Damit der Mensch in der Pandemie nicht auf der Strecke bleibt, sollte unbedingt der gemeinsame Dialog in den Fokus gestellt werden. © pixabay/ Bob_Dmyt
Wirtschaft
10.03.2022

Das Miteinander und der empathische Dialog im Fokus

Wie geht es den Menschen mit der andauernden Ausnahmesituation? Und was braucht es, damit der Mensch in der Pandemie nicht auf der Strecke bleibt?

Das Corona-Virus und all die Einschränkungen und Umstellungen in unser aller Leben, die es mit sich bringt, begleiten uns jetzt mittlerweile schon seit fast zwei Jahren. Abstand halten, Ausgangssperren, Corona-Tests, Home-Office und Impfpflicht sind nur einige der Dinge, die uns bereits seit vielen Monaten fordern und jedem von uns einiges abverlangen. Immer wieder wird darüber gesprochen, welche Folgen die Pandemie beispielsweise für die Wirtschaft hat, doch wie geht es den Menschen in dieser andauernden Ausnahmesituation? Wir haben mit Hubert Stotter Rektor der Diakonie de La Tour, Rudolf Kravanja Präsident des ÖZIV-Landesverbandes Kärnten und AK-Präsident Günther Goach darüber gesprochen, wie die Menschen, mit denen sie es tagtäglich zu tun haben, die derzeitige Situation erleben, wie es ihnen in den Lockdowns ergangen ist und wie sie mit den Einschränkungen im täglichen Leben umgehen. Wir haben auch nachgefragt, was aus ihrer Sicht nötig ist, damit der Mensch in der Pandemie nicht auf der Strecke bleibt.

Sehnsucht nach Normalität

Auch in der Diakonie de La Tour war die Corona-Pandemie in den letzten beiden Jahren bestimmendes Thema. Dort, wo Menschen zusammenkommen, zusammenleben oder den Tag gemeinsam verbringen, gab und gibt es leider noch immer ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. „Die Sehnsucht nach Normalität ist in allen unseren Bereichen enorm hoch“, erklärt Hubert Stotter, denn an keinem der Arbeitsbereiche ging das Thema spurlos vorüber. „Im ersten Jahr der Pandemie haben uns die Häuser für Menschen im Alter die größten Sorgen bereitet. Hier galt es, Infektionen so gut es geht zu verhindern, denn wir waren dem Virus zu diesem Zeitpunkt schutzlos ausgeliefert. Die damit verbundene Angst und die Besuchsregelungen haben an den Kräften aller gezehrt. Sowohl bei den Bewohnern und ihren Angehörigen als auch bei den Mitarbeitenden. Die Belastungsgrenzen waren erreicht. Mit der Impfung hat sich die Situation entspannt und es wurde wieder ein wenig normaler, es bleibt aber bis heute herausfordernd“, resümiert Stotter.

Hubert Stotter, Rektor Diakonie de La Tour

„Die Sehnsucht nach Normalität ist in allen unseren Bereichen enorm hoch.“

© Gerhard Maurer

Für Menschen Verantwortung tragen

Nicht nur für ältere Menschen war die Zeit belastend, auch für die Kinder, die in der Diakonie begleitet werden: „Kinder und Jugendliche haben unter dem Wegfall von sozialen Kontakten, ihrem gewohnten Alltag und den vielen Unsicherheiten, sehr gelitten. Auch wenn unsere Mitarbeiter versucht haben, vieles aufzufangen, leicht war es auch hier für niemanden“, gibt Stotter Einblicke in diesen Arbeitsbereich. „Zudem gab es Auswirkungen auf Familien, die durch die Pandemie dringend Unterstützung von außen benötigt haben. Deshalb haben wir in Kooperation mit dem Land Kärnten das mobile Familiencoaching ins Leben gerufen.“ Hier beraten und unterstützen speziell geschulte Personen, Familien in allen Lebenslagen, beispielsweise in Konfliktsituationen. „Unsere Mitarbeiter haben in allen unseren Arbeitsbereichen unglaubliches geleistet“, so Stotter und führt weiter aus: „Das spürbare Engagement hat mich sehr bewegt. Man hat gemerkt, dass nicht nur ein Job erledigt, sondern für Menschen Verantwortung getragen wird, egal, wie schwer die Situation gerade war. Dafür gebührt ihnen tiefst empfundener Respekt.“ Deutlich wurde überall, dass der Wegfall sozialer Kontakte der Seele auf Dauer nicht guttut und Spuren hinterlässt. Dies auf­zufangen, wird wohl noch lange nach der Pandemie eine wichtige Aufgabe ­bleiben.

