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Gesundheit
14.03.2022

Die „Adipositas-Pandemie" "Bauchfett" ist besonders gefährlich

Ein Viertel aller Erwachsenen in Österreich ist stark übergewichtig, also adipös. Anlässlich des „World-Obestity-Tages“ („Welttag der Fettsucht“) am 4. März, klären Chirurgen und Internisten des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder St. Veit/Glan welche Rolle die Fettverteilung hat und was Menschen mit krankhaften Übergewicht (Adipositas) so anfällig für die Covid-Infektion macht.

Die so genannte „Adipositas“ ist eine echte Volkskrankheit. In Österreich hat fast jeder Fünfte einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 40 und gilt daher als adipös (fettleibig). Bundesweit werden rund 3.500 Operationen aufgrund von Adipositas (Fettleibigkeit) durchgeführt. Adipositas geht mit lebensverkürzenden Begleiterkrankungen einher. Dazu zählen insbesondere der Diabetes (Zuckerkrankheit), Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Lungenfunktionsstörungen mit Atemnot, Erstickungsanfälle beim Schlafen (Schlaf- Apnoe-Syndrom) und schwere orthopädische Erkrankungen der Gelenke und der Wirbelsäule.

Adipositas-Operation schützt vor schweren Verläufen

Vielen adipösen Menschen nützen weder Medikamente noch Diäten oder Sport um eine längerfristige Gewichtsreduktion zu erreichen. Eine Operation ist oft der einzige Ausweg. Am allgemein öffentlichen Krankenhaus der Barmherzigen Brüder St. Veit/Glan verfügt man über eine langjährige Erfahrung mit Adipositas-PatientInnen. Vor Eintritt der Covid-Pandemie wurden am Ordenskrankenhaus pro Jahr ca. 200 PatientInnen wegen krankhaftem Übergewicht operiert. In den vergangenen zwei Pandemie-Jahren waren es um ca. 50% weniger, um Kapazitäten auf der Intensivstation freizuhalten“, argumentiert Erster Oberarzt Dr. Klaus Baumgartner von der Abteilung für Chirurgie. Nun hätte sich die Situation wieder normalisiert.

Erhöhtes Risiko für schwere COVID-Verläufe

Krankhaftes Übergewicht (Adipositas) gilt aber auch als Treiber der COVID-Pandemie, denn mit dem Body Mass Index (BMI) steigt auch das Risiko, schwer an Corona zu erkranken. So entsteht ein Teufelskreis aus dem Zusammenspiel von Corona und Adipositas, erklärt Dr. Marco Franzoi von der Abteilung für Innere Medizin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder St. Veit/Glan. Er kennt als hauptbetreuender Arzt auf den COVID-Stationen den Ernst der Lage der adipösen PatientInnen. „Bereits ab einem Body Mass Index (BMI) von 23, was noch unter der Grenze zu Übergewicht (BMI ≥ 25) liegt, steigt das Risiko für schwere Verläufe einer Coronavirus-Infektion, auch intensivmedizinische Behandlungen oder sogar Todesfälle nehmen mit zunehmenden Gewicht der Infizierten zu.“ „Bauchfett“ ist besonders gefährlich.

Die heikle Grenze liegt bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 35: Ab diesem Richtwert gelten Menschen mit Übergewicht als krankhaft fettleibig. Müssen Adipöse mit einer Covid-19-Infektion ins Krankenhaus, ist die Sorge vor einer künstlichen Beatmung laut ExpertInnen mehrfach begründet. Einerseits haben diese aufgrund ihrer höheren Körpermasse einen gesteigerten Sauerstoffbedarf. Andererseits ist ihr Lungenvolumen oft deutlich vermindert. Dr. Marco Franzoi weiter: „Man kann sagen das Bauchfett wirkt als mechanisches Hindernis für eine korrekte Lungenentfaltung und wiederum Belüftung –– bereits ohne eine Corona-Infektion.“ Zusätzlich ist das Immunsystem bei Adipositas oft geschwächt: Infektionen treten öfter auf, zusätzlich zu kardiovaskulären und metabolischen Beschwerden, wie z. B Bluthochdruck, Herzinfarkte und Diabetes.

