Der VZ Thementag über die „Dynamiken moderner Wirtschaft“
Wie verändern der Rahmen des Europäischen Green Deals und die Erfahrungen neuer Kooperationen und Partnerschaften die Wirtschaft und welche Themen stehen in Unternehmen an, um die Potentiale des Shifts in Richtung Nachhaltigkeit zu nutzen? Gelingt uns ein Narrativ für die Region, das gemeinsam voranbringt? All diesen Fragen und möglichen Antworten widmete sich eine hochkarätige Runde von Führungskräften aus unterschiedlichen Branchen beim diesjährigen VZ Thementag.
Führungskräfte aus 40 Unternehmen
„Ich bin Europäer aus Leidenschaft“, so beginnt Martin Selmayr seinen Impuls am Beginn des diesjährigen Thementages. Der oberste Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich war zu Gast beim Thementag des Verantwortung zeigen! Netzwerks, der in diesem Jahr Führungskräfte aus rund 40 Unternehmen in die Heft in Hüttenberg führte. Der Ort bestach durch eine Anmutung als Lost Place, hier glühten vor rund hundert Jahren die Hochöfen einer der größten Eisenwerksanlagen Europas. Der Architekt Günther Domenig verlieh dem ehrwürdigen Bau für eine frühere Landesausstellung durch Stahl und Glaselemente und moderne Zubauten eine künstlerische Perspektive. Unter dem Motto „Diagonal“ wurde die Heft anlässlich des zehnten Todestages von Domenig dieses Jahr wieder geöffnet und stand für den Thementag dem VZ Netzwerk exklusiv zur Verfügung.
Wir Europäer treiben die Entwicklung voran
Der Tag widmete sich dem Green Deal und seinen Auswirkungen für die Unternehmen und die Region. Und eben dort setze Selmayr an: Europa hat das Pariser Klimaabkommen und die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen intensiv mit ausgehandelt und den Europäischen Weg mit dem Green Deal festgemacht. „Wir haben Verantwortung für unseren Planeten, es kann so nicht weitergeben. Wir stellen unsere Existenz in Frage, wenn wir so weitermachen. Wir müssen mit allen Mitteln und Kräften die Erderwärmung begrenzen“, so Selmayr. Europa käme dabei eine besondere Rolle zu. „Reden wir uns nicht klein, wir haben uns als gesamter Kontinent, als einziger der Erde verbindliche Ziele gegeben, bis längstens 2050 klimaneutral zu sein und bereits bis 2030 unsere CO2-Emissionen um 55 Prozent zu reduzieren. Das gibt uns Macht und Einfluss, den wir nützen müssen. Wir Europäer treiben die Entwicklung voran.“
Großer Transformationsprozess
Dazu werde ein europäischer Rechtsrahmen festgeschrieben mit klaren Zielen, auf die sich die Bürger und und auch die Unternehmen und Regionen verlassen können, was in den einzelnen Bereichen getan werden müsse, ob in der Mobilität, der Landwirtschaft, im Bereich der erneuerbaren Energien oder dem Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Es ist ein großer Transformationsprozess, den wir angestoßen haben.
Selmayr benannte auch Kriterien für den Erfolg der Realisierung: „Alle müssen einbezogen werden in den Deal, den Pakt. Wir brauchen breiten Konsens auch unter allen Regierungschefs und Mitgliedsstaaten, das darf durchaus seine Zeit brauchen“, so Selmayr. Die Umsetzung wird konsequent in Gesetze gegossen, die für den gesamten Kontinent gelten. „Integration durch Recht ist ein großer Fortschritt.“ Klimapolitik ist damit nicht nur Politik, sondern Gesetz. Der „Europäischer Green Deal“ ist ein Slogan, hinter dem die Wirtschaftsmacht Europa steht. „Wir sind der größte Binnenmarkt der Welt, hier werden die Spielregeln für die Weltwirtschaft gemacht. Wir haben in Europa in den letzten Jahren bereits relativ bezogen auf das Wachstum CO2-Einsparungen erzielen können – es geht also. Das macht Mut, das Wachstumsvorhaben zu forcieren im Rahmen der klimapolitischen Zielvorgaben. Der Green Deal ist ein Innovations- nicht nur ein Klimavorhaben.“
Soziale Frage rückt in den Vordergrund
Selmayr betont im Bezug auf den Angriffskrieg Russlands und die Konsequenzen für die europäische Energieversorgung auch den Wert der Demokratie als wichtigster Bindefaktor der EU. „Wir sind demokratisch und stark, wir streiten um den richtigen Weg und sind zuversichtlich, dass wir es am Ende schaffen.“ Dabei müssen wir, so Selmayr, die Schwächeren der Gesellschaft gut abfedern. Die soziale Frage rücke also stark in den Vordergrund. Viele Unternehmen gehen hier bereits mit gutem Beispiel voran. Und er schließt mit einem Plädoyer für die Zukunft: „Halten wir jetzt stark zusammen, kritisieren wir uns, aber lassen wir die Demokratie nicht scheitern. Bekennen wir uns zum Meinungsstreit und zum Kompromiss. Es lohnt sich immer für den Frieden und die Demokratie. In Europa gibt es keine radikalen Lösungen – und das ist gut so.“
Die Distanzen werden sich verändern
Für den Landeshauptmann Peter Kaiser betont die Nationalratsabgeordnete Petra Oberrauner den Wert und die Bedeutung der Bildung von Clustern und zeichnet den erfolgreichen Weg des Raumes Villach als Technologiestandort nach. Dies bringe eine breite Wirkung auch in Richtung von Klein- und Mittelunternehmen und schaffe in der Region hohe Flexibilität durch die Vielgliedrigkeit der Wirtschaftsstrukturen. Die Distanzen werden sich in den kommenden Jahren im Süden Österreichs stark verändern, so Oberrauner. Mit dem Koralmtunnel rücken nicht nur die Steiermark und Kärnten enger aneinander, auch verändere sich die Anbindung an die baltisch-adriatische Achse. Das werden Unternehmen auch in den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt spüren und sollten Chancen nutzen.
Erfolgreich ist, was Neues anstößt
Nach der Europäischen Ebene und der Umsetztung auf die Region und die regionale Wirtschaft im internationalen Kontext bot der abschließende Impuls am Vormittag Gelegenheit, Kriterien für erfolgreiche Partnerschaften zu beleuchten. Dazu gab Michael Fembek, Leiter der Essl Foundation und Herausgeber des CSR-Guide, Einblick in viele Erfahrungen von Kooperationen und Initiativen in Österreich und darüber hinaus. Es seien alles Dinge, die bleiben, die wieder Neues anstoßen und Neues schaffen. Er benennt zehn gute Beispiele, wie besonders auch sektorübergreifende Kooperatoren gelingen. Fembek wies in diesem Zusammenhang auch auf die Bedeutung von Medienkooperationen und die (potentielle) Rolle des Staates als „Entrepreneurial State“ hin. Auch die Hemmnisse wurden genannt, insbesondere zu hohe Komplexität von Initiativen oder der Faktor, dass gute Ideen nicht innerhalb der Organisation wurzeln können und Akzeptanz finden. Daher braucht es für das Gelingen von Kooperationen immer verschiedene Rollen: eine Moderation, eine Steuerung, eine Katalysatorrolle, SprachenverbinderInnen und verbindende Netzwerkprozesse.
Fotos: Verantwortung zeigen!