Unbewussten Druck zur Rechtfertigung

Kontaktverbote, Isolation, fehlende Nähe, ständige Testungen und die Impfpflicht haben sich auch auf die Klienten des ÖZIV ausgewirkt. „Die Auswirkungen sind von Fall zu Fall verschieden. Da gibt es Klienten, die sehr gut durch die Zeit kommen und Interessen und Hobbies entdecken, denen sie nun wieder verstärkt nachgehen können. Solche Schätze in der eigenen Biografie bewusst zu machen und zu heben, darin liegt unter anderem die Aufgabe der SUPPORT Coaches. Es gibt aber auch ­Personen, die sich etwa aufgrund einer Autoimmunerkrankung nicht impfen ­lassen können. Nicht selten beobachten wir hier die Situation, dass es einen un­bewussten Druck zur Rechtfertigung gibt, der nicht selten auch zu Ohnmachts­gefühlen und latenter Wut führen kann“, erklärt der ÖZIV-Präsident Rudolf ­Kravanja.

Den Gefühlen Raum geben

Um den Menschen durch diese schwierige Zeit zu helfen, ist es Kravanja wichtig, dass den Gefühlen, denen sich jeden von uns stellen muss, auch Raum gegeben wird. „Schwierige Zeiten wollen in ihrer Tragweite auch als solche wahrgenommen und benannt werden dürfen. Es geht hier nicht darum, zu jammern und zu klagen, wiewohl auch das seinen Platz haben darf, sondern darum, sich belastende Situationen auch einmal anzuschauen, den Gefühlen der Überfordertheit, Angst und vielleicht Wut den entsprechenden Raum zu geben. Sich mit dem Coaches die Zeit und auch den Raum zu nehmen, um zu sehen, was an Gefühlen, Problemen aber auch Lösungen da ist, und einfach einmal absichtslos zuzuhören, können Schritte in die richtige Richtung sein.“

Rudolf Kravanja, ÖZIV-Präsident

„Nicht selten beobachten wir hier die Situation, dass es einen unbewussten Druck zur Rechtfertigung gibt, der zu Ohnmachtsgefühlen und latenter Wut
führen kann.“

Miteinander und empathischer Dialog

Damit der Mensch in der Pandemie nicht auf der Strecke bleibt, sollte unbedingt der gemeinsame Dialog in den Fokus gestellt werden. „Es ist ja bei weitem nicht so, dass ich als Coach die Meinung meiner Klienten vollinhaltlich teilen muss. Aber das Miteinander und der empathische Dialog, das bedingungslose Zuhören, das sind Grundvoraussetzungen, damit man miteinander gut im Gespräch bleiben kann. Ein Gespräch natürlich, dass ohne den Drang Recht haben zu müssen, dass ohne dem weit verbreiteten „Ja aber“ auskommt“, so Kravanja.

Viele wissen nicht, in welche Richtung

AK-Präsident Günther Goach erklärt: „Dem oftmals undurchsichtigen Corona-Management der Regierung geschuldet, wissen die Menschen vielfach nicht in welche Richtung die Entwicklung geht und sie haben Zukunftsängste. Viele Probleme in der Arbeitnehmerschaft resultierten aus meiner Sicht auch aus dieser Verunsicherung heraus.“ Auch die Arbeiterkammer unterstützt wo es möglich ist, um vor allem in rechtlichen Belangen Klarheit und Gerechtigkeit für die arbeitenden Menschen zu schaffen.

Unterstützung im psychischen Bereich

„Ob der sich vielfach ändernden Bestimmungen, ist dies auch für uns eine Herausforderung. Was es aber sicher stärker braucht, ist die Unterstützung im psychischen Bereich. Die Be- und Überlastungen durch beispielsweise Jobverlust, Kurzarbeit, Homeschooling und Arbeit ist massiv. Und wir dürfen keinesfalls auf die junge Generation vergessen. Sie haben in den vergangenen beiden Jahren unter der Diskontinuität zum Beispiel in den Schulen und Betreuungsbereichen sehr gelitten“, so Goach. Auch der AK-Präsident ist der Meinung, dass der Dialog und die Kommunikation miteinander, besonders in so einer Ausnahmesituation wie wir sie derzeit haben, in den Fokus gestellt werden muss. „Zuerst ist eine klare Kommunikation von Seiten der Regierung notwendig. Und zwischenmenschlich ist es wichtig die Probleme im Alltag in der kleinsten Zelle, also der Familie, versuchen aufzuarbeiten.“

Günther Goach, AK-Präsident

„Wir dürfen keinesfalls auf die junge Generation vergessen. Sie haben in den vergangenen beiden Jahren unter der Diskontinuität in den Schulen und Betreuungsbereichen sehr gelitten.“

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