© Petra Plimon
Gesundheit
12.03.2023

Würde kennt kein Alter!

Der Bedarf an mobiler Betreuung und Pflege steigt: Immer mehr Menschen möchten in den eigenen vier Wänden alt werden. 

Montag früh an einem eisig kalten Tag Ende Jänner: Ich treffe ­Jennifer Wallner am Stützpunkt der Diakonie de la Tour in Spittal an der Drau und darf die Pflegeassistentin einen Tag lang be­­gleiten. Die 27-Jährige gibt im Interview berührende Ein­blicke in ihren Berufsalltag.

advantage: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen in der mobilen Pflege?

Jennifer Wallner: Neben den alltäglichen Pflegeaufgaben bestehend aus Körperpflege, Katheterpflege, Mobilisation, Vitalzeichenkontrolle und Medikametengabe sind besonders auch zwischenmenschliche Kompetenzen von Nöten, die in Summe erst eine professionelle Pflege auf Augenhöhe ermöglichen können. Einsamkeit, Isolation, Familienzerwürfnisse, soziale Ausgrenzung sind nur einige der Schlagworte, worunter zu Pflegende und deren Angehörige leiden. Viele unserer Klienten sind alleinstehend. Und gerade hier besteht besonders in der ambulanten Pflegeversorgung die Herausforderung: Wahrnehmen – Abschätzen – Reagieren. Denn anders als in stationären ­Einrichtungen wird für etwaige Fehler, welche es natürlich zu vermeiden gilt, einzig und allein die zuständige Pflegekraft zur Verantwortung gezogen.

Was hat Sie im Alter von 17 Jahren motiviert einen Pflegeberuf zu ergreifen? 

Die Liebe zu meinen Großeltern – definitiv. Ich bezeichne mich in Zeiten wie diesen als wahren Glückspilz, in einem Mehrgenerationenhaus aufgewachsen zu sein. Von klein auf hegte ich das große Bedürfnis, meinen Großeltern unterstützend zur Seite zu stehen. Ich befasse mich mit betagten Menschen somit schon mein ganzes Leben und es gibt bis jetzt noch keinen einzigen Tag, wo ich meine Berufsentscheidung bereut habe.

Welche Voraussetzungen benötigen Menschen, die in der Pflege tätig sein möchten?

Neben einer guten medizinisch- pflegerischen Grundausbildung, welche gerade im ambulanten Pflegeversorgungssektor von Nöten ist, braucht es ein hohes Maß an Selbstreflexion und spürbarer Willensstärke. Was motiviert mich in den Pflegeberuf einzusteigen? Was glaube ich dort zu finden oder bereits gefunden zu haben? Welche Grundwerte gegenüber älteren Menschen vertrete ich, möchte ich mich am System bedienen oder den Menschen nach besten Wissen und Gewissen „dienen“?

Wie bereits erwähnt und in der Praxis wahrnehmbar, spielt die psychisch – soziale Ebene eine immer bedeutendere Rolle. Die medizinische Versorgung und das Wissen diesbezüglich garantiert schon lange nicht mehr einen erfolgreichen Pflegeabschluss, vielmehr entscheidet die persönlich soziale Grundkompetenz, das Einsetzen erworbener Techniken im sozialen Miteinander über den Abschluss einer Pflegesituation, sowohl auf Seiten des zu Pflegenden als auch auf Seiten der Pflegeperson.

Warum also ein hohes Maß an Selbstreflexion? Wenn ich selbst keinerlei Zugang zu meinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen habe, wie soll mir dann ein Erkennen von psychischer Not gelingen?

Welche Qualifikationen haben Sie sich zusätzlich zu Ihrer Grund­pflegeausbildung angeeignet, die Ihnen im Beruf hilfreich erscheint?

Bereits während meiner Ausbildung zur Pflegekraft habe ich für mich subjektiv wahrgenommen, dass mein Wissen und meine Grundkompetenzen nicht aus­reichen, um betagte Menschen ganzheitlich betreuen zu können. Dies führte dazu, dass ich mich für eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin (nach Viktor Frankl) entschied. Welche zusätzliche Qualität mir diese Qualifikation bringen würde, war für mich damals nicht abschätzbar. Heute empfinde ich es als die beste Entscheidung meines Lebens. Mittlerweile bin ich im vierten Berufsjahr im mobilen Sektor tätig. Das Wissen um das Innere des Menschen ermöglicht es mir jeden Tag aufs Neue, die Herausforderungen, die der Beruf mit sich bringt, gesund und glücklich abzuschließen.

Warum ist die Mobile Pflege für Sie ein Modell, das immer wichtiger wird? 

Zum einen die steigende Lebenserwartung der Menschen. Das wird künftig dazu führen, dass eine ausreichende Versorgung im stationären Langzeitbereich nicht mehr für jedermann gewährleistet werden kann. Zum anderen auch der wahrnehmbare gesellschaftliche Wandel des Individuums hin zu Autonomie und Selbstbestimmtheit. Viele bevorzugen jetzt schon, gerade im Alter, ein Mitspracherecht bei der Pflegegestaltung. Ein Mal Duschen in der Woche? Für viele unvorstellbar geworden. Personenzentrierte Pflege wird erwünscht, der Rahmen hierzu wird dabei von der jeweiligen Tagesverfassung bestimmt. 

Was ist Ihre Botschaft in Richtung der Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft was die Zukunft der Pflege betrifft?

Wir schreiben bereits fünf nach 12. Was muss passieren, dass endlich jemand Verantwortung übernimmt für ein Thema, das jeden von uns früher oder später betreffen wird? Warum werden Schuldige gesucht statt Taten gesetzt? Ich selbst schätze mich außerordentlich glücklich, als Pflegeassistentin in der Diakonie De La Tour Kärnten arbeiten zu dürfen. Denn diese Botschaft, die nach außen getragen wird, auf vielen Plakaten zu lesen ist, wird auch umgesetzt und dies mit Achtung, Respekt und Wertschätzung dem Nächsten Gegenüber!

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