Credit: Helge Bauer
Wirtschaft
23.11.2020

Spitzenforschung auf Weltniveau

Silicon Austria Labs (SAL) ist ein österreichisches Spitzenforschungszentrum für elektronikbasierte Systeme (EBS). Mit Forschung auf Weltniveau wird hier die Grundlage für bahnbrechende Produkte und Prozesse gelegt.

Silicon Austria Labs wurde gegründet, um Österreich im Bereich der elektronikbasierten Systeme als Wirtschaftsstandort weiter zu stärken. Industrie und Wissenschaftslandschaft im Bereich der EBS sollen von den Synergien und neuen Möglichkeiten, die durch das Forschungszentrum entstehen, profitieren. Innovationsprozesse sollen beschleunigt werden. Durch die Zusammenarbeit mit Industriepartnern und Hochschulen werden Kompetenzen gebündelt und durch internationale Rekrutierung von Expertinnen und Experten verschiedener naturwissenschaftlicher Disziplinen wird „Brain Gain“ nach Österreich gebracht.

Das anwendungsorientierte Zentrum bietet kooperative Forschung an drei Standorten – Graz, Linz und Villach – in den Forschungsbereichen Sensor Systems, Hochfrequenzforschung, Leistungselektronik, Systemintegration und Embedded Systems. Somit deckt SAL mit ihrer Forschung die gesamte EBS-Wertschöpfungskette ab und entwickelt Technologien in den Bereichen Energie, Lifestyle, Gesundheit und Mobilität. Geforscht wird an Themen wie Industrie 4.0, Internet of Things (IoT), autonomes Fahren, cyber-physikalische Systeme, Smart City, Smart Energy oder Smart Health.

Technologisches Rückgrat

Elektronikbasierte Systeme sind Komponenten, Baugruppen und Geräte mit Mikro- und Nanoelektronik sowie eingebetteter Software. Sie befinden sich in fast jedem technischen Gerät – ob Smartphone, Tablet oder Fahrzeug – und bilden das technologische Rückgrat der Digitalisierung. Elektronikbasierte Systeme sind Teil des Alltags ebenso wie die Voraussetzung für Themen wie Industrie 4.0 und die Energiewende.

Sensoren nehmen als „Sinnesorgane der Technik“ Informationen auf, messen und analysieren sie. Die Leistungselektronik sorgt dann für eine energie- und leistungseffiziente Umsetzung. Mit der Hochfrequenzforschung sollen zukunftsweisende Kommunikations- und Radartechnologien entwickelt werden, die das gesamte Hochfrequenz-Spektrum abdecken. Während die neue Mobilfunkgeneration 5G gerade die Marktreife erlangt, forscht SAL bereits an Lösungen für die nächste Generation, 6G. RF-Systeme im hohen GHz-Bereich werden für Radar-Systeme als Schlüsselelement für autonomes Fahren, aber auch in der Medizintechnik und Materialprüfung verwendet. Die umfassende Systemintegration stellt dann auf allen Ebenen ein funktionales Gesamtsystem sicher und Embedded Systems ergänzen schließlich die Intelligenz durch eingebettete Software und Künstliche Intelligenz.

Für die Forschung steht in Villach neben zahlreichen hochausgestatteten Laboren, ein Reinraum der ISO-Klasse 5 zur Verfügung, in dem Chips und Wafer verarbeitet sowie die neuesten Packaging-Technologien angewandt werden können. „Die Arbeit im Reinraum gibt uns die Möglichkeit, die nächste Generation von Mikro- und Nanodimensionsstrukturen herzustellen, die in jeder Art von intelligenten Geräten weit verbreitet sind“, erklärt Dr. Mohssen Moridi, Leiter der Forschungsgruppe Microsystem Technologies.

Credit: Helge Bauer

Kleine Wunderwerke

Klein, intelligent und beweglich – Mikrospiegel, entwickelt bei SAL in Villach, könnten das Autofahren revolutionieren und verbessern chemische Analysegeräte.

Die steigenden Sicherheitsanforderungen an Autos sowie der Trend hin zu vollautonomem Fahren erfordert die Entwicklung und Herstellung von immer kleineren und effizienteren Sensoren und Aktuatoren (antriebstechnische Baueinheiten). Silicon Austria Labs untersucht im Rahmen eines strategischen Projekts das Potenzial von mikroelektromechanischen (MEMS)-Mikrospiegeln für den Einsatz in Automobilsystemen. Dabei handelt es sich um kleine mechanische Strukturen, kleiner als 7 mm mal 6 mm mal 0,5 mm, auf Siliziumbasis. Sie können um eine oder zwei Rotationsachsen schwingen und von einem Laserstrahl abgetastet werden.

Die Vorteile für den Einsatz solcher Systeme in der Automobilindustrie liegen unter anderem in einer vergleichsweise erhöhten Leistung, einem verringerten Platzbedarf, sowie einem vereinfachten Herstellungsprozess. MEMS-Mikrospiegel können unter anderem für Autotürenlichter, für die Blickfeldanzeige bis hin zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung eingesetzt werden. In chemischen Analysegeräten erhöhen sie die Genauigkeit der Messung.

Der MEMS-Mikrospiegel wurde Ende Jänner auf der 33. Internationalen MEMS-Konferenz in der kanadischen Stadt Vancouver einem breiten Fachpublikum vorgestellt, wo SAL mit ihrem Forscherteam rund um den Fachbereichsleiter Dr. Mohssen Moridi als einziges österreichisches Unternehmen mit einem Ausstellungsstand vertreten war.

