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Umwelt
29.10.2025

Selbstbe­stimmt in die Energie­zukunft

Als eines von österreich­weit sechs Real­laboren für Erneuer­bare Energien ist die Region WEIZplus Vor­reiter am Weg zu einer klima­neutra­len Energie­wirtschaft.

In der Oststeiermark, nur wenige Kilometer von Graz entfernt, hat sich eine Region ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Mithilfe der Organisation „EnergieZukunft WEIZplus“ (EZWp) möchte der Bezirk Weiz gemeinsam mit zehn weiteren Gemeinden den Ausstieg aus fossilen Energieträgern schaffen. Ein Anliegen, das angesichts der Klimakrise und der Endlichkeit fossiler Brennstoffe nicht nur mutig, sondern im Rahmen der in Österreich bis zum Jahr 2040 angestrebten Energiewende auch notwendig ist. Vorstand Rafael Bramreiter und Martin Wagner-Kletz, zuständig für PR und Wissenschaftskommunikation, erzählen, warum ihr Projekt viel mehr ist als eine grüne Utopie.

Fossilfree4Industry

Die Stadt Weiz gilt aufgrund zahlreicher, dort ansässiger Industrieunternehmen als bedeutender Industriestandort der Steiermark. Umso wichtiger ist es für die Region, emissionsstarke Betriebe für eine klimaneutrale Produktionsweise zu begeistern und durch die damit verbundene Transformation zu begleiten. Einen idealen Rahmen für dieses Vorhaben bietet die Initiative „100 % Erneuerbare-Energie-Reallabore“ des Bundesministeriums für Innovation, Mobilität und Infrastruktur. Für dieses Projekt wurden sechs Regionen in Österreich ausgewählt, die nun gezielt gefördert werden. Sie sollen maßgeschneiderte Energiesystemlösungen entwickeln, testen und validieren, die unabhängig von fossilen Energieträgern funktionieren. So sollen regionale Prototypen entwickelt werden, die mittelfristig als Vorbilder für eine gesamtösterreichische Energieneutralität dienen können.

„EEGs haben Vorteile für die Gesellschaft, für die Umwelt, und auch wirtschaftliche Vorteile.“

Rafael Bramreiter, Vorstand der EnergieZukunft WEIZplus

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Innovation in der Region

Eine wichtige Bedingung für die Entstehung der EZWp ist ihr innovatives Umfeld. Bereits 1988 wurde in Gleisdorf „AEE – Institut für Nachhaltige Technologien“ (AEE INTEC) gegründet – einer der wichtigsten Partner der EZWp. Weitere Gründungsmitglieder sind die Energie Agentur Steiermark und das Innovationszentrum W.E.I.Z., das seit 1997 in der Bezirkshauptstadt angesiedelt ist. Forschung, Innovation und Technik prägen die Region schon seit der industriellen Revolution. So wirkte etwa der Ingenieur und Erfinder Franz Pichler, ein Pionier der Elektrotechnik und Wasserkraft, maßgeblich an der Entwicklung seiner Heimatstadt Weiz mit. Als Sohn eines Mühlenbesitzers konstruierte Pichler eine 80-kW-Wasserkraftanlage für den Weizbach, entwickelte Transformatoren, Dynamos und Messinstrumente. Sein Unternehmen, die Weizer Elektrizitätswerke F. Pichler & Co, wurde später zum Industriekonzern ELIN, der heute Standort für Siemens Energy AG und Andritz AG ist.

Seit 2023 fügt sich nun auch die EZWp nahtlos in die Geschichte der Weizer Innovationsprojekte ein. Als Genossenschaft organisiert, fungiert sie als Schnittstelle zwischen Gemeinden, KMUs, Industriebetrieben, der Landwirtschaft und nicht zuletzt der Bevölkerung. Neben der Vernetzung dieser Akteure und Stakeholder spielt auch die Bewusstseinsbildung für die Nutzbarkeit erneuerbarer Energien eine wichtige Rolle. Wobei: „Durch die Energiegemeinschaft wird man aktiver Teilnehmer im Energiesystem. Wir gehen eigentlich einen Schritt über die Bewusstseinsbildung hinaus“, findet Bramreiter.

