Alvise Foscari-Widmann-Rezzonico, Christoph Steiner, Martin Straubinger (v. l.) © Plimon
Umwelt
03.05.2024

Nachhaltige Wald­bewirtschaftung im Fokus

Was die heimische Forstwirtschaft derzeit wohl am meisten beschäftigt, ist die europäische Einflussnahme auf die zukünftige Waldbewirtschaftung.

Österreich hat bereits eines der weltweit strengsten Forstgesetze, das im Wesentlichen ein Waldschutzgesetz ist. „Die österreichische Forstgesetzgebung war auch beispielgebend für viele andere Länder. Über den Green Deal greift die Europäische Union (EU) nun massiv in die zukünftigen Bewirtschaftungsvorschriften der heimischen Wälder ein“, betont Martin Straubinger, Foscari-Widmann-Rezzonico’sche Forstdirektion.

Wald als CO2-Speicher

Ziel ist es, dass Europa bis 2050 klimaneutral wird. Der Wald spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ein Festmeter Holz speichert – je nach Baumart – mehr als eine Tonne CO2. „Wenn man eine durchschnittliche Waldlage hernimmt, hat man einen Zuwachs von zehn Festmetern Holz im Durchschnitt pro Hektar pro Jahr. Das ist eine beachtliche Menge. Auf einem Hektar Wald können über zehn Tonnen CO2 jährlich in den Bäumen gespeichert und damit aus der Atmosphäre entzogen werden“, erklärt Straubinger.

Strenge Kriterien für Energieholz

Die von der EU erlassene, neue Richtline für Erneuerbare Energien (RED) betrifft insbesondere die Biomasse und bringt eine Bürokratiewelle mit sich. „Wenn wir forstliche Biomasse z. B. an die Kelag verkaufen, müssen wir das Holz nach den *SURE-Kriterien zertifizieren“, so Straubinger. Es muss eine lückenlose Dokumentation nachgewiesen werden, die über Audits überprüft wird – vom Ursprungsort des Holzes über die Transportwege bis hin zum Kunden (analog zum EU-Lieferkettengesetz in der Industrie). „Die Kriterien lassen jedoch sehr viel Spielraum in der Beurteilung. Allerdings, wenn gelieferte Biomassemengen bei einem Audit nicht anerkannt werden nach den SURE-Kriterien, dann hat diese Menge kein Zertifikat und es ist dafür pro Festmeter Holz eine Strafe von rund € 100,- zu zahlen. Das kann rasch teuer werden“, weiß Straubinger.

EU-Entwaldungs­verordnung

Ein weiteres Thema, mit dem die heimische Waldwirtschaft derzeit befasst ist, ist die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR). Diese soll ab 1.Jänner 2025 in Kraft treten. 420 Mio. Hektar Wald weltweit – eine Fläche größer als die EU – sind zwischen 1990 und 2020 verloren gegangen. Entwaldung und Waldschädigung sind wichtige Treiber von Klimawandel und Biodiversitätsverlust. „Die Geschäftspraktiken einiger Großkonzerne zwingen die gesamte Forstbranche in ein unglaubliches bürokratisches Regelwerk. Schuld ist das ausgesprochene Fehlverhalten von einigen wenigen globalen Playern, die im Holzgeschäft tätig sind“, so Straubinger. Für die Lieferkette Holz bedeutet dies, dass jeder Marktteilnehmer beginnend beim Waldbesitzer ab 30. Dezember 2024 für jedes Holz und Holzprodukt, das in Verkehr gebracht wird, eine Sorgfaltserklärung abgeben muss. Erst mit einer entsprechenden Referenznummer darf Holz geschlägert und verkauft werden. „Jeder Festmeter Holz, der ab 2025 keine Referenznummer hat, gilt in Europa dann als illegal geschlägertes Holz. Man schafft einen unglaublichen, zusätzlichen Bürokratismus, wo für uns als Betrieb und für die Waldbesitzer keine Sinnhaftigkeit erkennbar ist“, so Straubinger. Dabei ist der Zustand des Waldes mit aktuellen Satellitenfotos in höchster Auflösung jederzeit ersichtlich. Es gibt nahezu keine Branche, die derartig offen einsichtig ist wie ein Forstbetrieb. Jahrzehntelang hat die EU bei illegalen Schlägerungen, wie z. B. in Rumänien, sprichwörtlich zugeschaut und diese gefördert. „Mit fatalen Folgen auch für die heimische Forstwirtschaft: Billiges, weil gestohlenes Holz überschwemmte die Märkte. Heimische Waldbewirtschaftung wurde zunehmend unrentabel. Jetzt werden mit der EUDR alle über einen Kamm geschoren! Gleichen Unsinn erkennen wir bei der Renaturierungsverordnung“, betont Straubinger. Ziel ist die Wiederherstellung der Natur wie sie vor 70 Jahren vorhanden war: Kraftwerke sollen abgebaut, Auwaldflächen und Überflutungsgebiete zusätzlich geschaffen werden. „Gleichzeitig wird jedes neue Kraftwerksprojekt in noch unberührten Seitenbächen gefördert. Da weiß die rechte Hand der EU oft nicht was die Linke tut,“ so Straubinger.

