Foto: Petra Plimon
Wirtschaft
05.11.2022

Wasserstoff ist ein Allroundtalent

Das Hydrogen Center Austria (HyCentA) in Graz deckt die Forschung und Entwicklung von Wasserstofftechnologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette ab.

Am Gelände der TU Graz betreibt die HyCentA Research GmbH eine der modernsten Forschungsinfrastrukturen Europas. Patrick Pertl, Bereichsleiter für Mobilitätstechnologien, verrät im Interview mit advantage Wissenswertes rund um den Wasserstoff. 

advantage: Herr Pertl, wie sicher ist die Herstellung von Wasserstoff?

Patrick Pertl: In der Gesellschaft ist der praktische Einsatz von Wasserstoff meist unbekannt, weshalb es oft Sicherheits­bedenken gibt. Der zunehmende Einsatz von Wasserstoff im täglichen Leben (zum Beispiel Mobilität und Haushalte) ist im Vergleich zu anderen Technologien nicht gefährlicher, die Risiken sind gering und können mit entsprechenden Maßnahmen bewältigt werden. In der Industrie ist der sichere Umgang mit Wasserstoff seit Jahrzehnten bestens bekannt.

Was sind die Vorteile von Wasserstoff, wo und wie kann er genutzt werden?

Wasserstoff ist als flexibler Energieträger ein Allround-Talent und lässt sich in verschiedenen Anwendungsbereichen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in allen Sektoren einsetzen. Erforderlich dazu ist aber der weitere Ausbau der Erneuerbaren. Der klare Vorteil von Wasser­stoff: Er kann die natürlichen Schwankungen ausgleichen und damit eine Lücke schließen. Wasserstoff ist das Rückgrat der Netze. In der Industrie wird Wasserstoff für chemische Prozesse und für die meisten Hochtemperaturprozesse benötigt. Auch im Mobilitätssektor entstehen völlig neue Bereiche, zum Beispiel im Schwerlastverkehr und in der Schifffahrt. Wasserstoff ist der Schlüssel zur Ökologisierung vieler energieintensiver Prozesse.

Welche Rolle spielt Wasserstoff in punkto Energiewende? 

Wasserstoff ist die Schlüsseltechnologie zur Sicherstellung einer nachhaltigen Klima­politik. Der aus erneuerbaren Energien erzeugte Wasserstoff (sogenannter „grüner Wasserstoff“) ist notwendiger Teil der Energiewende, und kommt in allen wichtigen Sektoren (etwa als Treibstoff in der Mobili­tät oder als Speicher- und Prozessmedium in Energie und Industrie) zur Anwendung.
Wasserstofftechnologien werden in Graz schon seit den 1970-er Jahren erfolgreich erforscht. Die Forschungsaktivitäten haben in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen. Es braucht jedoch weitere Investitionen, um Wasserstoff in großem Maßstab zu erzeugen und einzusetzen. 

Was sind die aktuellen Forschungsschwerpunkte von HyCentA in Graz?

Das Spektrum reicht von Innovationen bei der Erzeugung von Wasserstoff über neue Speicher- und Verteilungstechnologien bis hin zur Anwendung in der Mobilität, der Industrie und dem Energiesektor. Dabei werden Aspekte der Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit von Komponenten sowie Materialien betrachtet sowie neue Messmethoden und Simulationswerkzeuge entwickelt.

Wir sind auch Teil des „Center of Hydrogen Research der TU Graz“, das die Expertise von mehr als 160 Wissenschaftlern bündelt, die in zahlreichen Vertiefungsfeldern Wasserstoffforschung betreiben. Es wird auf europäischem Spitzen­niveau – wir sind unter den Top Fünf – und mit einer einzigartigen Labor- und Forschungsinfrastruktur von den Grundlagen bis hin zu angewandten Technologien und systemischen Aspekten geforscht.

Welche Projekte stehen derzeit im Fokus?

Beim Projekt „H2 Carinthia“ bei Infineon in Villach steht die Erzeugung von Wasserstoff für die Halbleiterproduktion aus erneuerbaren Stromquellen und PEM-Elektrolyse im Fokus. Dieser Wasserstoff soll künftig doppelt genutzt werden – sowohl in der industriellen Mikrochip-Produktion als auch anschließend für die Betankung von Fahrzeugen – insbesondere von Bussen in der Region Villach.

Das Forschungsprojekt „Renewable Gas­field“ verfolgt einen ganzheitlichen Power-to-Gas Ansatz, bei dem aus erneuerbarem Strom durch Elektrolyse grüner Wasserstoff erzeugt wird und eine zweistufige katalytische Methanisierung im großen Maßstab für eine nachhaltige Energie­versorgung in den Bereichen Energie, Mobilität und Industrie vereint. Die langfristige Dekarbonisierung des Winter­tourismus ist Ziel des Projektes „HySnow“, wo zwei Schneemobil-Prototypen mit PEM-Brennstoffzellen Antrieb entwickelt wurden. 

Durch die Ernennung von HyCentA zum COMET-K1-Kompetenzzentrum1 ist die langjährige H2-Forschung des Zentrums auch in Zukunft sichergestellt. 

Welche Bedeutung hat die Fertigstellung der Koralmbahn für HyCentA? 

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs in Kombination mit der Bereitstellung erneuerbaren Energien ist zu begrüßen und zu unterstützen. Es werden sich positive Pendleranreize für unsere Mitarbeiter in den betreffenden Regionen Südösterreichs ergeben. |

1 Das COMET-Zentrum wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies – durch BMK, BMAW und die mitfinanzierenden Bundesländer Steiermark, Oberösterreich, Tirol und Wien gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt. www.ffg.at/comet

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