„Schon 2017 war meine Branche wegen KI in Aufruhr und die Angst vor Jobverlust ging um. Stattdessen wurde KI ein weiteres Werkzeug für unsere tägliche Arbeit.“
„KI ist keine Bedrohung, sondern eine Chance“
Meinrad Reiterer ist CEO von MEINRAD.cc Communication Consulting GmbH, einem der größten österreichischen Übersetzungsdienstleister mit Hauptsitz in Wolfsberg. KI wird in seiner Branche schon lange verwendet und als nützliches Werkzeug betrachtet.
advantage: Das Thema KI treibt viele Unternehmen um. Wie ist das bei Ihnen?
Meinrad Reiterer: In meiner Branche kamen schon 2017 mit der maschinellen Übersetzung die ersten KI-Systeme auf, die gute Resultate lieferten. Heutzutage sind diese Systeme, zum Beispiel Google Translate, weit verbreitet. Maschinelle Übersetzung hat damals jedenfalls für Aufregung gesorgt und es ging die Angst um, dass viele Übersetzer:innen ihre Jobs verlieren werden. Stattdessen wurde diese Art von KI ein Teil unserer Dienstleistungen und ein Hilfsmittel für Übersetzer:innen. Deshalb fürchtet sich heute in der Branche kaum noch jemand vor dieser Technologie. Das „Post-Editing“, also das Lektorat von maschinell übersetzten Texten, ist übrigens ein anerkanntes Service geworden, für das es viel Expertise braucht. KI kann also auch neue Tätigkeitsfelder schaff en. Ich denke, mit generativer KI, also ChatGPT und Co, wird es sich in Zukunft ähnlich verhalten, wie wir es bei der maschinellen Übersetzung gesehen haben.
Ein Unternehmen hat sich noch nicht mit KI beschäftigt. Wie sollte es damit beginnen?
Unternehmensintern muss man zuerst das nötige Wissen aufbauen. Eigens dafür gebildete Teams sollten sich deshalb mit KI auseinandersetzen und auch davon träumen dürfen, wo uns die KI noch nicht jetzt, aber in Zukunft helfen kann. Es lohnt sich auch, eine technikaffine junge Person anzuheuern und diese einfach einmal machen zu lassen, denn man wird von deren Ideen überrascht sein. Der Ansatz „think outside the box“ ist hier immens wertvoll. Man sollte aber keine überzogenen Erwartungen hegen, sondern sich Schritt für Schritt vorantasten. Denn wenn man wartet, bis ein KI-System „perfekt“ ist, dann wird man von anderen Unternehmen überholt werden, während man an vermeintlicher Perfektion feilt.
Welche konkreten Herausforderungen gibt es bei der Einführung von KI?
Es ist wichtig, auf das Mindset seiner Angestellten zu achten, denn KI ist keine Bedrohung und sollte auch nicht als solche gesehen werden. Intern wird viel offene Kommunikation benötigt, denn manche Menschen stehen Veränderungen positiv gegenüber, andere aber negativ. Wir gehen Management-intern so vor, dass wir uns konkrete Anwendungsfälle und Verbesserungspotenziale überlegen und dann schauen, ob eine KI uns helfen könnte. Erst wenn das der Fall ist, wird die KI oder auch eine andere technologische Neuerung im Unternehmen ausgerollt. Gemeinsam mit den Angestellten, denn diese muss man ins Boot holen, anstatt ihnen ungefragt etwas Neues vorzusetzen.
Man muss aber auch die Grenzen der Technik erkennen. Derzeit ist maschinelle Übersetzung der generativen KI überlegen. Wir bleiben also vorerst bei DeepL, Google Translate und Co, anstatt Texte mit ChatGPT vorübersetzen zu lassen. Das kann sich aber ändern, die Technik schreitet schnell voran. Als Dienstleister sind wir verstärkt auch als KI-Berater für unsere Kund:innen tätig, denn das Thema ist komplex. Ständiges Dazulernen, Flexibilität und ein offenes Gemüt für Veränderungen sind deshalb das Um und Auf.