„Digitale Anwendungen sollen die Versorgung qualitätsvoller, die Diagnosen gesicherter, die Wege schneller und die Bürokratie effizienter machen.“
„KI hilft, Engpässe zu entschärfen“
Digitale Anwendungen haben bereits in all unseren Lebensbereichen Einzug gehalten. Sie managen Termine, soziale Kontakte – und unsere Gesundheit. Seit Einführung der eCard 2005 schreitet die Digitalisierung des österreichischen Gesundheitswesens rasant voran. Die Pandemie wirkte dabei als Katalysator, der kontaktlosen Angeboten wie E-Rezept und elektronischer Krankschreibung den Weg ebnete. Auch wenn bestehende digitale Lösungen bereits gute Dienste leisten – um dem Gesundheitsnotstand entgegenzuwirken und künftig eine flächendeckende Versorgung aufrechtzuerhalten, reichen sie nicht aus. Sprich, die Digital-Health-Infrastruktur muss weiter wachsen.
Sichere Diagnosen, schnellere Wege
Mit der eHealth-Strategie haben Bund, Länder und Sozialversicherung ein Konzept entwickelt, das digitale Anwendungen bis 2030 fix im österreichischen Gesundheitssystem verankert. Dazu zählen Apps zur Unterstützung bei spezifischen Erkrankungen, ein Ausbau des ELGA-Systems und die Möglichkeit von Terminbuchungen und Videokonsultationen über die Hotline 1450. „Digitale Anwendungen sollen die Versorgung qualitätsvoller, die Diagnosen gesicherter, die Wege schneller und die Bürokratie effizienter machen“, erklärt Beate Prettner, Kärntner Landesrätin für Gesundheit. „Unser Ziel ist, Patient:innen zu unterstützen und Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen und in der Pflege zu entlasten.“ Auch Karlheinz Kornhäusl, Landesrat für Gesundheit in der Steiermark, lobt die Strategie: „Digitale Gesundheitslösungen ermöglichen eine bessere Versorgung in allen steirischen Regionen. Egal, wo jemand lebt, die Gesundheitsversorgung darf keinen Unterschied machen.“
Herzgesundheit via App
Im Gesundheitswesen herrscht oft massiver Zeitdruck – vor allem, wenn es um Wartezeiten auf Termine, Diagnosen oder die Früherkennung von Krankheiten geht. Einige bereits aktive E-Health-Projekte setzen exakt an diesen Stellen an: Das telemedizinische Versorgungsprogramm „Herz Mobil“ wurde 2022 in Kärnten und in der Steiermark gestartet und erspart Patient:innen mit Herzinsuffizienz Wege und Wartezeiten. Im Rahmen des „Digital Heart Program“ wird an der Med Uni Graz ein digitales Screeningtool untersucht, das – oft symptomloses – Vorhofflimmern mittels Smartwatches oder Smartphones anzeigt. Früherkennung kann hier das Risiko für Schlaganfälle und Herzinsuffizienz erheblich senken.
Zeitersparnis durch KI
Einer der wesentlichen Aspekte bei der Entwicklung digitaler medizinischer Anwendungen ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Indem Algorhithmen große Datenmengen in Rekordzeit analysieren, werden Muster früher erkannt und schnellere Diagnosen ermöglicht. So werden z. B. in der Dermatologie teils monatelange Wartezeiten auf Facharzttermine durch KI-Support verkürzt: Die in Graz entwickelte „Skin Screener“-App ermöglicht ein Prescreening von Hautveränderungen inklusive Risikoeinschätzung.
„Algorhithmen eignen sich besonders gut, um Bildinfos zu analysieren, quantifizieren und kategorisieren“, erklärt Kurt Zatloukal von der Med Uni Graz. Die größte Dynamik sieht er aktuell in der Bildauswertung der Pathologie. „Ein einziger histologischer Schnitt hat bis zu 100 GB. Datenmengen, die vor wenigen Jahren noch nicht wirtschaftlich verarbeitet werden konnten – durch KI nun aber schon. Tumore werden heute sehr spezifisch mit für den individuellen Tumor zugeschnittenen Medikamenten behandelt, die bis zu 100.000 Euro pro Person und Behandlungsjahr kosten. Computer erlauben Veränderungen in Tumoren besser zu quantifizieren, sodass geeignete Medikamente besser ausgewählt werden können. Auch waren viele Befunde bisher stark von individuellen Expertisen abhängig. In Ländern mit Fachärzt:innenmangel ermöglichen Algorithmen, die Arbeitskapazitäten zu erhöhen und international standardisierte Expertise zu nutzen.
