Rund 24 Millionen Euro des AMS-Budgets fließen allein 2021 in die Gruppe „50 plus“. – Foto: Fotostudio B&G
Wirtschaft
25.06.2021

Peter Wedenig: „Alter hat auf dem Arbeitsmarkt Zukunft!“

AMS-Chef Peter Wedenig über die Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt: Sie haben jedenfalls Zukunft. Das Zauberwort lautet Qualifizierung!

Der Arbeitsmarkt erholt sich langsam wieder. Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen im Mai ist wieder annähernd so hoch wie vor der Krise. Doch nach wie vor gelten 7.265 Ältere über 50 Jahre als arbeitslos und auch die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu.

Das Thema ältere Arbeitnehmer (50 plus) beschäftigt das Arbeitsmarktservice (AMS) Kärnten nicht erst seit der Corona-Krise. AMS-Chef Peter Wedenig dazu im Interview.

advantage: Wie sieht derzeit die Situation am Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer aus?

Peter Wedenig: Die Erholung des Arbeitsmarktes von der Corona-Krise ist derzeit bemerkbar, geht aber bei Jüngeren schneller vonstatten als bei Älteren. Denn der Arbeitsmarkt verändert sich und dieses Thema hatten wir schon vor der Krise. Es vollzieht sich ein Strukturwandel in der Wirtschaft, neue Branchen sind entstanden, es herrschen geänderte Arbeitsabläufe. Und das alles wirkt sich auf geforderte Qualifikationen der Arbeitnehmer aus. Sehr viele ältere Arbeitnehmer haben zwar eine Lehre abgeschlossen, doch dieser Abschluss ist lange her. Und wenn man sich im Betrieb nicht viel weiterentwickeln konnte, hat man denselben Qualifikationsstand von damals. Viele ältere Arbeitnehmer weisen lange Dienstzeiten vor und teilweise ist ihre Qualifikation veraltet.

Andererseits zeigt die Demografie ganz stark in eine Richtung, in der Alter definitiv Zukunft hat! Denn es kommt auf dem Arbeitsmarkt wenig Jugend nach – durch geburtenschwache Jahrgänge – und auch das Arbeitskräfte-Potential aus dem Ausland wird weniger, der Hype nach der EU-Ost-Öffnung ist vorbei. Darauf müssen sich die Betriebe einstellen. Ältere zu entlassen, um Jüngere einzustellen – das funktioniert so nicht mehr.

Langzeitarbeitslose sind meist ältere Arbeitnehmer…

Ja, davon sind fast die Hälfte älter. Ältere Arbeitnehmer werden zwar meist nicht gleich zuerst gekündigt, doch wenn es passiert, dann bleiben sie im Schnitt länger arbeitslos. Diese Lücke müssen wir schließen.

Wie?

Durch Qualifizierung und Beschäftigungsprojekte. Wir müssen langfristig in Qualifizierung investieren, dazu gibt es keine Alternative.

Wie viel Mittel stehen heuer für ältere Arbeitslose bereit und wohin fließen diese?

Wir geben fast 27 Prozent unseres Budgets – das sind rund 24 Millionen Euro – für die Gruppe „50 plus“ aus. Etwa 30 Prozent davon sind reine Lohnkosten-Förderungen und der Rest fließt in Beschäftigungsprojekte und -förderungen, Stiftungen etc. Es gibt etwa viele Eingliederungsbeihilfen für Betriebe, um die Integration älterer Arbeitnehmer zu fördern. Weiters bieten wir Beratung für Unternehmen an, zum Beispiel die Qualifizierungsberatung. Hierbei unterstützen wir Betriebe dabei, bestehendes Personal durch Verbesserungen in der Personalentwicklung zu halten – also der präventive Ansatz. Es geht darum, sich zu überlegen, wie man seine betrieblichen Abläufe optimieren kann, um Mitarbeiter zu halten – und um sie auch motiviert und gesund zu halten.

Es gibt die Qualifizierungsförderung für Beschäftigte, weiters das Fachkräfte-Stipendium, um das Grundeinkommen während einer Umschulung zu sichern. Dann bieten wir Pilotprogramme wie das Karriere-Guiding in Villach (mehr dazu auf Seite 38). Mit dem neuen Förderradar (www.förderradar.at) können sich Unternehmen, Beschäftigte und Arbeitssuchende über aktuelle Förderangebote für die Generation 50 plus online informieren.

Auch die Corona-Joboffensive des Bundes ist eine große Qualifizierungsschiene, ein großer Vorteil für uns als AMS.

Peter Wedenig

"Service- und Kundenorientierung sind Stärkefelder für Ältere. Durch Erleichterungen durch technische Entwicklungen ist so vieles möglich."

Warum Vorteil?

Da unser Budget immer nur für ein Jahr fixiert werden kann, ist es schwierig, längerfristige Ausbildungen zu gewährleisten. Durch die Corona-Joboffensive des Bundes konnten wir bei den Ausbildungen über zwei Jahre planen. Wenn wir das Potential der älteren Arbeitnehmer heben wollen, müssen wir auch in längerfristige Qualifizierungen investieren können. Nur so kommen diese Personen nachhaltig unter. Mein Appell an die Regierung: in Zukunft zumindest mittelfristig zu denken!