EEGs: Aktive Teilhabe dank Digi­tali­sierung

Ein wichtiges Instrument auf dem Weg zur Energiewende sind Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEGs). Darunter wird rechtlich ein Zusammenschluss aus mindestens zwei Teilnehmer:innen verstanden, die gemeinsam Strom produzieren und verbrauchen bzw. miteinander handeln. Konkret könnte beispielsweise der Besitzer einer privaten Solaranlage eine EEG gründen, damit seine Nachbar:innen den überschüssigen Strom verwerten können. „Viele Leute sind der Annahme, sie können nur an einer EEG teilnehmen, wenn sie auch selbst einspeisen – was aber gar nicht der Fall ist, denn im Endeffekt braucht es auch viele Abnehmer:innen, damit das gut funktioniert“, erklärt Martin Wagner-Kletz. Grundsätzlich kann also jede:r Teil einer EEG werden – falls im eigenen Netzgebiet keine vorhanden ist, sind Neugründungen erwünscht und werden unterstützt. Der Vorteil: „Ich bekomme als Erzeuger mehr für den produzierten Strom und als Verbraucher zahle ich weniger“, so Bramreiter. So könne durch ergänzend eingespeisten EEG-Strom bis zu ein Drittel der privaten Stromkosten gespart werden.

Grundlegend für das technische und gesellschaftliche Funktionieren von EEGs ist dabei die Digitalisierung. So werden digitale Systeme nicht nur für Anmeldung, Vernetzung und die Bereitstellung von Informationen benötigt. Die ständigen digitalen Messungen durch Smartmeter sind auch notwendig, um schnell und unkompliziert Daten über Stromproduktion, -verbrauch und -bedarf bereitzustellen. „Diese Daten sind ein wichtiger Schlüssel, damit man die Steuerung des Energiesystems auch als regionaler Akteur umsetzen kann“, so Bramreiter.

„Viele Leute sind der Annahme, sie können nur an einer EEG teilnehmen, wenn sie auch selbst einspeisen – was aber gar nicht der Fall ist, denn es braucht auch viele Abnehmer:innen.“

Martin Wagner-Kletz, PR und Wissenschaftskommunikation

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Acht EEGs, deren Einzugsgebiet rund 95 % der Region abdeckt, wurden im Rahmen der EZWp bereits gegründet. Und obwohl die Info-Abende in den 41 Gemeinden erst im März 2025 gestartet sind, ist die Nachfrage hoch: „Seither sind jeden Monat 300 bis 400 Personen dazugekommen“, erzählt Bramreiter stolz. Auch im Rest Österreichs schießen allerorten Energiegemeinschaften aus dem Boden, wie die digitale Landkarte der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften zeigt. Kein Wunder: „EEGs haben Vorteile für die Gesellschaft, für die Umwelt, und auch wirtschaftliche Vorteile“, fasst er zusammen.

Klimaneutralität als Zukunfts­per­spektive

Für Bramreiter und Wagner-Kletz ist klar: Erneuerbare Energien sind die Zukunft. „Wir haben jetzt schon die Technologien, die wir brauchen – wir müssen sie nur einsetzen und die vorhandenen Förderungen in Anspruch nehmen. Ich bin sehr optimistisch“, meint Bramreiter. Eine erfreuliche Einschätzung – denn die Energiewende ist nicht nur ein Bonus für besonders innovative Regionen. Um der voranschreitenden Klimaerwärmung entgegenzuwirken, strebt die EU bis 2050 die Klimaneutralität an. Österreich möchte dieses Ziel bereits 2040 erreichen, einzelne Städte schon 2030. Um an diesem gemeinsamen Weg festzuhalten, gilt es, innovative Lösungen zu finden und zu verfolgen. Bereits heute gibt es zahllose Beispiele, die zeigen, dass der Ausstieg aus fossilen Energieträgern realistisch umsetzbar ist; die Energiezukunft WEIZplus ist eines davon.

1. Die Region WEIZplus nimmt die Energieversorgung für die Zukunft selbst in die Hand.© EZWp | Grabenwarter
2. Ob als Gemeinde, Privatperson, als großes Industrieunternehmen, kleiner, mittelgroßer oder auch landwirtschaftlicher Betrieb – die EnergieZukunft WEIZplus ist offen für verschiedene Zielgruppen. © EZWp | Mascher

WISSENSWERT

Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEGs) gibt es in ganz Österreich. Interessierte – egal ob mit oder ohne privater Stromproduktion – finden auf der Website des Bundesministeriums eine übersichtliche Zusammenstellung aller relevanten Informationen.

Mehr Infos: https://energiegemeinschaften.gv.at/

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