Barbara Roshan
Willst du Recht haben oder glücklich sein? Beides geht nicht.
YAvida: Was steckt hinter dem Begriff bzw. der Theorie der „Gewaltfreien Kommunikation“?
Barbara Roshan: Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK), entwickelt von Marshall B. Rosenberg, ist ein Handlungskonzept, welches das Ziel verfolgt, Verbindung herzustellen. Auf der Ebene des ICH (im Einzelnen) auf der Ebene des DU (zwischen Einzelnen) und auf der Ebene des WIR (innerhalb von Teams, Abteilungen, Familien, Organisationen)! Auch wenn es auf den ersten Blick darum geht, Empathie zu fördern und Konflikte auf eine respektvolle und „gewaltfreie“ Weise zu lösen, geht es eigentlich um eine Kulturänderung in Richtung Partnerschaftlichkeit. Die Haltung der GFK setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen. Einerseits aus Empathie im Sinne eines nicht verurteilenden, einfühlenden Verständnisses für den anderen und gleichermaßen auch für sich selbst. Und andererseits aus Aufrichtigkeit (sprich: Ehrlichkeit – sei nicht nett, sei echt!).
Warum ist „Gewaltfreie Kommunikation“ heute wichtiger denn je?
In einer Zeit, in der Meinungsverschiedenheiten, Ungerechtigkeit, Stress und Polarisierung weit verbreitet sind, trägt die Anwendung der GFK dazu bei, zu entschleunigen, Achtsamkeit und Bewusstheit in der Kommunikation, sowie Verständnis und Empathie füreinander zu fördern und damit eine Grundlage für konstruktive Lösungen zu schaffen. Sie hilft auch kulturelle Missverständnisse zu überwinden und eine respektvolle Kommunikation zu fördern. Insbesondere unterstützt die GFK „lebensfeindliche“ Gesellschafts- und Denkmodelle und historische Prägungen von Dominanz sowie die Vorstellung von Gewalt als legitimes Mittel zur Schaffung von Frieden zu überwinden. Die Fähigkeit, Konflikte friedlich zu lösen und empathisch zuzuhören, führt nicht nur zu positiven Veränderungen in allen zwischenmenschlichen Beziehungen, in Familien, Organisationen und sogar internationalen Beziehungen, sondern trägt Schritt für Schritt zur Entwicklung einer neuen Kultur des Miteinanders auf der Basis von Gleichwertigkeit bei.
Wie kann dieses Gedankengut in der Wirtschaft Niederschlag finden?
Etwa in der Konfliktlösung zwischen Mitarbeitenden, in Teams oder im gesamten Unternehmen: Führungskräfte, die GFK-Prinzipien anwenden, bauen vertrauensvollere Beziehungen zu ihren Mitarbeiter:innen auf und verstehen deren Bedürfnisse besser, was zu einer motivierteren und engagierteren Belegschaft führt. Die GFK hilft bei der Selbstreflexion, Selbstregulation und dem Umgang mit Stress und Belastungen. Sie unterstützt auch dabei, empathisch auf Kunden einzugehen und so eine bessere Kundenbindung und Kundenzufriedenheit zu fördern. Ein positiver Einfluss auf die Arbeitsatmosphäre, die Unternehmenskultur sowie auch die Produktivität und Leistungsfähigkeit sind die Folge.
WISSENSWERT
GRUNDPRINZIPIEN DER GFK IM ÜBERBLICK
Alle Menschen und die Bedürfnisse aller Menschen sind gleichwertig, nicht jedoch alle Strategien. Führungskräfte und Angestellte sind gleichwertig, wenn sie auch unterschiedliche Rollen und Funktionen im Firmenkontext ausüben. Bedürfnisse widersprechen sich nicht. Die jeweils ausgewählten Strategien, sich Bedürfnisse zu erfüllen, können sehr wohl im Widerspruch zueinander stehen. Bei jeder Konfliktlösung geht es zunächst immer darum, allen Beteiligten zu ermöglichen, die Anliegen der jeweils anderen nachzuvollziehen. Das geschieht mittels Empathie. Das bedeutet nicht, den Strategien der anderen zuzustimmen, sondern sich in die Welt der anderen hineinzuversetzen und das Menschliche in anderen zu sehen.
Mit allem, was ein Mensch sagt oder tut (oder auch nicht tut), versucht er sich Bedürfnisse zu erfüllen. Dabei wählt jeder Mensch jeweils den besten Weg, den er in diesem Moment kennt.
Jeder Mensch trägt gerne zur Erfüllung der Bedürfnisse anderer bei. Voraussetzung dafür ist, dass er sich verbunden fühlt, dass er nicht gezwungen wird und dass er das Vertrauen hat, dass auch seine Bedürfnisse erfüllt werden.
ZUR PERSON
MAG. BARBARA ROSHAN
ist international zertifizierte Trainerin für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung in Klagenfurt. Für sie ist Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Rosenberg nicht nur eine Methode, sondern ihre persönliche Lebenshaltung.