Mit der Koralmbahn in eine neue Arbeitswelt
Wie schnell sich Arbeitsbedingungen verändern können, hat uns Covid-19 eindrücklich gezeigt. Was jahrelang vielfach nur diskutiert wurde, wie flexibles Arbeiten oder Homeoffice, war plötzlich notwendige Realität. Nach dem Ende der Pandemie hat sich das soziale Leben mittlerweile weitgehend normalisiert und auch in der Arbeitswelt hieß es bald wieder: zurück an den Schreibtisch – und zwar an den im Büro! Die Möglichkeit, zumindest zeitweise im Homeoffice zu arbeiten, besteht jedoch nach wie vor in vielen Firmen und wird auch gerne genutzt.
Remote arbeiten hat nicht nur Vorteile
Mitarbeiter:innen und Unternehmer:innen spüren allerdings gleichermaßen die negativen Seiten dieses distanzierten und damit oft einsamen Arbeitens. Studien belegen, dass das Fehlen der informellen Kommunikation einerseits das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen verringert, aber auch die Kreativität, Problemlösungsfähigkeit und Innovationskraft hemmt. Unabhängig davon sind auch nicht alle Jobs für eine Arbeit von zu Hause geeignet. Das führt zu einem Ungleichgewicht zwischen z.B. Produktion und Verwaltung und könnte Begehrlichkeiten wecken, vor allem dann, wenn für den Weg zur Arbeitsstätte ein beträchtlich höherer Zeitaufwand besteht als vom Schlafzimmer in das zum Büro umgewandelte Zimmer nebenan.
Für die Zukunft werden Firmen daher vermehrt hybride Arbeitsformen entwickeln müssen, um einerseits attraktiv für Arbeitnehmer:innen zu bleiben und andererseits die Negativeffekte von Homeoffice-Arbeit zu eliminieren. Im Wirtschaftsraum Südösterreich sind mit der Koralmbahn dafür bald die notwendigen infrastrukturellen Rahmenbedingungen geschaffen – und zwar früher als viele denken. Denn die Teilstrecke ins Lavanttal wird schon im Dezember 2023 eröffnet und die Fahrtzeit zwischen Wolfsberg und Klagenfurt damit auf 40 Minuten verkürzt.
Koralmbahn und Arbeitswelt
Mit dem Vollausbau ab 2026 verändert sich noch mehr, denn damit entsteht der – nach Wien – zweitgrößte Ballungsraum Österreichs mit rund 500.000 Beschäftigten und 32.000 Arbeitgeberbetrieben. Wie die Studie des Joanneum Research über die Auswirkungen der Koralmbahn auf den südösterreichischen Raum zeigt, erhöht eine gut geplante, getaktete und attraktive Infrastruktur die Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer:innen. Aus anderen Umfragen ist bekannt, dass es vor allem bei den über 40-jährigen durchaus eine große Bereitschaft gibt, den Job zu wechseln. Motiviert wird dies vor allem durch ein höheres Einkommen und die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz, aber auch durch die Möglichkeit flexibler und mobiler zu arbeiten. Die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zählt neben einem guten Betriebsklima mittlerweile zu den wichtigsten Gründen, sich an einem Arbeitsplatz wohlzufühlen und diesen auch dauerhaft behalten zu wollen.
Neue Ideen für attraktive Arbeitsplätze
Firmen im Wirtschaftsraum Südösterreich sind also gut beraten, sich schon jetzt Konzepte zu überlegen, die sie für Arbeitnehmer:innen attraktiv machen und gleichzeitig ihre eigene Marktposition stärken. Das gilt nicht nur für große Unternehmen in Industrie, Produktion oder IT und dem vielbeschworenen Fachkräftemangel in diesen Branchen, sondern gleichermaßen für kleinere Betriebe in Gastronomie, Hotellerie und Gesundheitswesen sowie die arbeitstechnischen Bereiche der Produktion. Quantitativ ist in diesen Berufsfeldern die Nachfrage noch immer am größten und es sind genau jene Tätigkeiten, für die man auf jeden Fall vor Ort sein muss.
Was einen Arbeitsplatz für Mitarbeiter:innen interessant macht, ist ganz unterschiedlich. So könnte für die zweitgenannte Gruppe eine Übernahme der Kosten für das Klimaticket eine relativ einfache und kostengünstige Möglichkeit für einen Bonus darstellen. Für die Gruppe jener, die von zu Hause arbeiten, wäre eine Anrechnung der Fahrtzeit als ‚Trainoffice‘ zur Arbeitszeit ein kreativer Gedanke. Das stellt vor allem bei längeren Strecken wie zwischen Klagenfurt und Graz einen Benefit für beide Seiten dar und ist auch technisch möglich, da die Züge modernst ausgestattet sein werden.
Universitäten rücken näher an Studierende
Ähnliche Überlegungen gelten im übrigen auch für die höheren Bildungseinrichtungen in Südösterreich. Schon jetzt haben angehende Studierende eine große Auswahl an Möglichkeiten. Oft ist der Besuch der Wunsch-Universität oder Fachhochschule jedoch mit einem teuren Umzug verbunden, den nicht alle Eltern stemmen können. Mit der Eröffnung der Koralmbahn wird es auch in diesem Bereich Verschiebungen geben, auf die sich die Einrichtungen schon jetzt vorbereiten sollten. Denn schließlich ist ein wichtiges Ziel des neuen Wirtschaftsraums, diesen auch als Lebensraum wieder attraktiv zu machen und junge Leute in der Region zu halten. Die vor allem für Kärnten dramatische Langzeitprognose der Abwanderung könnte dadurch zumindest abgemildert werden. Zusätzlich zu Hybrid-Unterricht, geblockten Lehrveranstaltungen u.ä. könnten gemeinsame strategische Überlegungen zu den Ausrichtungen der einzelnen Institute bzw. übergreifende Studienangebote Potenzial bringen, ohne dass die Universitäten und FH’s um Studierende buhlen müssen.
Der Schlüssel zum Erfolg
Voraussetzung für das Erreichen dieser Ziele wird neben dem Eingliedern der entlegeneren Regionen in Oberkärnten also vor allem ein gemeinsames Bemühen aller Beteiligten sein. Das betont auch Eric Kirschner, Mitautor der Studie des Joanneum Research, mit einem ganzheitlichen Blick auf die Situation: "Es ist zentral, dass man das direkte Einzugsgebiet mit Zukunftsthemen bespielt. Die Bundesländer, die Gemeinden und die Bezirke müssen zusammen ein gemeinsames Bild entwickeln. Das wichtigste ist eine langfristige strategische Vorgehensweise. Es werden alle gewinnen können. Es muss ein Miteinander sein und kein Gegeneinander."
Was für die politische Zusammenarbeit gilt, stimmt mindestens ebenso für die strukturelle Zusammenarbeit im Wirtschaftsraum, der sich so zum Lebens- und Bildungsraum Südösterreich entwickeln kann.