Credit: adobestock/ Danilo Rizzuti
Wirtschaft
11.11.2020

Türöffner zur Zukunft

Das Verantwortung zeigen! Netzwerk war Türöffner für ein neues Selbstverständnis der Organisation, so Hubert Stotter, Rektor der Diakonie de La Tour, und ist Brücke hin zur Wirtschaft bis heute.

Wer waren die Diakonie Waiern und de La Tour vor fünfzehn Jahren, strukturell und von ihrem Verständnis her, wo stehen sie heute?

Es waren zwei evangelische Werke in Kärnten, an der Peripherie, nicht nur geografisch. Auch von ihrer Selbständigkeit und der Einbettung im Land, in Feldkirchen am Hügel da oben waren ‚die Evangelischen‘. Patriarchisch geführte Organisationen, die Zeit hat die Modelle überholt gehabt. Der Beschluss für den gemeinsamen Weg war Auftrag an mich, es folgte ein Organisationsentwicklungsprozess und eine konsequente Umsetzung wichtiger Maßnahmen hieraus über die Jahre. Insofern sind wir vor 15 Jahren – zwar auf guter Tradition gebaut – dennoch vor großen Herausforderungen gestanden. Es gab noch keine Personalabteilung, kein Projektmanagement.

Es war der Beginn einer neuen Sozialorganisation mit einem völlig neuen Selbstverständnis, nämlich jenem eines christlich geprägten Sozialunternehmens. Und dabei will ich den Begriff Unternehmen positiv gedeutet wissen, weil damit positive Performance verbunden ist. Wir haben einen attraktiven Markt, aber nur knappe Mittel – das ist im Kern unsere Managementaufgabe. Es ist zu wenig, eine professionell schwarze Null als Ausdruck christlicher Grundhaltung zu sehen. Es braucht ein positives wirtschaftliches Ergebnis, um innovativ, nachhaltig und qualitätvoll wirken zu können. Heute haben wir eine völlig neue Struktur und können auf einen guten Status-quo schauen.

Der Weg der Öffnung und Professionalisierung der Diakonie de La Tour ist auch ein Weg eurer Organisation im VZ Netzwerk. Wo sind Verbindungslinien?

Vor 15 Jahren haben wir sozusagen eine Insel-Existenz geführt, wir waren introvertiert, ohne Öffnung nach außen. Der Prozess nach außen, das in Beziehung treten mit unserer unternehmerischen Umwelt – da war das VZ Netzwerk Türöffner und Brücke. Ich habe auch persönlich diese Entwicklung vollzogen, die Begegnung und Öffnung nach außen auf allen Ebenen, auch an den Standorten – und damit verbunden auch die Öffnung des Gegenübers. Es ist Interesse an uns entstanden. Das Netzwerk mit seinen Aktivitäten war für mich und für uns alle unterstützende Begleitung auf diesem Weg, das vorbehaltslose Begegnen, die Möglichkeiten zum Networking. Diese Begegnung hat mir auch persönlich gutgetan.

Was sind die wichtigsten Themen, die im Blick auf die Zukunft beschäftigen sollten?

Wir dürfen als gemeinnützige Träger den Sozial- und Gesundheitsbereich nicht dem privaten, gewinnorientierten Sektor überlassen, aber auch nicht einfach der öffentlichen Hand. Da zeigt sich der Unterschied zwischen kurzfristigem Interesse und langfristigem Auftrag und langfristiger Entwicklung. Es ist wichtig zu zeigen, dass wir uns als gemeinnützige Organisationen zu professionellen Unternehmen entwickelt haben – für die Politik sind wir „Gemeinnützigen“ ein enormes Potential. Hohe Fachexpertise breit gefächert, Innovationskraft; wir sind Kooperationspartner und zugleich Konkurrenz im sportlichen Sinne. Finanzielle Ergebnisse, die wir erwirtschaften, bleiben im System und dienen wieder den Menschen im Land. Ein anderes Thema, das uns wichtig ist und auch fordert, ist die Sozialraumorientierung, ein Paradigmenwechsel für uns: vom Fall zum Feld. Es geht darum, Bedarfe zu erkennen und Potentiale zu sehen, Sinnstiftung zu fördern und Menschen dazu zu befähigen, dies wahrzunehmen. Sie braucht hohe Qualität, die Perspektive der Prävention und es ist für die Gesellschaft kostengünstig, das Sozialwesen derart zu gestalten. Aber was macht das mit uns als Organisation?
Wir haben eine Ahnung, dass dieses scheinbar Diffuse die Zukunft ist. Das Leben wird sich noch viel diverser vollziehen und wir müssen diese Diversität proaktiv gestalten. Da stelle ich immer die Frage: Woran hänge ich, wenn ich Dinge nicht ändern will?

Erst Pfarrer und Rektor und dann vor 2 Jahren auch Manager des Jahres. Der Chef einer gemeinnützigen Organisation als erfolgreicher Manager – ein Tabubruch?

