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Bildung
03.04.2025

Menschen und Geschich­te(n): 1.000 Jahre Gemein­samkeit

Das Landes­museum Kärnten und das Grazer Museum für Geschichte beleuchten die Verbin­dungen der beiden Länder Kärnten und Steier­mark über die Jahr­hun­derte. Die Ausstel­lungen werden zeitgleich mit der Koralm­bahn eröffnet.

Menschen waren immer schon mobil. Sie wechselten ihren Wohnort der Arbeit oder der Liebe wegen, sie trieben Handel oder suchten Erholung. Dieser Geschichte und den vielen Geschichten dahinter sind Mitarbeiter:innen des kärnten.museums und des Grazer Museums für Geschichte über einen Zeitraum von 1.000 Jahren nachgegangen. Herausgekommen sind zwei Ausstellungen, die unter dem Titel „Aufbruch!“ Verknüpfungen und Gemeinsamkeiten der beiden Regionen in den Mittelpunkt rücken und zeitgleich mit der Inbetriebnahme der Koralmbahn am 12. Dezember eröffnet werden.

Es war eine gemeinsame Idee des Direktors des kärnten.museums, Wolfgang Muchitsch, und von Bettina Habsburg-Lothringen, der Leiterin der Abteilung Kulturgeschichte im Universalmuseum Joanneum. Diese Idee entstand schon, als Muchitsch noch Leiter des Universalmuseums Joanneum in Graz war. „Mit dem Wechsel nach Klagenfurt war die Umsetzung dann noch leichter“, erzählt Habsburg-Lothringen. Konzept und Gestaltung wurden gemeinsam erstellt. „Die Bahnstrecke ist ja nur ein kleiner Moment dieser besonderen Beziehung zwischen den beiden Ländern, die wir als große Region verstehen und denken. Wir bieten den kulturhistorischen Überbau über die vielen anderen Initiativen zu diesem Anlass und Thema“, erklärt Muchitsch.

„Wir stellten die Frage, warum sich Menschen auf den Weg gemacht haben, und began­nen mit der Motiv­forschung im Mittelalter.“

Bettina Habsburg-Lothringen, Leiterin der Abteilung Kultur­geschichte im Universal­museum Joanneum

© Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Suche nach Motiven

„Wir schauen auf den Raum, beginnen im Mittelalter und stellen die Frage: ,Warum haben sich Menschen auf den Weg gemacht?‘“ schildert Habsburg-Lothringen die Vorgangsweise. Die Antworten aus 1.000 Jahren wurden in Themenbereiche zusammengefasst: Das sind unter anderem die Bereiche Wallfahrten und Gesundheit, Recht und Verwaltung – die beiden Bundesländer waren unter den Habsburgern zeitweise ein Verwaltungsraum. Die Wirtschaft war von Beginn ein Motiv für Mobilität. Dabei stellte sich heraus, dass die Suche nach Arbeit dabei die größte Rolle spielte, sie war wesentlicher, als Handel zu treiben. Ein Gesindebuch aus Deutschlandsberg zum Beispiel enthüllt, dass die Hälfte der Arbeitenden in der steirischen Gemeinde aus Kärnten stammte.

Weitere Motive sind jüngeren Datums: Die Bildung – man geht zum Studium nach Graz – sowie Erholung und Freizeit. Auf große Dokumentationen zu den Migrationsströmen und deren Motive konnten die Kurator:innen nicht zurückgreifen. Für dieses alltägliche Thema bestand aus historischer Sicht offenbar wenig Interesse. So wurde erst einmal alles, was in den Beständen der beiden Museen vorhanden war, zusammengetragen. Der Rest war stöbern, suchen, fragen. Kooperationen mit regionalen Museen und das Filmprojekt „Steiermark privat“, für das von Filmamateur:innen das Leben und der Alltag in den steirischen Regionen dokumentiert wurden, steuerten Wissen bei.

Sperrige politische Geschichte wird durch Animation verständlich und schmackhaft gemacht. Die verschiedenen Wege zwischen den Ländern, und wie sie je nach Zeit und Stand der technischen Entwicklung überwunden wurden, sind ebenfalls Thema der Ausstellungen. Durch neue Verkehrsmittel änderten sich im Laufe der Jahrhunderte ihre Bedeutung und vor allem die Geschwindigkeiten. Einige davon werden als Atmosphärenraum filmisch umgesetzt.

„Die Bahnstrecke ist nur ein kleiner Moment dieser beson­deren Beziehung zwischen den beiden Ländern. Wir bieten den kultur­historischen Überbau dazu.“

Wolfgang Muchitsch, Direktor des kärnten.museums

© Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Emotionen und Schicksale

Es sind auch die vielen Geschichten, die diese Ausstellungen in den beiden Hauptstädten so interessant machen. „Es sollte so persönlich wie möglich sein“, sagt Muchitsch. „Wir wollen Geschichte lebendig machen, die historische Entwicklung anhand von Einzelbiographien schildern, bis in die Gegenwart, und auch einen Blick in die Zukunft werfen. Was bedeutet das für die Menschen, die Region?“ Beziehungsgeflechte, Zwischenmenschliches wurden zutage gefördert. In den einzelnen Geschichten stecken Emotionen und Schicksale. Viele Menschen brachen auch aus persönlichen Gründen auf und wechselten von einer Seite der Pack zur anderen. Das beweisen beispielsweise Heiratsanzeigen aus dem 15. Jahrhundert.

Bettina Habsburg-Lothringen und Wolfgang Muchitsch selbst tragen die Gemeinsamkeiten der beiden Länder in ihrer Biographie. Habsburg-Lothringen stammt aus der Kärntner Gemeinde St. Paul im Lavanttal, migrierte für Studium und Arbeit nach Graz. Muchitsch ist gebürtiger Grazer, der sich auch als solcher fühlt, hat einen Kärntner Vater, arbeitete viele Jahre lang in Graz und ließ sich nun der Arbeit und Aufgabe wegen in Kärnten nieder.  

Rahmen­programme

Rahmenprogramme für die Ausstellung sind in beiden Bundesländern in Planung und die Koralmbahn soll dabei gleich zum gegenseitigen Austausch beitragen. So ist beispielsweise in Kärnten ein Eröffnungsfest angedacht, zu dem auch steirische Gäste anreisen sollen. Tagesausflüge von Graz nach Klagenfurt sollen den steirischen Nachbarn die Möglichkeit bieten, sich die Kärntner Teilaspekte der gemeinsamen Geschichte und Geschichten in den verschiedenen Epochen anzuschauen. „Ferlach mit der Waffenerzeugung ist beispielsweise wichtig für uns“, erklärt Habsburg-Lothringen. Immerhin ist das Grazer Landeszeughaus, das zum Universalmuseum Joanneum gehört, die größte historische Waffensammlung der Welt.

Archäolo­gische Funde

Der Bau des Koralmtunnels war darüber hinaus eine Jahrhundertchance für die Archäologie. Der Schnitt durch die Landschaft förderte aus mehreren Epochen Funde zutage, die von den ÖBB geborgen wurden. Sie werden in einer kleinen Sonderschau im Atrium des kärnten.museums gezeigt und in einem gemeinsamen wissenschaftlichen Symposium behandelt.

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