© Hannes Pacheiner
Wirtschaft
01.08.2021

Gesellschaftliche Nachhaltigkeit neu gedacht

Im Jahr 2020 mussten wir hilflos zusehen, wie ein Virus unser Leben abrupt zum Stillstand brachte: Globale Lieferketten wurden unterbrochen, wenige Firmen waren für Homeoffice vorbereitet, Menschen arbeiteten am Küchentisch und unterrichteten nebenbei ihre Kinder.

Gastkommentar mit Rechtsanwältin Mag.a Birgitta Winkler LL.M. (Sydney)

Das Thema der Nachhaltigkeit begleitet uns als Gesellschaft schon seit den späten 70er-­Jahren, als der Protest gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf und die Besetzung der Hainburger Au (1984) aus umwelt- und demokratiepolitischer Sicht Geschichte schrieben. Artikel 1 Bundes-Verfassungsgesetz – beschlossen am 1.10.1920 – bestimmt – dass Österreich eine demokratische Republik ist, in der das Recht vom Volk ausgeht. Während ihres 100-jährigen Bestehens hat sich Österreich – und seine Gesellschaft – radikal verändert. Industrie 4.0, Digitalisierung, Kryptowährungen, etc. sind die heute dominierenden Themen.

„Nachhaltigkeit“ wurde von Hans Carl von Carlowitz im Jahre 1713 im Sinne eines – langfristig angelegten – verantwortungsbewussten Umgangs mit Ressourcen definiert (1). Dieser Begriff hat sich jedoch mit den Bedürfnissen der jeweiligen Zeit und Gesellschaft gewandelt: Nachhaltigkeit im Jahre 2021 ist eine andere als im Jahre 1713 oder 1920. Aus diesem Grunde müssen wir Nachhaltigkeit heute neu denken. Die österreichischen Gesetze geben uns die Möglichkeit, Nachhaltigkeit für die gesamte Gesellschaft zu realisieren:

• In wirtschaftlicher Hinsicht gilt es, Österreich als Wirtschaftsstandort zu stärken – die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie vulnerabel uns das Verlagern von kritischer (Produktions-)Industrie in andere Länder macht.
• Landwirtschaftliche Produktion muss aufgewertet werden – die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln muss sichergestellt sein.
• Die technologische Entwicklung und die Digitalisierung erfordern, dass wir unsere Wissensträger halten bzw. neue gewinnen, d.h. dass wir über innovative Unternehmen verfügen und diese nicht mit formalistischen Rahmenbedingungen behindern.
• Eine wohldurchdachte Standortstrategie bedingt auch, dass bestimmte Infrastrukturunternehmen mehrheitlich österreichische Eigentümer haben. Die Interessen ausländischer Eigentümer stimmen – nach Aus­laufen von Förderungen etc. – oft nicht mit den Interessen der Gesellschaft überein.
• In sozialer Hinsicht muss eine ausreichend dimensionierte medizinische Infrastruktur sowie Unterstützung in Not- und Krisenfällen gewährleistet sein; dazu zählt die Grundversorgung mit bestimmten Gütern und Dienstleistungen (Transport, Post etc.).
• Ein vernünftiges Raumplanungskonzept erlaubt es den Menschen, am Land zu wohnen, wenn es keine Konzentration von Unternehmen und Behörden in den Städten gibt.

„Der Staat“ hat keinen Selbstzweck zu erfüllen, er ist kein gewinnorientiertes Unternehmen. Kurzfristige Gewinnerzielung durch den Ausverkauf von Unternehmen und Immobilien ist nur eines: nämlich kurz­fristig. Langfristige Planung im Sinne von Nachhaltigkeit ist gefordert, um für unsere Kinder und Enkelkinder ein lebenswertes Leben zu gewährleisten.Nicht die Bürger müssen dem Staat­ ­dienen, sondern der Staat hat den Bürgern zu dienen und danach zu trachten, das Leben für alle lebenswert zu gestalten. In diesem Sinne ist Art. 1 der Bundes-Verfassung umzusetzen.

1 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit

© Hannes Pacheiner
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