„Lohn statt Taschengeld“ ist ein Erfolgsmodell
Wir schreiben das Jahr 2004: Zwei Klienten, zwei Betriebe. Kein Taschengeld mehr, sondern erstmals Lohn. Das war der Startschuss für das ChancenForum, ein österreichweites Pioniermodell, das Menschen mit Behinderung gegen Bezahlung in den ersten Arbeitsmarkt integrierte. Heute, 20 Jahre später, wird in Österreich intensiv über mögliche Projekte der Erwerbsarbeit für Menschen mit Behinderung diskutiert.
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
„In Kärnten haben wir mittlerweile 175 Menschen über das ChancenForum in Beschäftigung gebracht. 151 Betriebe sind mit an Bord. Mit autArK als Trägerverein geben wir den Menschen mit ihrem ersten selbstverdientem Geld neue Perspektiven, Selbstbestimmtheit und Selbstbewusstsein“, erklärte Landesrätin Beate Prettner kürzlich bei der Pressekonferenz zum 20-Jahr-Jubiläum des ChancenForums. Finanziert wird das ChancenForum zur Gänze vom Land. Dabei gibt es bereits drei Modelle: ChancenForum classic, ChancenForm light, ChancenForum reha. „Es sind rund vier Mio. Euro pro Jahr, die wir für das Beschäftigungsmodell bezahlen. Es sind sinnvoll und damit perfekt investierte vier Mio. Denn eine Beschäftigung mit eigenem Erwerbseinkommen bedeutet Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, bedeutet berufliche Integration und bedeutet vor allem Selbstbestimmung“, ist Prettner überzeugt.
Berufliche Integration
„Als Initiatorin des Kärntner Landesetappenplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sind mir verbesserte und faire Arbeitschancen für Menschen mit Behinderung ein wichtiges Anliegen. Menschen mit Behinderung am allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren, ist eine der zentralen Aufgaben und Herausforderungen im Bereich der Chancengleichheit“, so Prettner. Tatsächlich sei die berufliche Integration ein Thema, das Österreich seit Jahren beschäftigt „und bedauerlicherweise nur schleppend weiterentwickelt wird. In Kärnten aber haben wir mutige und ja, visionäre, Schritte mit der damaligen Soziallandesrätin Gaby Schaunig gesetzt – sodass wir seit Jahren als Vorreiter in diesem Bereich gelten“, betonte LR.in Prettner.
Begleitung durch Assistenzen und Mentor:innen
Wie autArK-Geschäftsführer Andreas Jesse informierte, werden die aktuell 175 Beschäftigten von 23 persönlichen Assistenzen und 238 Mentor:innen begleitet. „Trotz diverser Skepsis im Hintergrund haben wir diesen neuen Weg zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung vor 20 Jahren mutig beschritten. Und wir haben ihn kontinuierlich weiterentwickelt“, so Jesse, der betonte: „Die Mühen haben sich gelohnt.“
Villach: Grenzenlose Vielfalt
Von Anfang an ohne Skepsis dabei war die Stadt Villach. „Das ChancenForum ist ein Vorzeigeprojekt wie Inklusion gelebt werden kann. Die Stadt Villach hat sich der grenzenlosen Vielfalt verschrieben. Diese Vielfalt ist auch beim ChancenForum zu sehen – es ist eine wichtige und großartige Einrichtung, damit Menschen mit Behinderung eine echte Chance am Arbeitsmarkt bekommen“, ist Vizebürgermeisterin Gerda Sandriesser überzeugt. Einer dieser Menschen ist Lukas Kaimer: Er war der erste, der vor 20 Jahren über das ChancenForum eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt gefunden hat. „Ich durfte in der Bibliothek von Alexandra Schmidt-Bearzi arbeiten. Das war wunderbar, wir haben sogar gemeinsam ein Buch ‚Lukas, der Bibliothekar‘ geschrieben“, so Kaimer. Sieben Jahre hat Lukas Kaimer danach in der Bibliothek in Landskron gearbeitet, jetzt ist er im Kindergarten Treffen als Beikoch beschäftigt. „Ich finde die Arbeit echt cool. Und ich bin stolz, dass ich das ChancenForum-Urgestein bin“, erklärte Kaimer.
Arbeitskräftemangel entgegenwirken
Beate Prettner appellierte einmal mehr an Unternehmen, für Menschen mit Behinderung offen zu sein: „Das ist kein Almosen, sondern Sie bekommen etwas dafür. Denn jeder Mensch hat seine Stärken.“ Immer mehr Arbeitsmarktexpert:innen würden mittlerweile auf diese wichtige „Ressource“ aufmerksam machen. Denn: Durch Beschäftigungsmodelle für Menschen mit Behinderung könne auch dem Arbeitskräftemangel entgegengewirkt werden.
Es befinden sich rund 28.000 Menschen mit Behinderung in Österreich in Tages- und Beschäftigungsstrukturen, wo sie statt eines regulären Gehalts lediglich ein Taschengeld bekommen.