© 4ward Energy Research GmbH
Umwelt
17.11.2023

Mit KI zum optimalen Windkraft-Standort

Das Grazer Unternehmen „4ward Energy“ untersucht mittels Künstlicher Intelligenz, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Windkraft hat.

Aktuell werden rund zehn Prozent des österreichischen Stroms aus Windkraft produziert (Quelle: BMK). Das Interesse an einer professionalisierten Planung, Errichtung und Wartung von Windparks und Windturbinen steigt kontinuierlich. Die Ausstattung der Windparks mit moderner Sensorik sowie eine automatisierte Datenverarbeitung spielen dabei eine wichtige Rolle. Welchen Beitrag maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz (KI) leisten können, erklärt Johanna Ganglbauer im Interview mit advantage.

advantage: In welchem Kontext kommt KI im Bereich der Windkraft zum Einsatz?

Johanna Ganglbauer: Einerseits bei der Fehlererkennung und in der vorrausschauenden Wartung. Durch automatisierte Datenerfassung und Mustererkennung können kleine Abweichungen in der Leistungsbereitstellung der Windturbinen schnell erkannt und behoben werden. So erhöht sich die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Windparks. Hier kommt maschinelles Lernen zum Einsatz, um die Charakteristiken jeder einzelnen Turbine und jedes Standortes anhand vergangener Daten zu lernen und Abweichungen schnell und mit einer hohen Aussagekraft zu erkennen. Außerdem können mit Hilfe von maschinellem Lernen Vorhersagen darüber getroffen werden, wann bestimmte Komponenten einer Windturbine wahrscheinlich ausfallen werden. Andererseits auch in punkto Sensorik. Die Ausstattung von Windturbinen und Windparks mit allen notwendigen Messgeräten und Sensoren ist sehr teuer. KI kann eingesetzt werden, um die Informationen von anderen Messpunkten so gut zu kombinieren, dass einzelne Sensoren eingespart und Datenausfälle gut kompensiert werden können. Layoutoptimierung und Fallstudien sind ein weiterer Einsatzbereich: Viele grundlegende Entscheidungen bei der Errichtung von Windparks haben langfristige Auswirkungen. So gibt es Regionen mit hohem Windpotential und Regionen mit niedrigerem Windpotential. Vor allem „im Gebirge können sich die Windvoraussetzungen innerhalb weniger Meter ändern. Außerdem können sich Turbinen auch gegenseitig den „Wind aus den Segeln nehmen“, wenn sie ungünstig stehen. Je nach Wetterlage und Hauptwindrichtung muss hier die Lage der Turbinen zueinander genaustens untersucht werden, um ungünstige Effekte möglichst zu vermeiden. Hier kann KI zum Einsatz kommen, um viele verschiedene Möglichkeiten von Windparklayouts virtuell vorab durchzuspielen.

Windkraft fasziniert mich sehr, weil die Dimensionen und die Menge an erzeugter Energie so groß sind. Ich bin überzeugt, dass der Ausbau von Windparks viel zur Erreichung der Klimaziele beitragen wird.“

Johanna Ganglbauer

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Worum geht es beim Projekt „AI4Wind“?

„AI4wind“ ist ein gefördertes Forschungsprojekt, das im Juli 2022 startete und insgesamt drei Jahre dauert. In Kooperation mit der GeoSphere Austria (ehemals ZAMG), der Energie Steiermark, der WEB und der Burgenland Energie werden die Klimawandelauswirkungen auf die Windkraft in Österreich untersucht. Aktuell basiert die Planung und Layout­Optimierung von Windparks auf detaillierten Windmessungen aus der Vergangenheit. Änderungen in der Charakteristik von Wind aufgrund des Klimawandels werden noch nicht berücksichtigt, obwohl sich der Klimawandel natürlich auch auf das regionale Windpotential auswirken könnte, und sich damit auch die Eignung bestimmter Regionen für die Errichtung von Windparks verbessern oder verschlechtern würde.

