Maria Habacht
© Privat
Im Interview mit YAvida teilt Maria Habacht wertvolle Gedanken und Erfahrungen rund um den Umgang mit Tod und Trauer.
YAvida: Wie können wir lernen besser mit dem Tod umzugehen?
Maria Habacht: Der Tod ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil in unserem Leben und aus meinen Erfahrungen ist es wichtig offen darüber zu reden, ein bewusstmachen. Kommunizieren ist Heilung auf allen Ebenen. Der Umgang mit dem Tod hat sich in unserer Gesellschaft verändert. Früher fand das Sterben auch bei uns – ähnlich wie die Geburt – in der Gegenwart der Lebenden, inmitten der Familien statt. Durch Covid ist uns der Tod aber wieder „näher gerückt“, wir alle waren massiv damit konfrontiert. In vielen Kulturen – wie etwa in Indien oder Mexico – ist Sterben hingegen Teil des Alltags und fester Bestandteil im Dasein. Es ist wichtig, den Tod als Bestandteil des Lebens zu sehen. Niemand ist unsterblich, Geburt und Tod sind eins. Das gilt es anzunehmen. Auch der Glaube kann Trost spenden.
Maria Habacht
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Was geschieht beim Sterben und wie können Menschen dabei unterstützt werden?
Sterben ist ein Prozess, den Elisabeth Kübler-Ross in fünf Phasen beschrieben hat, die ich aus meiner Erfahrung heraus bestätigen kann. Diese Phasen nach Elisabeth Kübler-Ross sind kein linearer Prozess und müssen nicht zwangsläufig nacheinander ablaufen. Der Betroffene kann eine Phase überspringen, eine Phase nicht durchleben oder auch in eine Phase zurückfallen.
Nicht-Wahrhaben-Wollen & Hoffnung auf Irrtum:
Menschen verändern oftmals nach einer Diagnose ihr Leben (oder auch bei einer tödlich erscheinenden Krankheit). In dieser Phase geht es darum, anzunehmen was ist.
Wut & die Frage „Warum ich?“:
Der Betroffene hat die Diagnose zwar angenommen, reagiert aber negativ und sucht nach einem Ventil. In dieser Phase ist es wichtig, sich abzugrenzen, wenn man betroffene Menschen begleitet. Es gilt den Wutzustand aushalten, der Betroffene darf wütend sein.
Verhandeln & Wunsch nach Aufschub:
Der Betroffene möchte überall dabei sein (Hochzeiten, Feiern, ...) und verhandelt mit „Gott und der Welt“, mit Ärzten und Vertrauten, nimmt an allen Therapien teil. Das ist eine eher kurze Phase. Wichtig ist, im Betroffenen keine falschen oder unnötigen Hoffnungen zu schüren.
Depression & Trauer um vergebene Chancen:
Der Todkranke verfällt in eine depressive Stimmung und trauert um alles, was er in seinem Leben nicht gemacht hat. In dieser Phase wird häufig noch alles geregelt, was nicht geregelt ist (Testament, Erbe, ...) Das Mitteilungsbedürfnis ist groß. Als Begleitung gilt es, einfach da sein und zuzuhören.
Akzeptanz & Abkoppelung von der Umwelt:
Der Sterbende akzeptiert sein Schicksal voll und ganz, zieht sich von der Außenwelt zurück. Es sind keine längeren Gespräche mehr erwünscht, ein stiller Zuhörer ist gefragt. Schweigen ist die sinnvollste Art der Kommunikation. Der Rückzug des Sterbenden ist keine Abweisung. Er bereitet sich vor und möchte gehen. Hier kann Schmerztherapie (Schmerzfreiheit) eine wichtige Rolle spielen, um die Momente mit den Angehörigen bewusst zu erleben. Diese Phase (Terminalphase) ist auch wie ein „letztes Aufflackern“ der Lebensenergie. Sie kann ein paar Stunden, einen oder mehrere Tage dauern. Hier „ist der Körper nicht mehr Körper“.
Wie können trauernde Menschen begleitet werden?
Es ist wichtig, offen auf die Betroffenen zuzugehen. Gesten sagen mehr als alle Worte. Und: Nicht alles wird wieder gut! Aber keine Angst vor Emotionen und Zurückweisungen, diese nicht persönlich nehmen. Auch das Trauern verläuft – ähnlich wie das Sterben – in mehreren Phasen und ist ein Prozess.
Nicht-Wahrhaben-Wollen:
Dieser Schockzustand kann sich über Wochen ziehen. Es ist wichtig, sich diese Zeit auch zu geben. Als Begleiter ist es essentiell, einfach da zu sein.
Aufbrechende Emotionen:
Diese Phase ist geprägt von Wut, Schmerz und Zorn und kann sehr lange dauern. Trauerbewältigung kann helfen. Wichtig ist, den Verlust bewusst zu machen, zuzuhören, einfach da sein und Anteil zu nehmen.
Suchen und sich trennen:
Oft werden Orte der Erinnerung aufgesucht. Der Abschied wird leichter, auch wenn es immer noch sehr schmerzhaft ist. Wenn wir den Schmerz bewusst zulassen, ist dahinter immer das, was für uns bestimmt ist. Daher: Nicht verdrängen und die Trauer annehmen. Ja zum Leben sagen und weiter trauern dürfen! Geduld und Zuhören hilft, auch professionelle Hilfe kann hier unterstützen.
Neuer Selbst- und Weltbezug:
In dieser Phase stellt sich langsam der innere Frieden ein und der Schmerz tritt in den Hintergrund. Der Verlust wird immer mehr akzeptiert, neue Pläne werden geschmiedet, aber die Erinnerung bleibt. Rituale (z. B. eine Kerze anzünden zum Geburtstag) können helfen.
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.
ZUR PERSON
MARIA HABACHT
ist diplomierte Krankenschwester und Teamleiterin der Mobilen Pflege bei Diakonie de La Tour in Spittal/Drau. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit durfte sie bereits viele Menschen in Sterbe- und Trauerprozessen begleiten.