Michael Velmeden, WKK-Spartenobmann Industrie / © Rene Knabl
„Wir müssen realitätsnah an die Ziele des Green Deal herangehen“
Die Industrie ist zentraler Motor für Innovation und Lebensqualität in Österreich und mit rund 31.000 Mitarbeitern wichtigster Wirtschaftszweig in Kärnten. Im Interview mit advantage spricht Michael Velmeden über die Herausforderungen der grünen Transformation aus Sicht der Industrie.
advantage: Wie wird Nachhaltigkeit in der Industrie gelebt?
Michael Velmeden: Die Industrie ist von Ressourcen abhängig und war schon immer gezwungen damit nachhaltig umzugehen. Nicht nur aus rein ökologischen, sondern aus ökonomischen Gesichtspunkten. Wenn man das dann unter den aktuellen Herausforderungen betrachtet, dann hat Nachhaltigkeit schon vor dem Green Deal eine wichtige Rolle für die Industrie gespielt, weil man sich den Umweltbedingungen angepasst hat. Die unterschiedlichsten Industriebetriebe haben alle Maßnahmen gesetzt, um „gute Nachbarn“ zu sein. Und wenn wir die Motive Ökonomie und Ökologie miteinander verbinden, dann sieht man, dass es eigentlich gar kein Widerspruch ist.
Welche Sorgen verspürt die Industrie in punkto Green Deal?
Wie realitätsnah geht man an einige Ziele des Green Deals heran und wie diskutiert man die Umsetzung. Ein Beispiel ist die Energiekrise. Wenn ich über den Ausbau alternativer Energien rede, brauche ich eine entsprechende Netzinfrastruktur. Und wenn wir schauen, mit welchen Geschwindigkeiten wir hier arbeiten und mit welchem Interesse, dann sage ich, da wird mit zweierlei Maß gemessen. Und wenn man dann den Green Deal betrachtet, was man erreichen will und was dahinter steht: Da ist die Sorge der Industrie einfach, dass wir im Bürokratismus in Ländern wie Österreich ersticken. Es werden immer mehr Regularien und Anforderungen „erfunden“, welche die Unternehmen als Handlanger der Politik erfüllen müssen, wie etwa bei den Lieferketten.
Stichwort EU-Lieferkettengesetz: Ist eine Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette aus Ihrer Sicht überhaupt realisierbar?
Da habe ich eine klare Meinung. Das EU-Lieferkettengesetz, so wie es heute definiert ist, ist eine unbewältigbare Belastung für die Industrie, insbesondere für die mittelständischen Betriebe. Ich nehme ein Beispiel: Wir müssen künftig auch unsere Lieferanten aus der EU überprüfen, ob sie sich gesetzeskonform verhalten. Wie kann das sein? Wir haben ja einen gemeinsamen Gesetzesrahmen. Warum muss ich als Unternehmen verantwortlich sein, ob mein Lieferant die Nachhaltigkeitsgesetze, die soziale Gesetzgebung einhält? Ich stehe ja auch nicht an der Straße und mache für den Staat die Geschwindigkeitsüberprüfung. Staatliche Hoheitsaufgaben können nicht einfach auf die Unternehmen abgewälzt werden.
Österreich ist in der Industrie sehr mittelständisch geprägt, da verstärkt sich das Problem. Ein großer Teil unserer Industrie sind Zulieferer in der Wertschöpfungskette. Dadurch haben wir natürlich deutlich mehr Betroffenheit, eine komplexe Situation.
Was ist die Lösung?
Die Richtung ist richtig. Aber wir müssen schauen, dass wir die bürokratischen Lasten verringern und die Geschwindigkeit aufrechterhalten können mit Genehmigungsverfahren, mit Freigaben, mit Infrastruktur. Ich appelliere an einen gemeinsamen Approach. Ja, die Politik muss einen Rahmen setzen, aber dieser muss praktikabel und verhältnismäßig sein.