Was bedeutet das konkret?

Natürlich kann niemand ganz genau sagen, wie sich der Klimawandel auf einzelne Regionen in Österreich auswirken wird, aber es gibt sogenannte globale Zirkulationsmodelle (englisch: global circulation model oder GCM) und regionale Klimamodelle (englisch: regional climate model oder RCM), die eine gute Abschätzung erlauben. So werden die Auswirkungen verschiedener CO2­Emissionsszenarien auf den Temperaturanstieg in unterschiedlichen Regionen Österreichs genauestens untersucht. Bezüglich des Windes gibt es bisher sehr wenige Studien und Informationen, auch weil es ein sehr volatiles und komplexes Phänomen ist. Während sich die Temperatur im Verlauf eines Tages nur langsam ändert, kann sich die Windgeschwindigkeit in einem Windstoß innerhalb kürzester Zeit verzehnfachen. Um auf diesem Themengebiet trotzdem voranzukommen und die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wind in Österreich zu untersuchen, kommen beim Projekt „AI4wind“ statistische Methoden und maschinelles Lernen zum Einsatz. Informationen aus der regionalen Windcharakteristik der Vergangenheit werden mit Ergebnissen aus den Klimamodellen verknüpft, um einen möglichst guten Einblick in die Auswirkungen des Klimawandels auf regionale Windcharakteristiken und Windkraftpotentiale zu erlangen. Um diese Erkenntnisse auch für Windkraftbetreiber nutzbar zu machen, werden Planungstools entwickelt, die die Auswirkungen des Klimawandels auf bestehende und zukünftige Windparks aufzeigen.

„Das Projekt ,AI4wind‘ ist ein kleiner Beitrag, um die Standorte von Windparks gut zu wählen und Windkraftbetreiber im Ausbau zu unterstützen.“

Johanna Ganglbauer

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Welche weiteren Projekte werden aktuell umgesetzt bzw. sind in Planung?

Aktuell läuft ein weiteres Forschungsprojekt „wind4future“, in dem die Klimawandelauswirkungen auf die Windkraft in Österreich im Kontext von verschiedenen Windkraftausbauszenarien untersucht werden. Als Unternehmen mit einem Schwerpunkt auf erneuerbare Energien und Energiesysteme interessieren wir uns insbesondere auch für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserkraft in Österreich. Auch die Anforderungen an Gebäude und Heizsysteme werden sich ändern. Mit höheren Durchschnittstemperaturen sinken die Anforderungen an Heizungssysteme im Winter, im Gegenzug werden Klimaanlagen und Kühlsysteme wichtiger. Im Bezug auf KI leiten wir auch ein Projekt names „AI4Grids“, indem es darum geht, die Rahmenbedingungen zu erheben, die notwendig sind, um Verteilnetzbetreiber dazu zu ermächtigen genügend Sensorik in die jeweiligen Netze zu implementieren, um in weiterer Folge durch die Anwendung von Prognosen und KI die Effizienz der Netze zu steigern und Verluste zu minimieren.

Das Team von „4ward Energy“ (von links): Martin Schloffer, Geschäftsführer Martina Heidenhofer, Projektleiterin Stefan Janisch, wissenschaftlicher Mitarbeiter Thomas Nacht, Prokurist. © 4ward Energy Research GmbH

WISSENSWERT

„4ward Energy Research GmbH“ ist eine 2010 gegründete Forschungseinrichtung mit Standort Graz. Johanna Ganglbauer hat Physik studiert und ist seit drei Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team rund um Alois Kraußler und Martin Schloffer tätig.

Unternehmensgegenstand:

Entwicklung von Technologien, Erarbeitung von Businessmodellen, Erstellung von Konzepten und Studien, Durchführung von Simulationen sowie Know-how Transfer in den Themenfeldern Energietechnologien und Energiewirtschaft.

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