„Mit den neuen EU-Vorgaben gibt es gravierende Regeländerungen für den laufenden Betrieb, es sind noch intensivere Dokumentationen notwendig.“

Christoph Steiner

Grüne Sparkasse wird zum Risiko

Der Klimawandel ist auch in der Forstwirtschaft allgegenwärtig und wird immer sichtbarer, wie etwa durch den Baumartenwandel in den Wäldern. „Die Tanne, aber auch gewisse Laubhölzer – wie Buche, Ahorn und in tieferen Lagen die Eiche – sind besonders zukunftsfähig. Das entscheidende ist die Mischung“, erklärt Straubinger, für den ein weiteres Faktum sehr bezeichnend ist: „Früher waren der alte Baum und der alte Waldbestand für viele Waldbesitzer die sprichwörtliche grüne Sparkasse, auf die man im Fall des Falles zurückgegriffen hat. Heute sind alte Bäume und alte Waldbestände zum Risiko geworden. Und dieses Risiko sind eben extreme Wetterereignisse und die Zunahme der Borkenkäfer.“

„Früher waren der alte Baum und der alte Waldbestand für viele Waldbesitzer die sprichwörtliche grüne Sparkasse. Heute sind alte Bäume und alte Waldbestände zum Risiko geworden.“

Martin Straubinger

Führungs­wechsel in Paternion

Kürzlich übergab Martin Straubinger die Leitung der Foscari-Widmann-Rezzonico’schen Forstdirektion in jüngere Hände. Christoph Steiner, der seit mehr als 20 Jahren im Forstbetrieb tätig ist und bereits für die Koordination der gesamten Holzernte zuständig war, übernahm die Funktion des Forstdirektors. „Mit den neuen EU-Vorgaben gibt es gravierende Regeländerungen für den laufenden Betrieb, es sind noch intensivere Dokumentationen notwendig. Prinzipiell ist das Potenzial des Betriebes groß. Wir haben einen mischbaumartenreichen Gebirgswald und sind daher nicht nur von einer Baumart abhängig. Das produzierte Rundholz ist am Markt u. a. wegen seiner Qualität und unserer Liefer- und Termintreue sehr gefragt“, bekräftigt Steiner. Foscari ist einer der bedeutendsten forstwirtschaftlichen Besitze Österreichs. Die Aktivitäten der Forstdirektion umfassen ein weit reichendes Gebiet, das sich vom östlichen Randbezirk von Villach bis knapp zu den Ufern des Weißensees erstreckt.

Der Name Foscari steht seit Generationen für beste Qualität und sorgfältige Verarbeitung von Holz. © Foscari

WISSENSWERT

Das SUSTAINABLE RESOURCES Verification Scheme (SURE) stellt ein Zertifizierungssystem zur Verfügung, um die Einhaltung der geforderten Nachhaltigkeitskriterien der EU für die Erzeugung von Strom und Wärme aus Biomasse nachweisen zu können. Ab einer Größe von 20 MW Brennstoffwärmeleistung müssen Anlagenbetreiber, die Biomasse einsetzen, nachweisen, dass das eingeetzte Holz aus nachhaltiger Produktion stammt. Mit der Einführung der RED III (ab 1.1. 2025) wird die Größenschwelle für die Nachweispflicht von 20 auf 7,5 MW gesenkt und zahlreiche neue Kriterien implementiert.

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