Rektorin Marlies Krainz-Dürr © PHK/fotofurgler
Bildung
18.01.2022

„Roboter können LehrerInnen nicht ersetzen“

Menschen zu Kritikfähigkeit und selbstständigem Denken zu erziehen, sieht die Rektorin der Pädagogischen Hochschule Kärnten. Interview mit Prof. Dr. Marlies Krainz-Dürr.

Welchen Stellenwert hat der Begriff Nachhaltigkeit in der Bildung?

Prof. Krainz-Dürr: Nachhaltigkeit hat im Zusammenhang mit Bildung große Bedeutung. Sie besagt, dass ich den Menschen fundiertes Grundwissen in vielen Bereichen vermittle, um sie damit in die zu Lage versetzen, Sachverhalte selbstständig beurteilen zu können. Da geht es nicht um lexikales Wissen für Quizshows.
Ein häufiges Argument lautet: Wozu lernen? Man findet eh alles im Internet. Im Internet findet man lediglich Fakten – leider immer öfter auch Fakes – zu bestimmten Themen. Aber diese Fakten werden nur dann zu Informationen, wenn ich sie an bereits Gelerntes anbinden kann, und dazu benötige ich ein Grundwissen. Und wenn wir einen Schritt weitergehen wollen: Durch Reflexion, durch die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand wird Gehörtes, Gelesenes und Gelerntes zu Wissen. Dies sind die Fertigkeiten, die Schule vermitteln kann und soll.

Gibt es gewisse Grundfertigkeiten, die jeder erlernen sollte?

Eine der wesentlichen Grundfertigkeiten ist die Fähigkeit, sinnerfassend zu „lesen“, um das Gelesene oder bildlich Dargebotene auch kritisch beurteilen zu können. Sinnerfassend heißt, auch zu erkennen, wenn ein Text oder auch ein Bild manipuliert. Nur so ist heute und auch in der Zukunft der verantwortungsvolle Umgang mit den unterschiedlichen Medien möglich. Und in jungen Jahren, also im Kindergarten und in der Volksschule, müssen weiterhin haptische Kompetenzen vermittelt und gefördert werden. Das heißt: seine Hände zu gebrauchen, mit der Hand zu schreiben, kreativ gestalten zu können. Vereinfacht formuliert könnte man sagen: Schule hat die Aufgabe, Traditionen weiterzugeben und für die Zukunft vorzubereiten.

Werden solche Grundfertigkeiten auf dem Altar der digitalen Bildung vernachlässigt?

Es wird auch unsere Aufgabe sein darauf zu achten, dass das nicht passiert. Aber auch digitale Bildung ist wichtig, sehr wichtig sogar, eben eine Kompetenz von vielen. Doch ich verstehe darunter nicht voranging den technischen Umgang mit iPad & Co, das würde hier zu kurz greifen. Digitale Bildung ist der verantwortungsvolle und kritische Umgang mit diesen Medien, es ist auch die umfassende Information darüber und Auseinandersetzung damit, was es bedeutet und welche Konsequenzen – persönliche und gesellschaftliche – es hat, persönliche Daten zu veröffentlichen und Informationen ins Netz zu stellen.

Sind die Lehrenden für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet?

Der Beruf stellt hohe Anforderungen und wir müssen für eine gute Ausbildung sorgen. Aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass besonders geeignete Personen diesen Beruf ergreifen. Daher gibt es jetzt an der Pädagogischen Hochschule Kärnten unter anderem auch anspruchsvolle, mehrgliedrige geeichte Eignungsüberprüfungen, wie sie an vielen anderen Universitäten und Hochschulen eingesetzt werden. Getestet werden neben Allgemeinwissen auch Belastbarkeit und Empathiefähigkeit. Dieser Eingangstest wird durchwegs positiv gesehen, das zeigen die zahlreichen Rückmeldungen. Denn auf diese Weise erfahren auch die Studierenden, was sie in ihrem Berufsalltag erwartet.

Werden solche Grundfertigkeiten auf dem Altar der digitalen Bildung vernachlässigt?

Es wird auch unsere Aufgabe sein darauf zu achten, dass das nicht passiert. Aber auch digitale Bildung ist wichtig, sehr wichtig sogar, eben eine Kompetenz von vielen. Doch ich verstehe darunter nicht vorranging den technischen Umgang mit iPad & Co, das würde hier zu kurz greifen. Digitale Bildung ist der verantwortungsvolle und kritische Umgang mit diesen Medien, es ist auch die umfassende Information darüber und Auseinandersetzung damit, was es bedeutet und welche Konsequenzen – persönliche und gesellschaftliche – es hat, persönliche Daten zu veröffentlichen und Informationen ins Netz zu stellen.

Aufgrund der steigenden Anforderungen: Gibt es überhaupt noch genügend Interessenten für den Lehrberuf?

Wir können keinen Rückgang erkennen. Das heißt, das neue System, die vollakademische Ausbildung für alle Schultypen, wird gut angenommen. Aber auch die Studierenden haben sich geändert, das merkt man an ihren Fragen. Sie fordern uns oft ganz schön und das ist gut so. Denn der Beruf ist anspruchsvoller geworden und die Rahmenbedingungen sind nicht immer leicht. Wir brauchen engagierte, widerstandsfähige und kritische Personen, die den nachkommenden Generationen eine qualitätsvolle Bildung und Ausbildung bieten können.

Bildung ist ja nicht gleich Ausbildung, die sich an einem schnelllebigen Markt orientiert. Kann es da überhaupt eine Konstante geben?

Die Gesellschaft verändert sich schnell. Es ist nur schwer vorauszusagen, welche Berufe in Zukunft noch gebraucht werden und welche neuen es geben wird, es kann auch sein, dass das, was Hänschen gelernt hat, Hans nicht mehr brauchen kann. Aber in jedem Fall wird die Fähigkeit, verantwortungsvoll zu denken und zu handeln und sich in verschiedenen Situationen kompetent zurechtzufinden, immer und in jeder Sparte gefragt sein. Und wir müssen die Menschen auch dahingehend stärken, dass sie sich und ihre Kompetenzen gut und richtig einschätzen können und Lust auf lebensbegleitendes Lernen haben. Das sollte bei jeder Ausbildung als Anspruch an Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.

Durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden Berufsgruppen dezimiert werden oder ganz verschwinden. Werden in der Schule der Zukunft LehrerInnen durch Roboter ersetzt?

Nein. In diesem Zusammenhang mache ich mir um den Lehrberuf keine Sorgen. LehrerInnen wird man als DialogpartnerInnen immer benötigen. Heranwachsende brauchen die lebendige sinnliche Aus­einandersetzung, die Irritation in der Kommunikation. Nur so werden Menschen auch weiterhin Argumentieren und Denken lernen. Das kann ein Roboter nicht ersetzen.

Rektorin Marlies Krainz-Dürr © PHK/fotofurgler
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