euro, das die AK Kärnten in Zusammenarbeit mit dem Land Kärnten gewährt.
Insolvenzen treffen Beschäftigte doppelt
AK-Direktorin Susanne Kißlinger und AK-Direktorin-Stellvertreterin Irene Hochstetter-Lacker sprechen von einem traurigen Höhepunkt seit der Pandemie: „Wenn die Preise weiterhin auf diesem hohen Niveau bleiben, gehen wir davon aus, dass in nächster Zeit noch mehr Firmen in Turbulenzen geraten. Das trifft unsere Mitglieder doppelt, weil sich viele bereits jetzt kaum die Lebenserhaltungskosten leisten können!“
Politik gefordert
AK-Präsident Goach betont: „Hier ist die neue Bundesregierung besonders gefordert. Nur mit einer aktiven, zielgerichteten Industrie- und Wirtschaftspolitik können wir den Wachstumsrückgang bewältigen, Arbeitsplätze retten und schaffen, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben!“
Unterstützung für Arbeitslose
Statt mehr Druck brauche es generell mehr Unterstützung für Arbeitsuchende. Goach fordert: „Die Arbeitslosigkeit steigt. Vor allem bei den Jungen in Kärnten sehen wir die Situation kritisch. Denn zuletzt stagnierte die Anzahl der Lehrlinge und es sank das Weiterbildungsengagement der Betriebe. Auch die Unternehmen müssen ihren Beitrag zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften und Lehrlingen steigern!“
Ausbildungsfonds
Neben den überbetrieblichen Lehrwerkstätten wäre die Einrichtung eines „Ausbildungsfonds“ ein Hebel, um die Zahl der Ausbildungsbetriebe zu erhöhen und die Finanzierung der Lehrausbildung zu verbessern. Wobei Betriebe, die selbst keine Lehrlinge ausbilden, in diesen Ausbildungsfonds einzahlen sollten, damit junge Menschen beruflich in Kärnten bleiben und die heimischen Unternehmen ihre dringend benötigten Fachkräfte bekommen.
Lohnnebenkosten
Der IEF wurde 1978 eingerichtet und wird überwiegend durch den Insolvenz-Entgeltsicherungsbeitrag finanziert. Das ist ein Zuschlag, den die Arbeitgeber:innen zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag leisten – ein Teil der sogenannten Lohnnebenkosten. Dieser Beitrag wurde in den vergangenen zehn Jahren bereits von 0,55 Prozent auf 0,1 Prozent gekürzt, was Einnahmenverluste ab dem Jahr 2025 von knapp 700 Mio. Euro jährlich bedeutet.
Goach: „Allein schon vor dem Hintergrund der derzeitigen Insolvenzentwicklung lehnen wir weitere Kürzungen strikt ab. Wird der Beitrag zum IEF weiter gesenkt oder gar gestrichen, stehen Beschäftigte nach der Pleite ihres Arbeitgebers ohne finanzielle Absicherung da. Ähnliches gilt auch für den Beitrag der Unternehmen zur Arbeitslosenversicherung. Dieser wurde von drei auf 2,95 Prozent gesenkt. Das klingt nach sehr wenig, reißt aber jedes Jahr ein Loch von weiteren 80 Mio. Euro in die Arbeitslosenversicherung.“
DIE AK fordert:
- Keine Kürzung der Lohnnebenkosten:
Weitere Senkung gefährdet die Absicherung der Arbeitnehmer:innen im Konkursfall. Arbeitszeitverkürzung bzw. Kurzarbeit als taugliches und temporäres Mittel beibehalten, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Arbeitsplätze zu sichern. - Mehr Ressourcen für das AMS: Da wir davon ausgehen, dass die Arbeitslosenzahlen in nächster Zeit steigen werden, braucht das Arbeitsmarktservice (AMS) ausreichend Mittel, um gute Beratung, Qualifizierung und rasche Vermittlung zu gewährleisten. Daher fordert die AK einen Stopp beim Personalabbau und bei der Kürzung des AMS-Budgets.
- Verstärkte Investitionen: Zur Senkung der Arbeitslosigkeit und besseren Nutzung des Arbeitskräftepotenzials sind Unternehmensinvestitionen in die Qualifikation der Arbeitnehmer:innen sowie öffentliche Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung, Pflege, Infrastruktur und altersgerechte Arbeitsbedingungen erforderlich.