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Wirtschaft
09.07.2025

Junges Kärnten: Brain Gain statt Brain Drain

Eine neue Standortstudie der Jungen Wirtschaft Kärnten stellt Maßnahmen­pakete für eine Attraktivierung der Region vor – insbesondere für Fachkräfte und junge Menschen.

Der Lebens- und Wirtschaftsraum Kärnten kämpft seit Jahren mit Brain Drain, also der Abwanderung vor allem junger, gut ausgebildeter Fachkräfte. Ein Phänomen, das sowohl wirtschaftliche als auch demographische Folgen hat. So ist Kärnten aktuell das einzige österreichische Bundesland, dessen Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten schrumpfen soll. Besonders drastisch ist diese Entwicklung in der Altersgruppe junger Menschen zwischen 15 und 29 Jahren, für die bis 2050 ein Rückgang von 12 % prognostiziert wird. Mittelfristig gefährdet diese Entwicklung Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Region, so Nika Basic, Landesvorsitzende der Jungen Wirtschaft Kärnten: „Das ist besonders bitter, da alle anderen Bundesländer ein Bevölkerungswachstum verzeichnen. Die größte Gefahr liegt darin, dass junge Menschen keinerlei Anreiz sehen, zurückzukehren. Diese Entwicklung müssen wir umkehren – mit echten Perspektiven und zukunftsfähigen Rahmenbedingungen.“

„Die größte Gefahr liegt darin, dass junge Menschen keinerlei Anreiz sehen, zurückzukehren. Diese Entwicklung müssen wir umkehren.“

Nika Basic, Landesvorsitzende der Jungen Wirtschaft Kärnten

Um diesem problematischen Trend entgegenzuwirken, wurden in der aktuellen Standortstudie der Jungen Wirtschaft Kärnten und UNIFORCE Consulting zentrale Problem- und Handlungsfelder aufgezeigt, die positive Impulse für die Region bringen sollen. Besonders berücksichtigt wurde dabei auch die infrastrukturellen Chancen, die aus der bevorstehenden Eröffnung der Koralmbahn entstehen könnten.

Stimmungsbild und Zukunftsperspektiven

Im Zuge der Standortstudie wurden 200 junge Menschen aus Kärnten, der Steiermark und Wien zu ihrer Wahrnehmung der Region Kärnten befragt. 80 % der Befragten stammen selbst aus Kärnten, einige sind zugezogen, einzelne haben keinen direkten Kärnten-Bezug. Ziel der Studie war es zum einen, ein Stimmungsbild der aktuellen Lage und der Einstellungen junger Menschen zum Bundesland zu zeichnen. Zum anderen wurden allerdings auch konkrete Handlungsfelder samt Maßnahmen definiert, die den Standort zukünftig voranbringen könnten.

Besonders deutlich zeigte sich in der Studie, dass junge Menschen sehr früh das Vertrauen in den Standort verlieren. So bewerten 40 % der Befragten zwischen 15 und 29 Jahren die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Kärnten kritisch oder negativ. Diese Einstellungen entstehen bereits im Schul- und Studienalter – einer Zeit, in der private wie berufliche Lebenswege entworfen und gestaltet werden.

„Es liegt jetzt bei den politischen Entscheidungsträger:innen, den Mut zur Umsetzung zu beweisen.“

Eva Maria Wutte, Geschäftsführerin der Jungen Wirtschaft Kärnten

Die in der Studie definierten Handlungsfelder – Mobilität, Wohnen, Bildung und Wirtschaft – sollen samt zugehörigen Maßnahmen eine Trendumkehr einleiten. Die Studie ist ein Leitfaden, dessen Umsetzung nun an der Politik hängt: „Es liegt jetzt bei den politischen Entscheidungsträger:innen, den Mut zur Umsetzung zu beweisen. Unsere Maßnahmen sind strategisch fundiert und sofort umsetzbar“, so Eva Maria Wutte, Geschäftsführerin der Jungen Wirtschaft Kärnten.

Zentral sei insbesondere, die Chancen der Koralm gezielt durch einen Ausbau des daran anschließenden Verkehrsnetzes zu nutzen. „Die Koralmbahn darf kein Symbol exklusiver Infrastruktur sein, sondern muss zur Lebensader für ganz Kärnten werden – auch für ländliche Regionen“, betonte Nika Basic. „Gerade Abgewanderte sehen darin eine Chance zur Rückkehr – weil sich mit besserer Anbindung der Lebensraum erweitert und neue berufliche Möglichkeiten entstehen. Aber dafür muss die Verbindung auch regional funktionieren.“

Zentrale Handlungsfelder der Standortstudie

Mobilität
Während die Koralmbahn als solche von den Befragten im Hinblick auf Zeitersparnis und bessere Erreichbarkeit positiv bewertet wird, gilt es, insbesondere in peripheren Regionen gute und sinnvolle Anbindungsmöglichkeiten an die Koralmbahn zu schaffen. Gefordert wird ein mehrstufiges Mobilitätskonzept: Ausbau der S-Bahn-Achsen, Zubringerbusse, On-Demand-Verkehre nach steirischem Vorbild sowie sichere Radwege und Bike-&-Ride-Angebote. Zudem sollen sich regionale Bahnhöfe zu Multifunktionszentren mit Co-Working-Spaces, Sharing-Angeboten und Nahversorgern entwickeln, um flexibles Arbeiten zu ermöglichen und die Standortbindung zu stärken.

Leistbares Wohnen
Möglichkeiten zum leistbaren Wohnen, Eigentumsperspektiven und ein attraktives Freizeitangebot sind der Studie zufolge entscheidend, um junge Menschen in Kärnten zu halten oder zurückzuholen. Gefordert wird etwa ein Wohnbauprogramm für junge Menschen, aber auch neue Impulse für das Freizeitangebot durch Sport-, Kultur- und Jugendveranstaltungen. Für Rückkehrer:innen schlägt die Junge Wirtschaft ein Paket aus Rückkehrbonus, Job- und Wohnungsvermittlung sowie einer digitalen Community-Plattform vor.

Bildung
Im Bildungsbereich wird die Ausweitung praxisnaher Studienangebote sowie die Internationalisierung und Modernisierung des Hochschulstandorts betont. Die Karriereperspektiven, die Branchenvielfalt und das Einkommensniveau wurden von den Studienteilnehmer:innen sehr kritisch bewertet. Dabei zeigt sich aber auch ein differenziertes Bild. Wutte: „Unternehmer:innen und Selbstständige sehen die Lage insgesamt deutlich positiver. Vor allem Förderangebote werden von ihnen gut bewertet.“

Wirtschaft
Neben einer hohen Lebensqualität seien auch starke wirtschaftliche Perspektiven wichtig, um den Standort weiterzuentwickeln. „Wir fordern eine koordinierte Wirtschaftsoffensive“, so Basic. „Ein zentraler One-Stop-Shop für Investoren, strategische Standortentwicklung und gezielte Förderprogramme sollen neue Unternehmen anziehen und qualifizierte Arbeitsplätze schaffen.“ Die Studie zeigt, dass vor allem gut ausgebildete Fachkräfte attraktive Jobs vermissen.  Die Wirtschaftskammer und der Start-up-Sektor arbeiten bereits an Gründerförderungen. Als nächster Schritt wird eine überregionale Ansiedelungsoffensive in den Raum gestellt.

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