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Umwelt
26.08.2025

Omnibus & Büro­kratie­abbau: Europa auf Korrek­tur­kurs

Die Europäische Union plant weit­rei­chende Verein­fachun­gen in punkto Nach­haltig­keits­bericht­erstattung (CSRD), Liefer­ketten-Richt­linie (CSDDD) und Taxonomie.

Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2029 den Bürokratieaufwand für alle Unternehmen um mindestens 25 % und für KMU um mindestens 35 % zu reduzieren. Das soll zu konkreten Bürokratieeinsparungen für Unternehmen in der Höhe von 37,5 Mrd. Euro europaweit führen. advantage hat in der Abteilung Europapolitik der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) nachgefragt, wie sich die geplanten Maßnahmen auf die heimischen Unternehmen auswirken werden.

advantage: Welche Bereiche sind betroffen?

Marlene Lales: Unter dem Schlagwort „Simpler and Faster Europe“ verfolgt die EU­Kommission eine breite „Vereinfachungsagenda“. Das heißt, jeder EU-Kommissar ist in seinem jeweiligen Politikbereich angehalten, bestehende Regeln einem Stress-Test zu unterziehen, in einen verstärkten Dialog mit Stakeholdern einzutreten und konkrete Vereinfachungsvorschläge im EU-Recht vorzuschlagen. Parallel hat die EU-Kommission sogenannte Omnibus-Pakete vorgelegt, mittels derer in einem Verfahren mehrere Rechtsakte gleichzeitig geändert und vereinfacht werden sollen.

  • Omnibus I zu Nachhaltigkeit (davon umfasst sind die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und EU-Taxonomie, die Lieferketten-Richtlinie und der CO2-Grenzausgleichsmechanismus)
  • Omnibus II zu EU-Investitionsprogrammen
  • Omnibus III zur gemeinsamen Agrarpolitik
  • Omnibus IV zu Small Mid-Caps und zur Digitalisierung in der Produktgesetzgebung
  • Omnibus V im Verteidigungsbereich
  • Omnibus VI im Chemikalienbereich

Weitere Omnibus-Pakete werden voraussichtlich im Umweltbereich sowie im Digitalisierungsbereich bis zum Ende des Jahres erwartet.

„Die Omnibusse seitens der EU-Kommission sind gestartet. Jetzt braucht es gemeinsame Anstrengungen von EU-Parlament und Rat sowie den Mitgliedstaaten, um diese ans Bürokratieabbauziel zu bringen.“

Marlene Lales, Abt. Europapolitik, WKÖ

© WKÖ

Wie soll das umgesetzt werden und mit welchem Zeithorizont ist zu rechnen?

Mit den Omnibus-Vorschlägen sollen bürokratische Hürden abgebaut werden – u. a. durch erleichterte Berichtsstandards, weniger berichtspflichtige Unternehmen, Beschränkung der Sorgfaltspflichten auf direkte Geschäftspartner, weniger häufige Berichtspflichten, Begrenzung der Informationsanforderungen an KMU, Erleichterung durch digitale Formate und Tools in der Berichtserstattung. Wichtig ist festzuhalten, dass es sich bei den bisher vorliegenden Omnibus-Vereinfachungen um Vorschläge der EUKommission handelt. Diese werden derzeit vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten im Rat diskutiert, geprüft und können auch noch abgeändert werden.

Trotz hohem Verhandlungstempo und dem allgemeinen Bekenntnis zur Wichtigkeit von Bürokratieabbau ist frühestens im vierten Quartal 2025 mit einem inhaltlichen Beschluss zum ersten Omnibus zu Nachhaltigkeit zu rechnen. Mit einer Ausnahme: die zeitliche Verschiebung der Anwendung im Hinblick auf CSRD und CSDDD – der sogenannte „Stop­the­Clock“­ Vorschlag – wurde bereits beschlossen:

  • CSRD: Demzufolge verschiebt sich die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung für große Unternehmen, die noch nicht mit der Berichterstattung begonnen haben, und für börsennotierte KMU um zwei Jahre. Erstere müssen im Jahr 2028 erstmals über das Berichtsjahr 2027, börsennotierte KMU im Jahr 2029 erstmals über das Berichtsjahr 2028 einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß CSRD-Vorgaben veröffentlichen.
  • CSDDD: Die EU-­Mitgliedstaaten haben bis zum 26. Juli 2027 Zeit, die CSDDD in nationales Recht umzusetzen; betroffene Unternehmen müssen die CSDDD ab Juli 2028 anwenden; Leitlinien der EU­Kommission werden bis Juli 2026 herausgegeben. Mit anderen Worten, die Omnibusse seitens der EU-Kommission sind gestartet, und jetzt braucht es gemeinsame Anstrengungen von EU-Parlament und Rat/Mitgliedstaaten, um diese auch tatsächlich ans Bürokratieabbauziel zu bringen bzw. zu vermeiden, dass sie von nationalen Regelungen – Stichwort: Gold Plating – wieder gebremst werden.