Allerdings, so sagen es die Adipositas-Experten am Krankenhaus St. Veit „sollte man sich nicht bloß am Körpergewicht orientieren.“ Wichtig sei auch die Fettverteilung: „Oft täuscht es und jemand wirkt schlank. Doch die sogenannte „Apfelform“ wie sie bevorzugt bei Männern vorkommt, ist gefährlich. Die Daten zeigen: Bauchfett ist gefährlicher als Hüftfett“, so Dr. Raphael Edlinger, der gemeinsam mit EOA Dr. Klaus Baumgartner die Adipositas-PatientInnen behandelt.

Thrombosegefahr steigt rapide

In Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion kann das besonders brenzlig werden. Besonders gefährlich sind dabei die Fettzellen, die einen schweren COVID-Verlauf nahezu befeuern. „Allein die Adipositas sorgt für ein chronisch entzündliches Milieu,“ so Dr. Franzoi. Diese häufig beobachtete ausgeprägte Entzündungsreaktion kann bei Vorerkrankungen der Gefäße lebensbedrohlich sein. „Das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen) ist bei stark übergewichtigen Menschen ohnehin erhöht und steigt bei einer Covid19-Erkrankung zusätzlich an. Aus diesem Grund kommt der Blutverdünnung eine große Bedeutung zu.“

OP-Methoden: Magenbypass vs. Schlauchmagen

Bei operativen Eingriffen mit dem Ziel, das Körpergewicht zu reduzieren, spricht man auch von Adipositas-Chirurgie. Heute setzt man an der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses St. Veit auf mehrere Prinzipien: Die Magen-Bypass-Operation zur Behandlung des Diabetes gilt als nachhaltigste und effektivste Methode zur Reduzierung des Übergewichts, ist jedoch aufwändiger und „einschneidender“, was den zukünftigen Lebensstil angeht. Im ersten Schritt wird der Magen wenige Zentimeter unterhalb des Mageneingangs abgetrennt und ein kleiner „Pouch“ (Restmagen) gebildet, der nur noch ein kleines Fassungsvermögen hat. Anschließend wird der Dünndarm durchtrennt und so versetzt, dass Nahrung und Verdauungsmittel erst im mittleren Dünndarm aufeinandertreffen und dadurch später zersetzt werden. Die Nahrung wird über eine Umleitung (Bypass) verwertet.

Durch ein rasch eintretendes Sättigungsgefühl und damit einhergehende Reduzierung der Nahrungsmenge aber auch durch die Stoffwechselumstellung kommt es sukzessive zu einer Reduzierung des Übergewichts von 60-70 Prozent im ersten Jahr. Durch die Ausschaltung des Zwölffingerdarms ist lebenslange Zuführung von Vitaminen und Mineralstoffen zwingend notwendig.

Der Schlauchmagen (Sleeve-Gastrektomie) bietet hingegen bei massivst übergewichtigen Patienten bzw. Risikopatienten eine ausgezeichnete Alternative. Hierbei wird das Magenvolumen operativ um ca. 80% reduziert – ein sogenannter Magenschlauch wird gebildet. Auch hier können vergleichbare Gewichtsabnahmen erreicht werden.

OP ist nur ein Baustein

Die Behandlung einer chronischen Erkrankung wie Adipositas setzt voraus, dass „man die PatientInnen nicht nur auf einer kurzen Etappe des Behandlungsweges begleitet, sondern auf der gesamten Strecke betreut und lebenslang begleitet“, weiß Dr. Raphael Edlinger. In Österreich sind diese Adipositas-Operationen chefarztbewilligungspflichtig. Somit müssen präoperativ einige Voruntersuchungen (Gastroskopie, Ernährungsberatung, Psychologisches Gutachten, OP-Tauglichkeit etc.) durchgeführt werden.

Nach einer Adipositas-chirurgischen Operation ist eine lebenslange Nachsorge notwendig. Zur Nachsorge und Langzeittherapie gehört eine Ernährungs- und psychologische Beratung. Eine Lebensstiländerung ist trotz Operation unbedingt notwendig! Eines ist gewiss – und da sind sich die Experten des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder St. Veit/Glan sicher: „Wir müssen jetzt nach der Pandemie wieder vermehrt auf die wesentlich größere Adipositas-Pandemie schauen, die schon seit Jahrzehnten grassiert, eine weitere Diabetes-Pandemie nach sich zieht und sich von Jahr zu Jahr verschlimmert“, fasst EOA Dr. Klaus Baumgartner zusammen.

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