In der Gesellschaft herrscht ein konventionelles Pfarrerbild, das sehr stark auf das Bild des Gemeindepfarrers fokussiert ist. Ich bin Pfarrer, aber kein Seelsorger im klassischen Sinn. Hinter diesem Beruf steckt ja die wissenschaftliche Disziplin der Theologie, welche die normative Kraft unseres Handelns erforscht und lehrt. In welcher Ausformung zeigt sich die normative Kraft dieser Disziplin? In der klassischen Rolle des Pfarrers oder in der Funktion als Führungskraft eines Unternehmens? Es ist eine Profession, die Handlungsleitfäden für grundsätzliche Fragen gibt. Management in diesem Sinne bedeutet für mich Leadership. Ich sehe dabei immer das Bild eines Teams. „Wir sind Manager des Jahres“, hat es bei uns unmittelbar nach meiner Auszeichnung geheißen. Leadership meint eine Vision zu vermitteln, auch einen philosophischen Ansatz. Wenn Management in diesem Verständnis bei der Auszeichnung des Management Clubs gemeint war, dann ist das die Anerkennung einer Realität. Vor 15 Jahren waren wir gut 600 Mitarbeiter, heute sind es mehr als 1800. Das muss die Organisation einmal verkraften. Das war auch Teil meiner Dissertation, die Entwicklung eines integrativen Führungsansatzes auf allen Ebenen. Dazu gehört auch das Rotationsprinzip der Führung in den Fachbereichen. Wir stellen sogar die Frage, geht das auch bei uns in der Geschäftsführung? Auch die geplante Erweiterung der Geschäftsführung zur Vorbereitung meiner Nachfolge wird uns hier Möglichkeiten bieten.

Was machen verantwortliche Führungskräfte anders?

Eigentlich sollte es keine verantwortungslosen Führungskräfte geben, möchte ich vorausschicken. Es ist wichtig, Führungsverantwortung ständig über sich und seine Zeit hinauszudenken. Es geht nicht um mich und es geht nicht um persönliche Profilierung, sondern um eine gute Zukunft des mir anvertrauten Unternehmens, das eine längere Geschichte hat. Mein Auftrag ist es, dass es auch für die Zukunft gut ­passen kann. Stichwort Nachhaltigkeit. Eine gesunde Eitelkeit kombiniert mit Selbstreflexion gehört für Führungskräfte auch dazu. Habe ich auch die Größe, über meiner Eitelkeit zu stehen?

Weil Sie auch Pfarrer sind: Welchen Beitrag können und sollen Werte zur Unternehmensidentität leisten und wie können diese in der Organisation verankert werden?

Derzeit ist es modern, dass sich Unternehmen Werte geben - Gott-sei-Dank sage ich. Sind es aber nicht oft die Gleichen und sind diese nicht oft sehr allgemein? Was soll jemand z. B. schon gegen Vertrauen als Wert haben? Die Theologie ist für mich Analysefähigkeit, gesellschaftliche Entwicklungen zu deuten und zu bewerten und daraus zukunftsfähige und attraktive Perspektiven aufzuzeigen. Der persönliche Glaube soll dabei nicht verloren gehen, Christus ist die Grundorientierung für mich als Hubert Stotter. Aus dieser Christusorientierung erfolgt die theologische Reflexion und Werteorientierung. In theologischen Fachkreisen drohen Werte zu erstarren, wenn sie nicht den direkten Christusbezug suchen. Werte in Ehren, aber es kann auch einmal anders sein, wenn es dem Leben und den Menschen dient. Ich hätte den christlichen Werten gerne ihre Schärfe genommen, so dass sie nicht belehren, sondern reflektieren helfen. Es ist wie mit einem zugefrorenen See, wo offene Stellen abgezäunt werden. Die Schwachstellen verändern sich und wenn ich die Absperrungen nicht mitbewege, werden sie zum Verhängnis.

Organisatorisch ist die Arbeit an den Werten bei uns in der Abteilung ‚Diakonische Identitätsentwicklung, Hospiz und Freiwilligenarbeit‘ abgebildet. Es braucht dafür ein eigenes Ressort – es muss abgebildet sein im Organigramm. Was organisatorisch nicht vorkommt, ist nicht sichtbar. Diese Abteilung hat den Auftrag flächendeckend in der Organisation Seelsorge zu entwickeln, aber auch Schulungen auf allen Mitarbeiterebenen, alles in einer dialogischen Grundhaltung, integriert in Meetings. ‚Learning Nuggets‘ für Führungskräfte nennen wir das. Nicht nur explizite Führungskräfteschulungen, sondern als ständiger Dialogprozess aufgesetzt und gelebt. Auch innovativ und einmal aktionistisch. Mit den Balkonandachten in der Coronazeit zum Beispiel waren wir in der ZiB2. Die Andachten, die es wöchentlich gibt, gibt es nun auch online und dazu gibt es gute Rückmeldungen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und das sind meist keine Kirchgänger. Menschen brauchen Orientierung.

Unser Leitsatz ‚Respektvoll miteinander‘ erdrückt uns, wenn er tägliche Realität sein soll. Wenn wir ihn aber als Vision erkennen, können wir mit Gelassenheit ihn zu erreichen versuchen, dann bekommt er Kraft.

Credit: Hansjörg Szepannek

Verankerung von Werten in der Organisation - Hubert Stotter

1. Werte

Damit du Werte verankern kannst, musst du welche haben. Nehmen Sie sich dafür Zeit, zu entwickeln: Das sind wir und dafür stehen wir.

2. Kreative Wege

Kreative Wege finden, immer ins Gespräch dazu zu kommen, dass sie nicht aufoktroyiert wirken. Werte immer wieder auch humorvoll einfließen und sie einfach im Alltag vorkommen lassen.

3. Vorbildwirkung

Der Fisch fängt beim Kopf an zu gesunden. Vorbildwirkung ist ganz wichtig. Dabei müssen die Menschen wissen, dass die Werte wichtig sind. Das Wollen und die positive Grundhaltung zählt – und es muss nicht immer alles perfekt sein. Wenn es einmal nicht klappt, wirkt das menschlich und sympathisch. Es geht darum, sich selbst einmal auch nicht zu genügen und nicht immer perfekt sein zu müssen. Das Spielerische und Leichte in der Verankerung der Werte entscheidet.

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