„Es besteht keine Gefahr, dass KI Stellen wegnimmt. Sie hilft Ärzt:innen, ihre Arbeit standardisierter durchzuführen und so Engpässe zu entschärfen.“
Keine autonomen Diagnosen
Zatloukal ist u. a. Projektleiter für einen der ersten ISO-Standards zum Thema KI in der Diagnostik, der Qualitätskriterien für digitale Pathologie und KI definiert. Dadurch soll einerseits die Bevölkerung vor negativen Auswirkungen von KI – etwa durch falsche Ergebnisse – geschützt werden. Hierfür muss unter anderem transparent bleiben, aufgrund welcher Merkmale ein Algorhithmus entscheidet. Zatloukal betont, dass KI keine autonomen Diagnosen erstellt, sondern ausschließlich als Assistenzsystem dient – die Bestätigung und Überprüfung erfolge immer durch Fachärzt:innen, die auch die Verantwortung für den Befund tragen. „Es besteht also keine Gefahr, dass KI Stellen wegnimmt. Sie hilft Ärzt:innen, ihre Arbeit standardisierter durchzuführen und so Engpässe zu entschärfen.“
„Digitale Gesundheitslösungen ermöglichen eine bessere Versorgung in allen Regionen. Egal, wo jemand lebt, die Gesundheitsversorgung darf keinen Unterschied machen.“
Wunde Punkte in der Pflege
Engpässe zu entschärfen gilt es auch auf dem Gebiet Geriatrie und Pflege. Bis 2050 wird österreichweit ein Zusatzbedarf von 200.000 Pflegekräften prognostiziert. Um das System in diesen Bereichen zu entlasten, gilt es Komplikationen zu erkennen, bevor sie entstehen – und Patient:innen genau dort hinzubringen, wo sie hin müssen. Georg Pinter, Vorstand des Zentrums für Altersmedizin am Klinikum Klagenfurt und Pionier auf dem Gebiet der intelligenten Datenerhebung für medizinische Anwendungen, bestätigt: Mediziner:innen sind nicht durch KI ersetzbar. Aber: „Sie bekommen Unterstützung durch vernetzte und interpretierte Daten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, den Krankheits- oder Therapieverlauf richtig vorherzusagen. Das ergibt einen enormen Vorteil für alle Beteiligten – in erster Linie für die Patient:innen. Das Stichwort ist evidenzbasierte Medizin.“
Zu den größten Herausforderungen des Pflegewesens zählt seit jeher die zeitintensive Verwaltung. Auch hier leistet KI bereits gute Dienste, wie Projekte im Raum Südösterreich beweisen. Zum Beispiel im Haus Harbach der Diakonie Kärnten: Seit Februar nutzen Pflegekräfte dort für ihre tägliche Dokumentation die App „Voize“, die aus der Spracheingabe am Smartphone Einträge generiert und ins Dokumentationssystem transferiert. „Einerseits wird Zeit eingespart, andererseits steigt die Qualität der Dokumentation“, zeigt sich Gesundheitslandesrätin Beate Prettner von der Applikation überzeugt, weshalb das Land Kärnten die flächendeckende Umsetzung mit 62 % fördert.
„Mediziner:innen sind nicht durch KI ersetzbar. Sie bekommen Unterstützung durch vernetzte und interpretierte Daten. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, den Krankheits- oder Therapieverlauf richtig vorherzusagen.
1. Digitale Tools wie Apps unterstützen in Zukunft die Prävention von Krankheiten. © AdobeStock
2. KI unterstützt Ärzt:innen dabei, schnellere und präzisere Diagnosen zu erstellen. © AdobeStock