Weltalzheimertag macht Tabuthema Demenz sichtbar
„Demenz ist DAS Thema der älter werdenden Bevölkerung – und wird somit zur wohl größten Versorgungsherausforderung der Zukunft“, erklärte Gesundheitsreferentin Beate Prettner im Rahmen einer Pressekonferenz, die anlässlich des bevorstehenden Weltalzheimertages in der Interdisziplinären Spezialambulanz für Demenzerkrankungen im LKH Villach stattfand. Aktuell leben rund 130.000 Menschen mit der Diagnose Demenz in Österreich. In Kärnten sind aktuell rund 8.000 Menschen betroffen. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Zahlen der Demenzkranken in Österreich bis 2050 verdoppeln werden. Demenz ist demnach eine Erkrankung, die unsere Gesellschaft künftig noch mehr fordern wird.
Bewusstsein schaffen
Seit mittlerweile 30 Jahren wird der „Weltalzheimertag“ am 21. September begangen. Er erinnert an die Bedürfnisse der Betroffenen und macht gleichzeitig auf die Herausforderungen der Angehörigen aufmerksam. „Tatsächlich ist Demenz eine Erkrankung, die auch ganz besonders Familienangehörige fordert“, so Prettner. Eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige sind zweifellos die Selbsthilfegruppen Demenz. Aktuell gibt es in Kärnten vier Selbsthilfegruppen – die SHG Alzheimer und Demenz, Oberkärnten; die Selbsthilfe bei Demenz Klagenfurt; die SHG Alzheimerkranke und deren Angehörige, Villach; sowie Angehörige von Demenzerkrankten Lavanttal.
Frühzeitig Hilfe in Anspruch nehmen
Wichtige Anlaufstellen, abgesehen vom Hausarzt, können auch die Pflegenahversorger in mittlerweile knapp 100 Gemeinden sein. Sie leiten Betroffene und Angehörige zu den richtigen Stellen weiter. Etwa zum mobilen Demenzcoaching oder zur mobilen Demenzdiagnostik. Diese mobilen Demenzmodelle werden im eigenen Zuhause durchgeführt. „Genau das ist oft das Um und Auf. Warum? Weil sich Betroffene manchmal schlichtweg weigern, einen Arzt aufzusuchen; sie sind dann nicht aus dem Haus zu bewegen“, weiß die Gesundheitsreferentin. Beim mobilen Demenzcoaching und der mobilen Demenzdiagnostik kommen Expert:innen zu den Betroffenen direkt nach Hause. Durchgeführt wird das Projekt im Auftrag des Landes von der Diakonie. „Finanziert wird es noch bis Ende des Jahres 2024 vom Land und dem KGF. Die Regelfinanzierung durch ÖGK und Land Kärnten ist für 2025 in Vorbereitung“, informierte Prettner.
Nicht-Wissen macht unsicher
Wichtige Unterstützung bietet auch das Netzwerk Demenz Kärnten: „Das ist eine im Oktober 2023 gegründete Gruppe von ca. 60 Stakeholdern im Bereich Demenz. Dort sind auch die Selbsthilfegruppen für Angehörige sowie ein Vertreter:innen der Selbstbetroffenengruppe vertreten. Die Ziele umfassen vor allem Information und Kooperation sowie das Aufzeigen von Lücken im Angebot“, erklärte LR.in Prettner. „Für mich ist es ein Herzensanliegen, betroffene Menschen im Kreis unserer Gesellschaft zu halten. Wir müssen verhindern, dass sie an den Rand unserer Gesellschaft abgeschoben werden. Das passiert immer dann, wenn das Gegenüber nicht weiß, wie man sich Demenzerkrankten gegenüber verhalten soll. Nicht-Wissen macht unsicher. Die Folgen sind fatal.“ Aus diesem Grund werden in Kärnten auch Schulungen von Mitarbeiter:innen im Land sowie in den Gemeinden forciert. Parallel dazu läuft das Projekt “Demenz aktive Gemeinde“, das auf einen besonders sensibilisierten Umgang mit Demenzerkrankten in den Kommunen setzt.
Zahl der Betroffenen steigt
Peter Kapeller, Leiter der Spezialambulanz Villach: „Für die klinische Demenzdiagnostik gibt es in Kärnten zwei Interdisziplinäre Spezialambulanzen für Demenzerkrankungen, eine im LKH Villach, eine im Klinikum Klagenfurt." Ergänzend dazu kann in allen Bezirken an den Krankenanstalten eine Demenzabklärung und -behandlung stattfinden. Primarius Kapeller unterstrich auch den deutlichen Anstieg der Neuerkrankungen im Laufe der vergangenen 18 Jahre: „Wir betreiben die Spezialambulanz seit 2006. In dieser Zeit hat sich die Zahl der Betroffenen enorm erhöht. Mittlerweile ist jeder dritte Kärntner zwischen 80 und 90 Jahren von Demenz betroffen. Auf der anderen Seite hat sich leider bei den Therapiemöglichkeiten nicht viel getan – eine Therapie, die Demenz verbessert, gibt es nicht.“ Umso wichtiger ist es deshalb, die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren, und viele Initiativen zu setzen, damit Betroffene und Angehörige einen Alltag führen können, der halbwegs normal bleibt. Hier sei auch die „ausgeprägte Kultur der Selbsthilfen wertvoll“, so Kapeller.
Geschützter Rahmen ist wichtig
Die Bedeutung der Selbsthilfegruppen wurde von der Leiterin der SHG Villach, Edith Kronschläger, untermauert, die sich vor 20 Jahren selbst als betroffene Angehörige an die Selbsthilfegruppe Villach wandte: „Das hat mir ungemeine Kraft gegeben. Menschen, die das gleiche Schicksal bereits durchlebt haben bzw. gerade durchleben, wissen am besten, welche Unterstützungen man zu welchem Zeitpunkt benötigt – und vor allem, wo man diese Unterstützungen findet“, so Kronschläger. „Man sieht, dass man mit dem Schicksal nicht alleine ist.“ Gerontopsychologin Christine Leyroutz appellierte an die betroffenen Angehörigen, sich möglichst früh an Selbsthilfegruppen zu wenden und Unterstützungen zu holen: „Ich sehe in der Praxis, dass das sehr oft sehr spät passiert. Angehörige müssen sich selbst stärken. Denn wenn diese ausfallen, ist tatsächlich Feuer am Dach in der betroffenen Familie."
Von links: Edith Kronschläger, Primarius Peter Kapeller, Gesundheitsreferentin Beate Prettner, Christine Leyroutz. © Büro LRin Prettner
Veranstaltungstipp:
Am Mittwoch, 25. September 2024 lädt das LKH Villach alle Patient:innen, Besucher:innen, Mitarbeiter:innen und Interessierte ein, sich von 9:00 bis 12:00 in der Eingangshalle am Informationsstand der Neurologie zu den Themen "Demenzsensibles Krankenhaus" und "Demenzambulanz" zu informieren und mit dem "DemenzPaRk-UhR" der Aktion Demenz Moosburg diese Erkrankung ein stückweit selbst zu erfahren.