Nicht zu vergessen: Sehr erfolgreich ist unsere Implacement-Stiftung. Betriebe melden uns eine Stelle, die wir zu diesem Zeitpunkt nicht besetzen können. Aber es gibt jemanden mit guten Grundvoraussetzungen. Dann wird ein Ausbildungsvertrag zwischen dem Betrieb und der Person abgeschlossen – samt Ausbildungsplan. Der Betrieb finanziert den Stiftungsbeitrag und am Ende der Ausbildung wird das Dienstverhältnis übernommen.

Gibt es Branchen, in denen sich ältere Arbeitnehmer besonders schwer tun?

Natürlich ist es in Berufen mit schwerer körperlicher Arbeit – wie auf dem Bau oder in der Montage – schwieriger. Aber es gibt zunehmend auch in diesen Bereichen mehr Möglichkeiten, Mitarbeiter anders einzusetzen, etwa im Controlling, in der Planung. Und genau da kann ich auch den reichen Erfahrungsschatz älterer Arbeitnehmer nutzen. Ein Beispiel: Den klassischen Lageristen gibt es nicht mehr. Ein- und Auslagerung werden immer mehr von Computer gesteuert, man braucht also Anwender. Und die können auch älter sein. Denkt man an die Gastronomie, ist diese Branche sicher kritischer zu betrachten. Und wir müssen auch die Konsumenten in die Pflicht nehmen. Unser Bild von einem Jungen beim Servieren oder hinter der Theke müssen wir ändern! Offiziell gibt es ja keine Altersdiskriminierung, aber es passiert versteckt!

Gibt es auf der anderen Seite Zukunftsbranchen für Ältere?

Service- und Kundenorientierung sind Stärkefelder für Ältere. Durch Erleichterungen durch technische Entwicklungen ist so vieles möglich. Ein Beispiel: Fleischmann & Petschnig ist eine Dachdecker-Firma in Klagenfurt, die heute auch im Bereich der Sensor-Technik arbeitet. Sensoren in Dächern zeigen Probleme an, so wird die Lebensdauer von Dächern verlängert. Da werden nicht Mitarbeiter gesucht, die aufs Dach steigen, sondern welche, die Systeme warten. Berufsbilder entwickeln sich weiter. Es kommen Dienstleistungen hinzu, die es vorher nicht gab. Es gibt genügend solcher Beispiele.

Was sind die Hauptgründe, warum Firmen oft keine älteren Arbeitnehmer einstellen wollen?

Das sind klassische Vorurteile: öfter krank, weniger innovativ, weniger lernbereit. Genügend Studien widerlegen dies. Dafür haben Ältere eine ganz andere Erfahrung, sie sind auch loyaler. Auch dass die Entlohnung höher sein muss, trifft in der Realität nicht unbedingt zu. Mein Appell an Personalverantwortliche ist, umzudenken! Wir müssen sie überzeugen, dass Alter Zukunft hat und ein wertvolles Potential darstellt. Größere Betriebe und vor allem Industrie-Unternehmen beschäftigen sich zum Glück schon akribisch mit dem Thema. Und auch wir im AMS betreiben Generationen-Management. 2023/24 gibt es auch bei uns eine Pensionierungswelle. Ich muss mir jetzt schon überlegen, wie ich damit umgehe. Ein Lösungsansatz ist, zu versuchen, Mitarbeiter doch länger zu halten – durch Altersteilzeit-Modelle. Diese werden stark in Anspruch genommen.

Die Jobsuche gestaltet sich für Ältere oft sehr frustrierend. Müsste es auch mehr psychologische Angebote geben?

Natürlich stellt sich Frustration ein, wenn man auf 100 Bewerbung oft nicht mal eine Antwort erhält. Man fühlt sich wertlos, nutzlos. Da braucht es psychologische Angebote! Motivation ist auch ein integraler Bestandteil der AMS-Kurse. Der psychologische Unterbau ist extrem wichtig! Mein Appell an die Firmen: Bitte geben Sie zumindest eine Rückmeldung auf eine Bewerbung!

Gibt es Projekte für ältere Arbeitnehmer, die derzeit in Planung sind?

Ab dem Sommer wollen wir mit einer Jobbörse für Ältere in Kooperation mit sieben größeren Betrieben im Bezirk St. Veit starten. Ältere Arbeitnehmer werden zwei Monate lang über einen Leasingträger im Betrieb angestellt und erhalten im Unternehmen einen Coach, der den Integrationsprozess begleitet. Das ist wesentlich, denn oft enden Dienstverhältnisse zu früh, weil man sich nicht die Zeit nimmt, über Probleme zu sprechen. Daher müssen wir den Onboarding-Prozess für Ältere verbessern! Nach den zwei Monaten sollte man von beiden Seiten wissen, ob das Dienstverhältnis Zukunft hat. Damit nimmt man den Druck heraus. Am Ende sollte der Teilnehmer dann übernommen werden.

Ihre Prognose für den Arbeitsmarkt und die Chancen für Ältere?

Bis 2025 soll die Zahl der Beschäftigten wieder steigen. Ich sehe also mittelfristig gute Chancen für Ältere. Alter hat Zukunft!

Rund 24 Millionen Euro des AMS-Budgets fließen allein 2021 in die Gruppe „50 plus“. – Foto: Fotostudio B&G
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