Neue Möglichkeiten für Pendler und Unternehmen
advantage: Was braucht es, um noch mehr Menschen davon zu überzeugen, das Auto stehen zu lassen und auf die Bahn bzw. den Bus umzusteigen?
Gerald Zwittnig: Eine gute Infrastruktur ist die Grundlage dafür, um Menschen davon zu überzeugen, vermehrt die Bahn und den Bus zu nützen. Auch mit attraktiven Fahrzeiten, einem leichten Zugang zum System für Jedermann, kurzen und logischen Wegen und leichten Umstiegsmöglichkeiten kann man punkten. Wichtig ist auch, wie das Wohlbefinden der Menschen ist, wenn sie sich am Bahnhof aufhalten. Denn, der Bahnhof ist das Aushängeschild der ÖBB. Bereits hier kann man die Kunden entweder begeistern oder verlieren - weil sie sich zum Beispiel nicht zurecht finden oder zu wenig Infos bereitgestellt werden. Um unsere Kunden zu überzeugen, sind all unsere Bahnhöfe in Österreich im Corporate Design gestaltet. Das heißt, jeder Bahnhof sieht gleich aus und bietet die gleichen Informationen. Das hilft den Kunden auch dabei, sich besser zurecht zu finden. Wichtig ist auch, den Kunden die Möglichkeit zu geben, das Auto stehen zu lassen und für die weitere Wegstrecke auf die Bahn umzusteigen. Diesen Service bieten wir mit unseren Park & Ride Stellplätzen bei den Bahnhöfen.
Warum setzt sich die ÖBB so stark für die Themen Umwelt- und Klimaschutz ein?
Bahnfahren per se ist eigentlich schon Umweltschutz und ressourcenschonend. Wer mit der Bahn fährt, schont Ressourcen und leistet einen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft nachfolgender Generationen. Aber das alleine reicht uns noch nicht. Wir sind hier als Unternehmen gefordert noch einen Schritt weiter zu gehen und noch mehr zu tun. Als eines der größten Klimaschutzunternehmen Österreichs verstehen wir uns als Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. Mit der Umstellung auf 100 Prozent grünen Strom für unsere Bahnhöfe, Büros, Werkstätten und Containerkräne erreichen wir den nächsten Meilenstein in Richtung eines CO2-freien Konzerns. So gestalten wir schon heute eine umweltfreundliche Infrastruktur und ermöglichen unseren Kindern und Enkelkindern morgen eine lebenswerte Zukunft. Die ÖBB-Infrastruktur setzt auch laufend zahlreiche Maßnahmen, um den österreichischen Naturschatz zu erhalten: Beispielsweise Böschungsbegrünungen mit regionalem Saatgut, Pflanzung alter Obstbaumsorten, Flussrenaturierungen, Bau von Grünbrücken für Wildtiere, Montage von Schutzkappen für Vögel an Stromleitungen, Schaffung von weiträumigen, ökologischen Ausgleichsflächen u.v.m. Oft reichen aber auch schon kleine Naturinseln, um Bienen, Schmetterlingen, Käfern oder Vögeln einen Platz zum Leben zu bieten. Der Mut zur „Gstetten“ zahlt sich für die Natur also
aus – wir müssen es nur tun. Das alles sind unsere Beiträge zur Klimawende – eine Klimawende, in der die ÖBB ein wichtiger Partner ist. Wenn wir es schaffen, mehr Menschen dazu zu bewegen, auf die Bahn oder den Bus umzusteigen, fallen auch die Emissionen auf der Straße weg.
Wie ist der derzeitige Stand in Sachen Koralmbahn? Wann ist die Fertigstellung geplant?
Wir liegen derzeit sowohl was die Kosten, als auch was die Bauzeit betrifft, im Plan. Die Rohbauarbeiten sind abgeschlossen, die Ausrüstungsarbeiten werden durchgeführt. Der Koralmtunnel ist das Herzstück der Koralmbahn. Auch hier werden derzeit bahntechnische Ausrüstungsarbeiten durchgeführt. Ende 2023 wird die Koralmbahn auf der Kärntner Seite fertiggestellt sein, Ende 2025 soll dann die Gesamtinbetriebnahme erfolgen. In den letzten Monaten vor der Gesamtinbetriebnahme wird es dann noch intensive Tests und Abnahmen geben, alles wird auf Herz und Nieren geprüft. Das ist besonders wichtig, denn die gesamte Strecke ist auf eine Maximalgeschwindigkeit von 250 km/h angelegt.
Welche Vorteile bietet die Koralmbahn den Pendlern und der regionalen Wirtschaft nach der Fertigstellung?
Durch die attraktiven Fahrzeiten ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für Pendler. Vom Lavanttal aus ist man beispielsweise in nur 25 Minuten in Graz, auch nach Klagenfurt braucht man nur 22 Minuten. Somit wird es auch möglich, Tagespendler zu sein, wenn man in Graz arbeiten möchte. Aber nicht nur das Aus- sondern auch das Einpendeln wird mit Sicherheit ein ganz großes Thema werden. Gebiete wie das Lavanttal könnten hier ganz besonders profitieren, sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch auf der Suche nach schlauen Köpfen. Das ist eine riesige Chance für uns alle.
Im Laufe des Jahrhundertprojektes kommen hochtechnische und gigantische Maschinen zum Einsatz. Wie wichtig ist der Faktor Mensch noch in diesem Bereich und wie sieht der digitale Einfluss auf Ihre Arbeit aus?
Der Mensch braucht die Maschine, um Arbeiten schneller und effizienter verrichten zu können. Gleichzeitig braucht die Maschine aber auch den Menschen, der sie designen, entwickelt und betreiben kann. Die Tunnelvortriebsmaschinen, die wir beim Tunnelbau einsetzen beispielsweise sind Wunderwerke der Technik. Der Bohrkopf hat einen Durchmesser von zehn Metern und baut mehr oder weniger den fertigen Tunnel. Es braucht aber dennoch Manpower, um die Maschine zu steuern.
Welche Projekte plant die ÖBB heuer in Kärnten umzusetzen?
349 Millionen Euro fließen heuer in die ÖBB Infrastruktur. Natürlich steht in Kärnten die Koralmbahn im Fokus, wir setzen aber auch noch einige andere Projekte um. Beispielsweise der Ausbau des Kraftwerkes in Obervellach, die Unterführung der Landesstraße in Pörtschach oder die Überfahrtsbrücke beim Bahnhof in Hermagor. Auch zahlreiche Reinvestitionstätigkeiten werden heuer durchgeführt.