Das „Forum Anthropozän“ versteht sich als internationale Plattform, die sich transdisziplinär dem Klimawandel und den damit einher­gehenden Wechselwirkungen widmet. / © Plimon
Umwelt
06.07.2023

„Wir müssen die Rolle des Menschen in der Natur neu denken!“

Im Rahmen des 6. Forum Anthropozän wurden die Folgen unserer Ernährung auf den Klimawandel beleuchtet.

International anerkannte Klima- und Nachhaltigkeitsexperten sowie Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik trafen im Juni in Heiligenblut am Großglockner zusammen, um sich gemeinsam und transdisziplinär dem Thema „Foodprint: Regenerative Ernährung im Anthropozän“ zu widmen. Geboten wurde ein vielfältiges Programm mit Workshops, Impulsvorträgen, Kultur- und Naturerlebnissen sowie ein buntes Kinder- und Jugendprogramm.

Ernährung und Klima

Knapp ein Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes hängt mit der Produktion und dem Transport von Nahrungsmitteln zusammen. „Wir wollen globale, syste­mische Zusammenhänge wie diese sichtbar machen und gemeinsam nachhaltige, regionale Lösungen entwickeln. Anthropozän steht für ein Zeitalter, in dem der Mensch zum zentralen Einflussfaktor für Pflanzen, Tiere und Umwelt geworden ist“, erklärt Sabine Seidler, Initiatorin Forum Anthropozän. 

Zukunftsgerecht Wirtschaften 

Die dreitägige Veranstaltung wurde vom deutschen Wissenschaftler und Unternehmer J. Daniel Dahm eingeleitet. „Unser Nahrungssystem beeinflusst massiv die planetaren Grenzen. Wir müssen aufhören die naturzerstörende Wirtschaft zu fördern! Lebens- und zukunftsgerechtes Wirtschaften muss im Wettbewerb gefördert werden. Nur so können wir endlich wieder mit Qualität, Innovation und Aufrichtigkeit die Zukunft gestalten.“ Anschließend diskutierten in einem von Fritz Habekuß moderierten ZEIT-Gespräch Landeshauptmann Peter Kaiser, Tanja Dietrich Hübner (Ja! Natürlich/REWE International), Martin Grassberger (Arzt, Biologe, Buchautor), Till Kellerhof (Club of Rome), Hanni Rützler (Food-Trendforscherin) und Kira Vinke (DGAP-Zentrum für Klima- und Außenpolitik) über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln, regenerativer Ernährung und einer entsprechenden Landwirtschaft.

Auf Regionalität setzen

Für Martin Grassberger ist der Klimawandel keine Krise, die vorübergeht: „Wir müssen mit diesen unvorhersehbaren Klimaentwicklungen und Wetterereignissen leben lernen. Die ersten, die das extrem spüren, sind jene in der Landwirtschaft. Unsere Zukunft ist bioregional. Das bedeutet, stark auf regionale Ernährungskulturen zurück zu greifen und Lieferketten kurz zu halten, damit auch Ernährungs-Resilienz herrscht. Es ist ein sich auf den Weg machen, ohne konkret in Lösungen zu denken, sondern in Prozessen sich in die Zukunft aufzumachen und immer wieder Korrekturen am Kurs vorzunehmen.“

Wandel der Esskultur

Europas führende Food-Trendforscherin Hanni Rützler hat beobachtet, dass sich seit einigen Jahren nicht mehr alles ums Fleisch dreht, sondern dass pflanzliche Lebensmittel immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken: „Wir werden als Esskulturraum – vor allem im alpinen und Voralpenraum – sicher nicht vegan leben in Zukunft, aber das Thema hat den Finger auf den wunden Punkt gelegt. Jetzt gilt es genauer hinzuschauen: Im Anthropozän geht es darum die Rolle des Menschen in der Natur neu zu denken. Wir brauchen nachhaltigere, kreislauforientierte Wertschöpfungsketten, weg von linearen hin zu zirkulären.“

Wir leben auf Kosten anderer

Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, betonte, dass unser Ernährungsstil die Überverfügbarkeit diverser Lebensmittel, der Import von nichtsaisonalen Produkten und das Wegwerfen von Lebensmitteln auf die Wasser- und Emissionsbilanz einzahlt und einen globalen Fußabdruck verursacht. „Dieser bewirkt eben auch, dass wir in Ländern wie Bangladesch große Schäden sehen und Menschen die Lebensgrundlage entziehen. Die industrielle Landwirtschaft ist der Treiber der globalen Erwärmung, die traditionelle Landwirtschaft (insbesondere die Kleinbäuerinnen und -bauern) Opfer dieser globalen Erwärmung.“

In Kreisläufen denken

Erneut konnte auch Umweltmediziner Hans-Peter Hutter für die Veranstaltung gewonnen werden, der sich dem Thema „Essen gegen den Klimawandel“ widmete (mehr dazu HIER). Des Weiteren stellte Cradle-to-Cradle Pionier Michael Braungart von der Leuphana Universität praktische Umsetzungsbeispiele zu Regeneration und Ernährung vor. „Wir brauchen auch eine Landwirtschaft, die den Boden aufbaut. Nur fünf Promille mehr Kohlenstoff im Boden kann die gesamte CO2 Emission der Menschen ausgleichen. Der Boden ist der wichtigste Kohlenstoffträger. Wir brauchen ein neues Bio, das unsere Nährstoffe verwendet, den Boden aufbaut und die Artenvielfalt unterstützt.“ Braungart betonte zudem, dass sich Kärnten gut als Cradle-to-Cradle-­Region eignen würde.

© Plimon/ Senger

Schlagwörter