„Wir müssen für Unternehmen mehr Anreize setzen, Lehrlinge auszubilden."
PRO-GE und AK Kärnten fordern Strategie für Wirtschaftsstandort
Die wirtschaftliche Lage in ganz Österreich ist angespannt, und mit den Herausforderungen der Digitalisierung und Ökologisierung stehen dem heimischen Wirtschaftsstandort weitere Veränderungen bevor. Doch welche Maßnahmen sind erforderlich, um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern? Das Wirtschaftsforschungsinstitut Economica hat dazu eine Studie erstellt, deren Ergebnisse kürzlich von der Arbeiterkammer Kärnten und der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) vorgestellt wurden.
Öffentliche Investitionen
Im Bereich der Energieinfrastruktur stellte die Economica-Studie einen immensen Aufholbedarf fest. So gibt es allein im Energiesektor einen Investitionsrückstau von 30 bis 40 Milliarden Euro. „Kluge staatliche Investitionen haben einen doppelten Effekt: Einmal als kurzfristiger Impuls für Konjunktur und Beschäftigung und langfristig profitieren die Unternehmen von einer besseren Ausstattung“, sagt Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der PRO-GE.
Aus- und Weiterbildung
Die Economica-Studie betont, dass Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften entscheidend für den österreichischen Wirtschaftsstandort sind. Ohne Fachkräfte, etwa in der Elektro- und Gebäudetechnik, kann die digitale und ökologische Transformation nicht gelingen.
Lehrbetriebe fördern
Die Zahl der Lehrbetriebe sinkt stetig und befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Laut einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft verringert sich der Anteil an Lehrlingen in kleinen Betrieben (2013: 18,3%, 2023: 13,8%), während er in großen Betrieben zunimmt (2013: 33,7%, 2023: 40,2%). PRO-GE und AK Kärnten fordern daher eine Neuausrichtung der Finanzierungsmodelle durch die nächste Bundesregierung.
„Wir müssen für Unternehmen mehr Anreize setzen, Lehrlinge auszubilden. Darum sollen jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie es könnten, in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann die Betriebe gefördert, die Lehrlinge ausbilden“, sagt Günther Goach, Präsident der Arbeiterkammer Kärnten.
Weiterbildung fördern
Es braucht mehr Weiterbildungsmöglichkeiten während bestehender Arbeitsverhältnisse. „Im Metall- und Elektroniksektor haben wir als Sozialpartner bereits eine Qualifizierungsoffensive vereinbart. In den nächsten Jahren können mehrere tausend angelernte Arbeitnehmer:innen eine Fachausbildung nachholen“, erklärt Binder.
Kurzarbeit ermöglichen
PRO-GE und AK fordern, zur Stärkung des Industriestandorts Kurzarbeit für Industriebetriebe wieder zu ermöglichen, besonders in Kombination mit Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmer:innen.
„Noch mehr Unsicherheit ist in der jetzigen Situation sehr gefährlich, wir brauchen Stabilität für die Beschäftigten und für die Betriebe“, sagt Goach, der kein Verständnis dafür hat, dass „ein bewährtes arbeitsmarktpolitisches Instrument“ derzeit nicht zur Verfügung steht.
„Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass Industriearbeitsplätze erhalten werden und die Betriebe ihre Fachkräfte halten können“
Reinhold Binder verweist auf das Beispiel Liebherr in Osttirol. „Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass Industriearbeitsplätze erhalten werden und die Betriebe ihre Fachkräfte halten können“, so Binder. Es gilt, auf regionale Unterschiede Bedacht zu nehmen, auch um einzelne Regionen vor Abwanderung zu schützen.
Unrealistische Forderungen
Binder und Goach kritisieren das Fehlen einer umfassenden industriepolitischen Strategie. „Es braucht einen Schulterschluss auf allen Ebenen – Bund, Länder und Sozialpartner“, betonen sie. Von Forderungen nach einer Senkung der Körperschaftsteuer oder der Arbeitgeberbeiträge, wie sie im Wahlkampf oft thematisiert werden, halten sie wenig. „Die Behauptung, dass eine Senkung der Lohnnebenkosten zu mehr Wachstum und Wertschöpfung führt oder den Beschäftigten mehr Netto vom Brutto bleibt, ist schlichtweg falsch. Im Gegenteil: Letztlich werden die Arbeitnehmer:innen die Konsequenzen tragen – etwa durch eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters, höhere Selbstbehalte oder gekürzte Familienleistungen“, warnen Binder und Goach.