Kärnten hat massiven Nachholbedarf bei Windkraft und Photovoltaik. (c)WKK/studiohorst
Wirtschaft
25.04.2022

Wirtschaft warnt: Verpasst Kärnten die Energiewende

Kärnten hat massiven Nachholbedarf bei Windkraft und Photovoltaik. Das bedeutet eine hohe Abhängigkeit von Energieimporten und möglicherweise Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Die Wirtschaft verlangt rasche Reformschritte.

Die Explosion der Öl- und Gaspreise sowie die Diskussion über die Abhängigkeit Österreichs von Gasimporten haben die Bedeutung der „Energiewende“ hin zu erneuerbaren, heimischen Energieformen dramatisch erhöht. Kärnten ist österreichweit stark bei Biomasse und Wasserkraft, das wird aber für eine zeitgerechte Energiewende nicht reichen. WK-Präsident Jürgen Mandl: „Der Energiemix ist entscheidend: Die Unternehmer wollen einen Plan für den Ausstieg aus fossiler Energie.“

Kärnten hat Aufholbedarf

Denn leider liegt Kärnten beim Ausbau von Windkraft und Photovoltaik weit hinter den anderen Bundesländern zurück, obwohl die Potentiale reichlich vorhanden sind. Nach wie vor drehen sich in Kärnten zwei einsame Windräder, während die Steiermark vorzeigt, wie zeitgemäße, ökologisch verträgliche Windkraftnutzung funktionieren kann. Grundlage ist ein „Entwicklungsprogramm für den Sachbereich Windenergie“, das die Steiermark bereits 2013 (!) beschlossen hat. Ende 2021 waren dort mehr als 100 Windkraftanlagen in Betrieb, die sauberen Strom für mehr als 145.000 Haushalte liefern. Im Burgenland produzieren sogar rund 450 Windräder mehr als 2,5 Mrd. Kilowattstunden Strom jährlich.

Eine Energiequelle, auf die Kärnten nicht verzichten kann, ist Energieexperte Christoph Aste, Leiter des Gremiums „Energieexperten“ der Wirtschaftskammer Kärnten, überzeugt. Die heimische Stromerzeugung sei „bilanziell“, also übers Jahr gesehen, einigermaßen in Ordnung. Allerdings würde Kärnten im Winter deutlich mehr Strom verbrauchen als herstellen: Der in Kärnten im Winter stärkere Wind wäre bestens geeignet, die in dieser Jahreszeit geringere Wasserführung auszugleichen. Aste: „Um dieses Lücke zu füllen, sind in Kärnten 200 Windkraftanlagen notwendig – oder 10.000.000 Quadratmeter Photovoltaik, die man übrigens derzeit gar nicht bekommen würde.“

Gasimporte durch Solar und Biomasse vermeiden

Problematisch ist in Kärnten auch die Abhängigkeit von Gasimporten. Etwa ein Drittel der jährlich über 200 Millionen Kubikmeter Gas fließt in die Raumwärme und Warmwasserbereitung. „Das ist die blödeste Anwendung, denn sie kann besonders leicht durch Solar und Biomasse ersetzt werden“, erklärte Aste. Ein weiteres Drittel wird für Prozesse unter 200 Grad Celsius verwendet, die ebenfalls durch andere Energieformen substituiert werden können. Lediglich das letzte Drittel wird für Hochtemperaturprozesse in der Industrie eingesetzt, die kaum Alternativen zulassen.

Die Wirtschaftskammer appelliert daher dringend an die Landesregierung, im ersten Schritt dafür zu sorgen, dass die im Energiemasterplan des Landes Kärnten festgelegten Ziele – 50 Windräder mit einer Jahresleistung von jeweils 5 GWh/Jahr bis 2025 – erreicht werden. Weiters fordert Herwig Draxler, Leiter der Wirtschaftspolitik der WK Kärnten, eine Novellierung des Kärntner Raumordnungsgesetzes: „Die Windkraftstandorträumeverordnung und die Kärntner Photovoltaikanlagenverordnung sind verantwortlich für die Schlusslichtposition des Landes in diesen Bereichen.“

Verordnungen stehen der Energiewende im Weg

So müssten Gemeinden bei Ausarbeitung ihrer örtlichen Entwicklungskonzepte (Festlegung Siedlungsschwerpunkte/Ortskerne) künftig mindestens zwei Prozent der Gemeindefläche für die Entwicklung von Erzeugungs- und Verteilungsanlagen erneuerbarer Energien vorsehen. Die geltende Photovoltaikanlagenverordnung verunmögliche sogar die Nutzung der Solarpotentiale in Kärnten zur Stromproduktion. So habe die WK (gemeinsam mit Landwirtschaftskammer und Landarbeiterkammer) schon im Zuge der Begutachtung 2013 darauf hingewiesen, dass der vorliegende Entwurf nicht geeignet sei, seine Zielbestimmung „im Interesse des Landes Kärnten, die Solarpotentiale in Kärnten zur Stromproduktion zu nützen“ zu erfüllen. Ganz im Gegenteil wird durch die Verordnung jede Nutzung des Kärntner Solarpotentials unterbunden. Aufgrund des wenig gelungenen, fachlich nicht nachvollziehbaren, in sich widersprüchlichem Entwurfs wird das Regierungsprogramm der Kärntner Zukunftskoalition 2013-2018 nicht realisierbar sein.“ Das gilt leider auch heute noch.