Fliegen umweltfreundlicher machen AEROMIC ist das erste EU-Projekt, das von SAL koordiniert wird. Es soll die Umweltleistung von Flugzeugen verbessern.

Das Projekt ist ein Vorzeigebeispiel für die Kompetenzen der Forschungsgruppe Microsystem Technologies bei SAL. Das AEROMIC-Konsortium besteht aus sechs Partnern aus vier europäischen Ländern, neben Österreich auch Deutschland, Spanien und Norwegen. Ziel ist, innovative Mikrofone für Luftfahrtanwendungen, insbesondere für aeroakustische Messungen, zu entwickeln und damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrtindustrie zu erhöhen. Denn diese Mikrofontechnologien sollen die Umweltleistung von Flugzeugen deutlich steigern, zum Beispiel durch die Verringerung von Lärmemissionen. Dafür werden hochmoderne mikroelektromechanische Systemtechnologien für aeroakustische Anwendungen der nächsten Generation genutzt. Diese Methode kann nicht nur den Entwicklungsfortschritt in der Luftfahrt und im Automobilsektor beschleunigen, sondern auch die Gesamtleistung von Flugzeugen und Fahrzeugen verbessern.

„Forschungsförderung ist immens wichtig“

Interview mit Dr. Christina Hirschl, Head of Research Division Sensor Systems, Silicon Austria Labs GmbH

Wie funktioniert SAL?

Dr. Hirschl: Wir wollen ein One-Stop-Shop für Forschung an elektronikbasierten Systemen sein. Industriebetriebe definieren ihre Herausforderung und gemeinsam mit den Expertinnen und Experten erarbeitet man ein kooperatives Forschungsprogramm. Innerhalb von sechs Wochen wird die Projektskizze erstellt und ein Vertrag definiert. 50 Prozent der Kosten eines Forschungsprojekts werden von uns übernommen, 25 Prozent vom Industriepartner und 25 Prozent erfolgen durch die Mitarbeit der Leute im jeweiligen Industrieunternehmen. Durch den kooperativen Charakter der Projekte kommt es zu einem ständigen Austausch der Partner entlang der Wertschöpfungskette. Gemeinsam liegt der Fokus ganz klar auf der Funktionalität des Produkts oder des Prozesses. So entstehen aus Ideen Innovationen, die wir in zukünftigen Dingen des Alltags oder Verbesserungen in Industrieprozessen wiederfinden. Dieses gemeinsam Mehr erreichen macht die Forschung hoch attraktiv für alle Beteiligten und gemeinsam lassen sich die großen Herausforderungen unserer Zeit besser lösen.

Forschung ohne Förderung, eine Illusion?

Förderung von Forschung und Entwicklung ist immens wichtig. Nur so können wir Unternehmen bewegen, in Europa zu bleiben, indem wir ihnen universitäre Einrichtungen und Forschungszentren mit entsprechendem Know-how zur Verfügung stellen. Auf diese Weise können wir auch Schlüsseltechnologien zurückholen. In der Zeit des Lockdowns haben wir gesehen, wie wichtig das sein kann. Innovation geht immer von Forscherinnen und Forschern aus, daher ist SAL auch mit einem hohen Budget für die Industrie ausgestattet worden.

Digitalisierung, ein Segen, aber auch ein Fluch?

Als Naturwissenschafterin bin ich natürlich begeistert über die Fortschritte und die Entwicklung in den Bereichen von Mikroelektronik bis zu künstlicher Intelligenz. Sie ist ein Nutzen für Mensch und Umwelt, wenn wir Photovoltaik-Module beispielsweise effizienter machen, Entwicklungen zur Verminderung des CO2-Ausstoßes vorantreiben, das Leben sicherer machen. Aber ich muss immer hinterfragen, welche Daten gebe ich her? In welchen Bereichen lasse ich einen Computer nicht über mein Leben entscheiden? Wann verliere ich meine Individualität?

Wo wird der Einsatz von Mikroelektronik steigen?

Es gibt noch Branchen, vor allem mittelständische Betriebe, in denen Digitalisierung noch nicht in starkem Ausmaß integriert ist. Mikroelektronik betrifft auch unser tägliches Leben und sie wird es in Zukunft noch stärker beeinflussen. Ich nenne da als Beispiel Internet of Things oder den Gesundheitsbereich, Stichwort Smart Health. So regulieren mittlerweile Insulinpumpen den Insulinspiegel völlig automatisch, eine große Erleichterung für Diabetiker.

Welche Branchen reichen bei SAL Forschungsprojekte ein?

Wir sind nicht auf Branchen fixiert. In Villach konzentrieren wir uns auf die Sensorik und Leistungselektronik. Die Kriterien sind, Sensoren zu entwickeln, die wenig Energie verbrauchen, eine hohe Effizienz haben und autonom denken. Es sind in erster Linie Industriebetriebe, mit denen wir zusammenarbeiten. Derzeit laufen bei uns rund 50 Forschungsprojekte in den Bereichen Sensorik, Photonik, Mikrosystemtechnologie und heterogener Integration.

Welche Ziele setzen Sie sich?

Wir wollen Entwicklungen voranbringen, die der Menschheit und der Umwelt nutzen. Bei uns arbeiten Menschen aus 27 Nationen und unterschiedlichen Disziplinen. Unsere Forscherinnen und Forscher wollen das Gefühl haben, mit ihren Projekten etwas zu bewegen. Das motiviert sie, das treibt sie an.

Credit: Oliver Wolf
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