Welche Unternehmen sind betroffen?

99 % der Unternehmen in der EU sind Klein- und Kleinstbetriebe (KMU) mit weniger als 50 Mitarbeitenden. Generell sind KMU überproportional vom Bürokratieaufwand betroffen. Sie haben klarerweise keine Rechts- und Compliance-Abteilungen, um ausufernde Berichtspflichten zu erfüllen. Laut einer Umfrage des Market Instituts vom Frühjahr 2024 muss ein österreichisches KMU im Durchschnitt fast 20 Stunden pro Woche für Bürokratie aufwenden, rund zwei Drittel der KMU fühlen sich durch Bürokratie stark belastet. Hinzu kommt, dass in einigen Bereichen KMU zwar keinen direkten Verpflichtungen unterliegen – wie bspw. in der CSDDD – dennoch können sie indirekt betroffen sein, wenn große Unternehmen entlang der Lieferkette Informationen anfordern, um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Diesem sogenannten „Trickle-Down-Effekt“ möchte die EU-Kommission mit dem ersten Omnibus-Paket entgegenwirken und hier die Informationsanforderungen an KMU beschränken.

„Die österreichische Wirtschaft bekennt sich zu nachhaltigem und verantwortungsvollem Wirtschaften, jedoch müssen die Ziele auf eine praxistauglichere und weniger belastende Weise erreicht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen zu stärken.“

Marlene Lales, Abt. Europapolitik, WKÖ

Welche Effekte sind zu erwarten?

Durch die Omnibus-Vorschläge erwarten wir einerseits konkrete Erleichterungen für Unternehmen durch vereinfachte Berichtspflichten und eine pragmatische, praxisnahe Umsetzung von bestehenden EU-Vorschriften. Auch hoffen wir, dass das Momentum auf EU-Ebene für Vereinfachungen anhält und die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament möglichst bald zu einer Einigung zu den einzelnen Omnibus-Paketen kommen. Denn Unternehmen benötigen rasch Planungs- und Rechtssicherheit, damit sie sich frühzeitig auf die jeweilige Rechtslage einstellen können.

Aus Sicht der heimischen Wirtschaft ist zudem die Verschiebung des Anwendungsbeginns von CSRD und CSDDD ein wichtiger Zeitgewinn. Dieser muss dafür genutzt werden, auch inhaltliche Vereinfachungen zu erzielen. Zusätzlich müssen weitere EU-Rechtsakte des Green Deals – wie z. B. die EU-Entwaldungsverordnung oder die Ökodesign-Verordnung – überprüft und angepasst werden, um Mehrfachbelastungen zu reduzieren und substanziell zu ver­einfachen. Bürokratieabbau wäre darüber hinaus ein sofort wirksamer, nachhaltiger Booster für die Konjunktur – und kostet nichts. Laut einer Studie von EcoAustria würde jeder Euro, den Unternehmen weniger für Informations- und Erfüllungspflichten aufwenden müssen, das BIP mittel- bis langfristig in Österreich um 1,62 Euro erhöhen.

Welche Auswirkungen hat diese Kurskorrektur auf die Erreichung der Klimaziele?

Es geht bei den Omnibus-Vorschlägen nicht um Deregulierung, sondern darum, bestehende politische Ziele auf möglichst effiziente und intelligente Weise zu erreichen, ohne Unternehmen mit überschießender Regulierung zu belasten. Die österreichische Wirtschaft bekennt sich zu nachhaltigem und verantwortungsvollem Wirtschaften, jedoch müssen die Ziele auf eine praxistauglichere und weniger belastende Weise erreicht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen zu stärken.

Wie die EU-Kommission betont, stehen die politischen Ziele des Europäischen Green Deals nicht zur Diskussion, sehr wohl aber der Weg dorthin. Wir brauchen dafür mehr Flexibilität, mehr Pragmatismus und weniger starre, überbordende Regulierungen, damit der Wandel auch für alle Unternehmen und insbesondere KMU tatsächlich machbar ist und wir damit auch Wachstum, Wohlstand und Innovation fördern und zu unseren internationalen Mitbewerbern wieder aufschließen können.

WISSENSWERT

Gesetzliche Vorgaben für nachhaltiges Wirtschaften:

www.wko.at/nachhaltigkeit/gesetzliche-vorgaben-nachhaltiges-wirtschaften

  • CSRD = Corporate Sustainability Reporting Directive = EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen
  • CSDDD = Corporate Sustainability Due Diligence Directive = „EU-Lieferkettengesetz“
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