In Angleichung an die Kärntner Bauordnung sollten Photovoltaikanlagen daher erst ab einer Fläche von mehr als 100 m² (derzeit 40 m²) in den Regelungsbestand der Verordnung fallen. Darüber hinaus sollen Photovoltaikanlagen auch auf den Widmungen Industrie, Gewerbe, in Sondergebieten wie Abfallbehandlungsanlagen und Deponien sowie auf und an Verkehrsflächen errichtet werden dürfen und dort keiner Widmung „Grünland – Photovoltaikanlage“ bedürfen.

Auch die Windkraftstandorträumeverordnung ist der Wirtschaft ein Dorn im Auge. Neben der fehlenden Verfassungskonformität kritisiert die WK insbesondere die überschießenden Sichtbarkeitsregeln und das Abstellen auf die Eigenart der Kärntner Landschaft. Draxler: „In keinem anderen Land weltweit ist die Sichtbarkeit von Windkraftanlagen auf bis zu 25 km Entfernung ein Ausschließungsgrund für den Windkraftausbau. Das hat sich als K.-o.-Kriterium für den Ausbau der Windkraft in Kärnten erwiesen: Seit Inkrafttreten der ersten Verordnung 2012 wurde in Kärnten keine einzige Windkraftanlage errichtet. Zum Vergleich: Österreichweit stieg die Anzahl der Anlagen von 760 im Jahr 2012 auf 1.307 im Jahr 2021. Im selben Zeitraum stieg die installierte Windkraftleistung von 1.380 MW auf 3.300 MW.“

"Wollen wir diese Zeitenwende drüberbringen, müssen wir die Veränderung auch machbar machen."

Deshalb verlangt die WK die ersatzlose Streichung der Sichtbarkeitsregelungen und eine deutliche Reduktion der im Abs. 6 festgelegten Distanz zu Wohngebäuden von derzeit 1.500 m nach dem Vorbild des Freistaates Bayern: Um 500 neue Windkraftanlagen zu errichten, werden die geltenden Abstandsregeln dort deutlich verringert. Auch eine realitätsnähere Auslegung des Umweltverträglichkeitsgesetzes ist aus Sicht der Wirtschaftsvertreter notwendig. Mandl: „Da werden bis zu 25 Gutachten verlangt, im Zuge eines Windkraftprojekts mussten kürzlich sogar die Auswirkungen einer solchen Anlage auf die Psyche von Erholung suchenden Wanderern untersucht werden. Wollen wir diese Zeitenwende drüberbringen, müssen wir die Veränderung auch machbar machen.“

Bei Nichterreichung der Klimaziele würden Kärnten laut einer Einschätzung des Landesrechnungshofs Strafzahlungen bin zu 100 Millionen Euro drohen. Der WK-Präsident will die Vorschläge der Wirtschaft nicht als Kritik verstanden wissen, sondern als Weckruf: „Es geht nicht um Ausreden, nicht um Schuldige, sondern es geht um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes und darum, die enormen Möglichkeiten Kärntens bei Photovoltaik und Windkraft zu nutzen, die Abhängigkeit von Energieimporten stark zu reduzieren und die Wertschöpfung im Land zu lassen.“

Petition der Wirtschaftskammer Kärnten zur Senkung der Energiekosten

Alleine im Bereich der Mineralölsteuer fließen aktuell um 100 Millionen Euro mehr pro Monat in die Staatskassen. Ohne Gegenmaßnahmen stehen Unternehmen und Haushalten in den kommenden Monaten weitere massive Preisanstiege ins Haus. Damit muss jetzt Schluss sein! Der Staat muss diese automatischen Mehreinnahmen aus den aktuellen Teuerungen im Energiebereich unverzüglich an die Bevölkerung, die Unternehmen und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zurückgeben! Deshalb hat sowohl die Wirtschaftskammer Kärnten als auch die Wirtschaftskammer Steiermark eine Petition ins Leben gerufen. Gemeinsam macht sich der Wirtschaftsraum Südösterreich stark, um die Energiesteuern mit sofortiger Wirkung zu senken! www.wko.at/ktn/energiepreissenkung

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