© Gernot Gleiss
Wirtschaft
24.10.2022

„Ohne Unterstützung wird es nicht gehen“

Die Energiepreise sind in der Industrie das dominierende Thema. Michael Velmeden, Obmann der Sparte Industrie, fordert im Interview eine langfristige Energiestrategie.

Interview mit Michael Velmeden, dem Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Kärnten und CEO der cms electronics in Klagenfurt

Die Industrie ist Kärntens wichtigster Wirtschaftszweig, sie erzielt 37 Prozent der Bruttowertschöpfung des Landes, gefolgt vom Gewerbe und Handwerk mit rund 26 Prozent. Die Kärntner Industrie ist von Klein- und Mittelbetrieben dominiert, 81 Prozent haben weniger als 100 Beschäftigte, rund 11 Prozent beschäftigen zwischen 100 und 250 Arbeitnehmer.

Was bedeutet die Erhöhung der Energiepreise für die Industrie?

Velmeden: Das ist schlichtweg eine Katastrophe. Energieintensive Unternehmen, das sind vor allem die chemische und die Baustoff-Industrie, hier in erster Linie die Zementerzeugung, stehen bereits mit dem Rücken zur Wand. In unserem Unternehmen beispielsweise hat sich der Strompreis versechsfacht. Das hat fatale Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und – Kärnten hat eine Exportquote von 86 Prozent – auf die Leistungsbilanz.

Wo sehen Sie die Ursachen für die aktuellen Probleme?

Die Störgrößen sind der Krieg in der Ukraine, die Umstellung auf CO2-freie Stromerzeugung und Versäumnisse in der Vergangenheit. Wir fordern seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten einen Energiemasterplan. Und bekommen als Antwort: „Wir haben ihn nicht“.

Was sollte dieser Masterplan enthalten?

Zwei Themen sollten schwerpunktmäßig erfasst sein: die Erzeugung und die Netzsicherheit. Im Bereich Erzeugung brauchen wir Ziele im Hinblick darauf, wie sich die Stromerzeugung mit volatilen Systemen wie Sonne und Wind ändert, was auch andere Einspeisungen erfordert. Und wir brauchen ein stabiles Netz, um die Versorgung sicherzustellen. Seit mehr als 20 Jahren weisen Vertreter der Industrie mantraartig darauf hin. Gäbe es die vor rund einem Jahr in Villach eröffnete 110-KV-Leitung Netzabstützung nicht, wäre die Stromversorgung im Großraum Villach und damit der Wirtschaftsstandort nicht mehr sicher.

Welche Maßnahmen bedarf es zur Sicherheit der Stromerzeugung?

Wir müssen technologieoffen sein und brauchen einen klaren Plan dafür, wie die Energieerzeugung auf alternative Methoden zu transferieren ist. Und wir brauchen den Energiemix, auch das haben wir bereits mehrfach gefordert, geschehen ist nichts. Auch stimmen Zeit und Planung nicht mit der Realität überein. Die Genehmigungsverfahren dauern zu lang. Gleichzeitig wird die Elektromobilität forciert, was den Stromverbrauch weiter anheben wird. Auch dafür gibt es keine Antworten und keinen Plan. Weiters muss verstärkt in den Bereichen Wasserstoff und Kernfusion geforscht werden.

Stichwort Energiemix: Brauchen wir die Kernkraft?

Ich habe auch Probleme mit neuen Kernkraftwerken, vieles im Hinblick auf die Entsorgung ist nicht gelöst. Österreich hat keine Kernkraftwerke, aber wenn ich nach Deutschland schaue und dort in einer der größten Energiekrisen bestehende Kernkraftwerke abgeschaltet werden sollen, dann frage ich mich: „Was denken sie sich dabei?“

Können Einsparungen und Maßnahmen bezüglich Energieeffizienz einiges abfedern?

Energiesparen wurde nicht von den Grünen erfunden. Unsere Unternehmen arbeiten kontinuierlich daran, schon allein aus ökonomischen Gründen. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist sehr viel in Energieeffizienz und Energiesparen investiert worden. Aber Ökologie geht nicht ohne Ökonomie, sonst zerreißt es die Gesellschaft.

Es ist da und dort bereits von einer „Deindustrialisierung“ Europas die Rede. Wie sehen Sie das?

Ich fürchte, das könnte kommen, wenn wir nicht massiv dagegensteuern. Der Druck ist immens hoch, es gibt bereits erste Insolvenzen. Und aufgrund der Abhängigkeiten vom Grundstoffbereich werden Branchen abwandern. Wir müssen ein waches Auge auf die Versorgungsketten haben. Es nützt nichts, wenn wir eine hochwertige Chipproduktion haben, aber die grundsätzlichen Dinge fehlen, wie zum Beispiel ausreichend Laminatoren und elektronisches Kupfer, um ein Beispiel zu nennen.

Die Forderungen beziehen sich auf eine langfristige Sicherheit der Energieversorgung. Was sollte kurzfristig geschehen?

Kurzfristig wird es ohne finanzielle Unterstützung nicht gehen, nicht nur für die Haushalte, auch für die Unternehmen. Wir stehen schon länger unter Preisdruck. Vor der Pandemie hatten wir nahezu just-in-time Lieferungen. Aber durch die Lockdowns waren und sind die Lieferketten zum Teil noch immer unterbrochen, die Materialpreise sind dadurch in den vergangenen zwei Jahren massiv gestiegen. Wir konnten schon diese Preiserhöhungen nicht an den Kunden weitergeben. Unser Dilemma ist, dass wir trotz guter Auftragslage unsere Ziele nicht erreichen werden, weil die Profitlage eben nicht gut ist. Es müssen rasch Maßnahmen getroffen werden mit strukturellen Anpassungen und Preisbildungssmechanismen für Strom und Gas, wie von IV und WKO gefordert, um am Markt zu vernünftigen Preisen zu kommen.

cms electronics

Weitere Standorte von cms electronics befinden sich in Ungarn und Deutschland. Das Unternehmen bietet Elektronik-Lösungen für Industriebetriebe unter anderem im Bereich Automotive, Energie und Medizin an.

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